»Ich schenke dir meine Niere« - BILD war dabei
UTE BERTRAND, Journalistin und BioSkoplerin
»Ich schenke dir meine Niere« – BILD war dabei
- Boulevardjournalismus im Interesse der Transplantationslobby
aus: BIOSKOP Nr. 26, Juni 2004, Seite 6
Journalistische Beiträge, die offensichtlich zur Hergabe von Körperteilen motivieren sollen, erscheinen beinahe täglich in den Medien. Auch die auflagenstärkste Zeitung im Lande mischt dabei mit.
Am 16. April präsentierte BILD »die erschütterndste Ehe-Geschichte Deutschlands«: In Wort und Bild wurde ein Paar aus der Kleinstadt Büren (Ostwestfalen) zur öffentlichen Sache gemacht. Die Frau sei »todkrank« und brauche zum Überleben eine Nieren-Spende. Sie sagte, laut BILD: »Ich flehe meinen Mann an, mir diesen Dienst zu erweisen.« Der so vor einem Millionenpublikum Angesprochene wurde auf einem Foto gezeigt, darunter textete BILD: »Ehemann Heiko (32) steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens – und versteckt sich hinter Ausflüchten.«
In einem weiteren, kurzen Infotext erläutert ein Dr. C. Fischer die Funktion der »Niere – die Kläranlage des Körpers«. Fischer, bei BILD als Redakteur angestellt, resümiert: »Fällt eine Niere aus (oder wird sie entnommen), kann das verbliebene gesunde Organ alle Aufgaben übernehmen.«
Öffentlich und vor einem Millionenpublikum einen Menschen aufzufordern, ein Körperteil abzugeben, widerspricht der vom Transplantationsgesetz verlangten Freiwilligkeit von »Lebendorganspenden«.
Die Fortsetzung der Geschichte folgte am nächsten Tag. Unter der Überschrift: »Du sollst leben, mein Engel! Ich schenke dir meine Niere« meldete BILD am 17. April: »Der Ehemann, der seiner todkranken Frau nicht helfen wollte, bereut zutiefst und stellt sich jetzt doch als Organspender zur Verfügung.« Vielleicht schon in fünf Wochen könne operiert werden.
Öffentlich und vor einem Millionenpublikum einen Menschen aufzufordern, ein Körperteil abzugeben, widerspricht der vom Transplantationsgesetz verlangten Freiwilligkeit von »Lebendorganspenden«. Solch ein Vorgehen darf Kommissionen und Chirurgen, aber auch Ärztekammern und PolitikerInnen, nicht egal sein. Dennoch haben alle bisher geschwiegen zu dem Fall, den BILD als authentisch, machbar und Rechtens vorgeführt hat.
Bevor die via BILD verlangte Niere tatsächlich die Körper wechseln darf, müsste zuvor eine Lebendspendekommission prüfen, ob die Entnahme freiwillig und ohne Entgelt erfolgt. Das Vorgehen von BILD ist mehr als eine Story über persönliche Schicksale: Dies ist ein politischer Präzedenzfall, mit dem offensichtlich ausprobiert wird, wie belastbar die gesetzlichen Vorgaben sind.
Aufschlussreich wäre auch, wer BILD überhaupt veranlasst hat zu berichten: War es die betroffene Patientin? Oder kam der fragwürdige Tipp womöglich von einem Transplanteur?
Vor diesem Hintergrund hat BioSkop die NRW-Kommission und ihren Vorsitzenden Jörg Belker schriftlich gebeten, die Öffentlichkeit unaufgefordert zu informieren, sollte sie diesen grundsätzlichen Fall tatsächlich begutachten müssen. Aufschlussreich wäre auch, wer BILD überhaupt veranlasst hat zu berichten: War es die betroffene Patientin? Oder kam der fragwürdige Tipp womöglich von einem Transplanteur? Antworten hat BioSkop bisher nicht erhalten.
Klar ist: Die _BILD_-Berichte platzen – ob zufällig oder nicht – in eine Phase, in der Transplanteure und Bundesärztekammer sich bemühen, Druck auf den Gesetzgeber auszuüben – mit der Forderung, »Lebendspenden« juristisch zu erleichtern und auszuweiten _(Siehe BIOSKOP Nr. 25.
© Ute Bertrand, 2004
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