BioSkop-DOSSIER
DSO auf dem Prüfstand
Die Deutsche Stiftung Organsplantation (DSO) bot immer wieder Anlass für notwendige Recherchen und kritische Berichte von BioSkop. Nun bewegt sich endlich was: Das Geschäftsgebaren der DSO, die mit der Koordination der Organspenden hierzulande beauftragt ist, soll in den nächsten Wochen offiziell überprüft werden!
Masterplan der DSO?
KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP
Masterplan der DSO?
- Nach anhaltenden Vorwürfen gegen den Vorstand verspricht die Stiftung Organtransplantation, transparenter zu werden – die Öffentlichkeit merkt davon noch nichts
+++ EXKLUSIV-Bericht auf der BioSkop-Website, veröffentlicht am 26. April 2012
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) zeigt langsam Wirkung: In Folge der seit Monaten anhaltenden Vorwürfe gegen die Führungsspitze sah sich der Kaufmännische Vorstand, Thomas Beck, am 20. April 2012 veranlasst, seinen Rücktritt zu erklären. Nun kündigt der Stiftungsrat eine Art Flucht nach vorn an – das Zauberwort aus dem gängigen Wirtschaftssprech heißt: »Masterplan«.
Einen Tag vor der, laut DSO »einvernehmlichen«, Trennung auf »Wunsch von Herrn Dr. Beck« haben die beiden DSO-Stiftungsratschefs offenbar einige Zeit am Computer verbracht. Jedenfalls formulierten Prof. Wolf Otto Bechstein und sein Stellvertreter Klaus Wächter einen auf den 19. April 2012 datierten Brief an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) – »zu Ihrer Information und gefälligen Verwendung«, wie Bechstein der Ministerialdirektorin Karin Knufmann-Happe erläuterte. Beigefügt waren zehn »Eckpunkte eines Masterplans zur Weiterentwicklung der Deutschen Stiftung Organtransplantation«.
In Ihrem Papier kündigen Bechstein und Wächter diverse »Überprüfungen«, »Klärungen« sowie mehr Transparenz an. Überprüft werden sollen zum Beispiel die »Kompetenzkataloge des Vorstands«, dessen »Berichtspflicht gegenüber dem Stiftungsrat« und die Zusammensetzung des letzteren. Das alles klingt viel versprechend; was im einzelnen passieren soll, darüber darf mangels weiterer Erläuterungen indes spekuliert werden. Gewichtig erscheinen auch die Eckpunkte der beiden Stiftungsratschefs in Sachen Finanzen: Vorgesehen sei zum Beispiel eine »transparentere Darstellung der wirtschaftlichen Ergebnisse der DSO«.
Geldflüsse? Hier kann die gemeinnützige Organspende-Stiftung nur offenherziger werden.
Hier kann die gemäß Satzung gemeinnützige Stiftung tatsächlich nur offenherziger werden, denn bisher versteckt sie ihre Bilanzen einfach vor der allgemeinen Öffentlichkeit – weshalb man zum Beispiel nicht weiß, wie viele Millionen die mit der Koordination der Organspende beauftragte Stiftung eigentlich genau einnimmt, für welche Zwecke sie wie viele Euros ausgibt, was die Führungskräfte der offensiv auf Altruismus setzenden DSO im Jahr für welche Leistungen kassieren oder wie viele Millionen etwa die 2007 von der DSO erworbene Immobilie am edlen Deutschherrnufer in Frankfurt am Main gekostet hat.
Interessant und relevant ist sicher auch, welche Beträge für Lobbyismus und Werbung pro Organspende auf welcher Rechtsgrundlage ausgegeben werden. Und natürlich sollte die Öffentlichkeit erfahren, was die vom DSO-Stiftungsrat beauftragte »forensische Sonderuntersuchung« seitens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO gekostet hat, die ja wohl dazu dienen sollte, den Geldgeber DSO zu entlasten und endlich für Ruhe zu sorgen – was “im Ergebnis aber nicht wirklich gelungen”:“taz”:http://taz.de/Organspende-Stiftungsvorstand-tritt-zurueck/!91967/ ist, wie der Fall des Dr. Beck erahnen lässt.
»Überpüfung der Querfinanzierung der Treuhandstiftung ‚Fürs Leben‘«
Gewisses Unbehagen spricht aus Eckpunkt Nr. 9 des Masterplans, jedenfalls stellen Bechstein und Wächter gegenüber dem Ministerium damit in Aussicht: »Überpüfung der Querfinanzierung der Treuhandstiftung ‚Fürs Leben‘ und kostenrechnerische Trennung zwischen DSO und Stiftung ‚Fürs Leben‘. Insbesondere bei dieser Gemengelage sollte die DSO akribisch für Durchblick sorgen: Die (angeblichen oder tatsächlichen) DSO-Mitarbeiter, die im Oktober 2011 schwere Vorwürfe zum Wirken des DSO-Vorstands formuliert und diese per E-Mail an PolitikerInnen versandt hatten, behaupteten in ihrem anonymen Schreiben sogar, dass die oben genannte Querfinanzierung schlicht »illegal« sei.
Es liegt nun an DSO und Politik, ihre ramponierte Glaubwürdigkeit zügig aufzupolieren.
Geht es nach den Plänen maßgebender PolitstrategInnen aus Union und SPD in Berlin, soll die Reform des Transplantationsgesetzes plus Einführung der umstrittenen »Entscheidungslösung« bereits Ende Mai im Bundestag in zweiter und dritter Lesung durchgesetzt werden. Bislang galt die DSO als eine der tragenden Säulen des deutschen Transplantationssystems; wegen berechtigter Kritik, anhaltender Intransparenz und hartnäckigen Nachfragern ist sie nun wohl ein wenig ins Wanken geraten. Schon angesichts dieser fragilen Lage sollte sich für ParlamentarierInnen, die wirklich ihre Arbeit verantwortlich machen wollen, geschäftige Hetze kategorisch verbieten.
Es liegt nun an DSO und Politik, ihre ramponierte Glaubwürdigkeit zügig aufzupolieren: Sie sollte ihren Masterplan allgemein bekannt machen, konkretisieren und auch umgehend umsetzen. Außerdem sollte die DSO einen ersten Schritt zur Transparenz wagen und endlich das von ihr beauftragte, spätestens am 1. März abgeschlossene Gutachten der Wirtschaftsprüfer vollständig auf ihrer Website veröffentlichen. Dort steht dazu bisher praktisch nichts; die interessierte Öffentlichkeit erfährt gegenwärtig nur das, was ein paar RechercheurInnen, darunter seit vielen Jahren auch BioSkop, Stück für Stück ermitteln und aufbereiten konnten.
Verbote muten komisch an; den Ruf von DSO und Stiftungsrat wird die Geheimniskrämerei wahrscheinlich nicht verbessern.
Der gesamte Bericht der Sonderuntersuchung – inklusive aller 76 Anlagen mit sicherlich einigen aussagekräftigen Dokumenten – liegt seit Ende April im Sekretariat des Gesundheitsausschusses in Berlin aus. Doch die DSO behandelt dieses Gutachten weiterhin wie eine vertrauliche Verschlusssache: Sie will nur ausgewählten PolitikerInnen eine »persönliche Einsichtnahme« gewähren. Wer dazu bereit ist, muss Zeit und ein sehr gutes Gedächtnis haben: Kopien von Gutachten und Anlagen sollen die VolksvertreterInnen nämlich auf gar keinen Fall anfertigen dürfen.
Solche Verbote muten komisch an; den Ruf von DSO und Stiftungsrat wird die Geheimniskrämerei wahrscheinlich nicht verbessern. Demokratisch legitimierte PolitikerInnen können sich derartige Einschränkungen ihrer parlamentarischen Arbeit eigentlich nicht gefallen lassen; sie sollten darauf bestehen, die gesamte Untersuchung kopieren und in aller Ruhe durchlesen und diskutieren zu dürfen.
Wie kontrollieren eigentlich die Krankenkassen?
Allerdings kann das Studium des Gutachtens nur ein Mosaikstein und ein Anfang sein. Es ist an der Zeit, dass Parlament und Regierung, aber auch die (aus Mitgliederbeiträgen) Geld gebenden Krankenkassen in den nächsten Monaten grundsätzlich und gewissenhaft überprüfen, ob und unter welchen Bedingungen die DSO überhaupt geeignet ist, weiterhin die Organspende in Deutschland zu koordinieren. Das deutsche Transplantationssystem hat reichlich strukturelle Probleme, eklatant sind vor allem Intransparenz und Kontrolldefizite.
© Klaus-Peter Görlitzer, 2012
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