Kalkulationen für den Körpermarkt
Im Fachblatt Kidney International plädierte der New Yorker Mediziner Eli Friedman im Februar 2006 für eine staatlich organisierte Kommerzialisierung der »Organspende«. Dabei schlug er auch einen »fairen Marktpreis« pro Niere vor: ungefähr 40.000 Dollar, zu zahlen an den »Spender«.
Ähnliche Konzepte wie Friedman propagiert die Projektgruppe der Bad Neuenahrer Akademie. Konkrete Beträge nennen die Experten um den Konstanzer Ökonomen Friedrich Breyer nicht. Aufgabe der Politik sei es festzulegen, was deutsche Krankenkassen oder die Gemeinschaft der SteuerzahlerInnen für ein Körperstück aufbringen sollen, meint Breyer. Zwecks Orientierung weist er auf eine Musterkalkulation seiner Arbeitsgruppe hin, wonach eine Nierentransplantation plus Nachsorge letztlich billiger sei als eine lange Dialysebehandlung. Überlebe eine verpflanzte Niere zehn Jahre, würden die Kassen in diesem Zeitraum angeblich 250.000 Euro im Vergleich zur Dialyse gespart haben.
Staatlich organisierter Organkauf
MARTINA KELLER, Journalistin
Staatlich organisierter Organkauf
- Politikberater fordern: Transplantationsrecht ändern
aus: BIOSKOP Nr. 34, Juni 2006, Seite 3
Neue »Anreize zur Organspende« fordert eine Projektgruppe der Europäischen Akademie GmbH in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Ihr Memorandum »Organmangel – Ist der Tod auf der Warteliste unvermeidbar?« wurde Mitte Mai in Berlin präsentiert. Willkommen ist den Experten alles, was die Zahl verfügbarer Körperteile steigern könnte.
Die Studie, erstellt mit finanzieller Hilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, will Politiker bewegen, das Transplantationsgesetz zu ändern: So plädiert die Professorenrunde dafür, in Deutschland einzuführen, was in Österreich und Spanien praktiziert wird: die »Widerspruchslösung«. Das bedeutet: Jede/r gilt als potenzieller Organspender, so lange er/sie dem nicht ausdrücklich widersprochen hat. »Diese Festschreibung erscheint als Ausdruck der moralischen Pflicht zu helfen vertretbar«, meinen die Politikberater. Das Recht auf Selbstbestimmung sehen sie nicht gefährdet, da die Möglichkeit zum Widerspruch bestehe.
Dass vermutlich vor allem ärmere Menschen ihre Nieren oder Leberstücke verkaufen würden, scheint die Experten nicht zu stören.
Träger eines Spendeausweises sollen belohnt werden, indem sie im Bedarfsfall bevorzugt ein Körperteil erhalten – derzeit müssen Körperteile nach medizinischen, von der Bundesärztekammer festgelegten Kriterien vergeben werden.
Gleichzeitig soll ein staatlich regulierter Organhandel eingerichtet werden. Das öffentliche Gesundheitssystem fungiert nach diesem Modell als Monopolist, der Körperteile gesunder und »hirntoter« Spender zu festgesetzten Preisen ankaufen darf. Das Monopol schließe aus, dass Dritte mit Organen Gewinn machen, heißt es in der Studie. Dass vermutlich vor allem ärmere Menschen ihre Nieren oder Leberstücke verkaufen würden, scheint die Experten nicht zu stören.
Einschlägige Experten
Sieben Professoren und die Biologin Margret Engelhard von der Bad Neuenahrer Akademie bilden die Projektgruppe »Anreize zur Organspende«. Vorsitzender ist Friedrich Breyer. Der Konstanzer Ökonom sympathisiert ebenso wie der Duisburger Philosoph Hartmut Kliemt seit Jahren mit der Kommerzialisierung der Organspende. Soziologe Wolfgang van den Daele (Berlin) und Zivilrechtler Jochen Taupitz (Mannheim) sind auch im Nationalen Ethikrat dabei, der die Bundesregierung berät. Außerdem mischt Taupitz in einflussreichen Gremien der Bundesärztekammer mit, etwa im Vorstand der Zentralen Ethikkommission. Komplettiert wird die Projektgruppe durch die im Transplantationswesen engagierten Ärzte Gundolf Gubernatis (Wilhelmshaven) und Hans-Jürgen-Schlitt (Regensburg) sowie den Wiener Medizinjuristen Christian Kopetzki.
Wichtig findet die Projektgruppe die Ausweitung von Lebendorganspenden. Als erster Schritt solle die Überkreuztransplantation zwischen Paaren erlaubt werden. Wohin die Erweiterung des Spenderkreises führen dürfte, zeigt das Beispiel Schweiz. Dort ist mittlerweile auch die Lebendspende an Unbekannte erlaubt. Zwar schreibt der Schweizer Gesetzgeber vor, dass kein Geld für ein Organ bezahlt werden darf und die Entscheidung des Spenders freiwillig sein soll. Allerdings ist kaum auszuschließen, dass unter solchen Umständen Organhandel stattfindet.
Der DSO würde die Professorenrunde künftig gern Mitbewerber zur Seite stellen.
Nur drei der Vorschläge wären auch mit geltendem Recht vereinbar: Lebendspender sollen versicherungsrechtlich abgesichert und ein bundesweites Register mit den Willenserklärungen potentieller Organgeber eingerichtet werden. Zudem müssten sämtliche Kosten der Krankenhäuser bei Transplantationen gedeckt werden, fordern die Experten. Sie reagieren damit auf den Streit zwischen dem Verband Leitender Krankenhausärzte und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), der bundesweiten Koordinierungsstelle für Transplantationen. Die Klinikärzte kritisieren Kürzungen bei der Hirntod-Diagnostik und die von der DSO geänderten Verträge für Lungen- und Herzchirurgen. Der Streit eskalierte Anfang 2006 in München, als eine Patientin eine angeforderte Lunge nicht bekam, weil sich kein Entnahmeteam fand – aus finanziellen Gründen.
Der DSO würde die Professorenrunde künftig gern Mitbewerber zur Seite stellen: Deshalb müsse das gesetzlich festgeschriebene Monopol der DSO als Koordinierungsstelle aufgehoben werden. Konkurrierende Organisationen könnten regional oder bundesweit helfen, das Spenderpotential besser auszuschöpfen, meinen die Politikberater.
© Martina Keller, 2006
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