»Leben schenken«
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Nachdenken über Organspende
Transplantationsmedizin und ihre Akteure sind umstrittener denn je. Um aufzuklären und Diskussionen anzuregen, haben BioSkop, Hospizvereinigung OMEGA und Arbeitskreis Frauengesundheit gemeinsam ein neues Faltblatt erstellt.
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PETRA ROGGE, freie Autorin
»Leben schenken«, »selbst entscheiden«
- »Organspende«-PR im Internet
aus: BIOSKOP Nr. 35, September 2006, Seite 12
Werbung ist auch im Internet ein geschäftiges Hin-und-Her mit dem Ziel, andere für eigene Zwecke zu gewinnen. Die Lobby pro »Organspende« müht sich nach Kräften im virtuellen Raum.
Wer beim Thema »Organspende« unschlüssig ist, zieht häufig das Internet zu Rate. Allerdings ergibt eine Suchmaschinenanfrage über den Begriff »Organspende« nicht etwa Informationsvielfalt, sondern appellative Einfalt. Schon die bestplatzierten Ergebnisseiten machen schnell klar, dass »Organspende – eine Entscheidung aus innerer Überzeugung« – ein »Ja zur Hilfe für schwer Kranke« bedeute. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, ist nur einer der vielen Ermahner, die für zweierlei werben: dafür, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wird – dokumentiert im Spenderausweis – und dass diese zugunsten einer Explantation nach dem »Hirntod« ausfallen sollte.
»Organspende« ist eine »Entscheidung für das Leben« behauptet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) – und vergisst in ihrer medialen Aufbereitung transplantierter Fälle zu erwähnen, dass Organspende keineswegs selbstverständlich Leben für den Empfänger bedeutet. Dessen ungeachtet erwartet sie von den Angehörigen eines potentiellen »Spenders« eine »tragfähige Entscheidung« in ihrem Sinne. Und da auch die DSO weiß, dass der Tod niemandem ein Leichtes ist, bietet sie dem intensivmedizinischen Personal European Donor Hospital Education Programme (EDHEP) an. Solche Schulungen sollen den »Umgang mit Angehörigen von Verstorbenen« optimieren.
Alle Kampagnen-Seiten operieren mit einprägsamen Slogans.
»Klarheit schaffen« wollen auch die selbst ernannten »Ansprechpartner für Gesundheit im Internet« von optiPAGE. Deshalb verlinken sie das Stichwort »Organspende« nur mit befürwortenden »Antworten«, anklicken können SurferInnen zum Beispiel: DSO, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), den Freiburger Theologen Eberhard Schockenhoff und Vereine wie Sportler für Organspende (VSO). Der VSO setzt auf die Popularität der Sportprominenz. Für sie ist die Spende »ein selbstverständliches Gebot der Kameradschaft, eine Idee der Humanität und Solidarität«, weshalb ihnen auch der Link zur „Kinderhilfe Organtransplantation (KiO)« am Herzen liegt. Den hat auch die BZgA eingebaut – und einen »Wissensquiz« dazu, denn: »Wer Bescheid weiß, hat eine gute Basis für eine Entscheidung.«
Alle genannten Kampagnen-Seiten operieren mit einprägsamen Slogans. Solche, in denen der eigene Tod für das Leben eines anderen derart stark gemacht wird, dass sowohl die Aussage selber unhinterfragt bleiben kann wie der Entscheidungsaufruf sich zwanglos hieran anknüpfen lässt. Fehlende Entscheidungskriterien werden wettgemacht durch eindrucksvolle Fenstertitel, also jene Zeilen einer Internetseite, die beiläufig die Aufmerksamkeit des surfenden Publikums zu binden vermag. Wer hier ein Lesezeichen setzt, kann weder die Webseite noch die Kampagnen-Botschaft aus den Augen verlieren, da der Fenstertitel automatisch zum Namensgeber wird: »BZgA – Organspende schenkt Leben – Ich entscheide selbst« – taucht als Spruch auf der Favoritenliste im Browser auf.
Die Informationen auf den Web-Seiten deutscher Transplantationslobbyisten sind suggestiv und lückenhaft.
Andere Informationanbieter gehen ebenso vor. Ganze Slogans werden so in den Lesezeichen fixiert: »Von Mensch zu Mensch – Hoffnung durch Organspende« meldet die DSO, die VSO »Leben retten und Mut machen«, denn »Organspende ist Nächstenliebe«. Das wissen nicht nur die Kirchen zu predigen, sondern auch Schulen und Vertreter der Ärztekammern. Der Chor manipulativer Strategen in Sachen »Organspende« hält deshalb auf seinen Internetseiten jenes Dokument bereit, das im Todesfalle Zeugnis ablegen soll für die Entscheidung zur Nächstenliebe: Auf die innere Überzeugung kann nun das einfache Herunterladen des Spendeausweises folgen, in türkischer und deutscher Sprache samt neunsprachigem Beiblatt.
Kurzfazit: Über die einfache Suche und ohne eingebrachtes Mehrwissen, habe ich im Internet unter 100 nachgegangenen Suchergebnissen lediglich 4 Ergebnisse gefunden, die nicht aus den Reihen appellierender Organspende-Befürworter kommen. Die Suche auf Schweizer Internetseiten ergibt ein völlig anderes Bild: Hier stehen anstelle von Slogans und Appellen vor allem Ergebnisse, die den Umgang mit der Trauer von Angehörigen potentieller »SpenderInnen« thematisieren. Auf deutschen Internetseiten wird zwar »gutes Basiswissen« eingefordert, doch Kenntnisse über die zur Transplantation her- bzw. zugerichteten »Hirntoten« werden ebenso wenig mitgeliefert, wie das Wissen von möglichen Risiken und Misserfolgen der Transplantation.
© Petra Rogge, 2006
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