Ultraschall in der Schwangerschaft
ANNEGRET BRAUN, Leiterin der PUA-Beratungsstelle zu vorgeburtlichen Untersuchungen beim Diakonischen Werk Württemberg
Fragwürdige Informationen
- Ultraschall in der Schwangerschaft
aus: BIOSKOP Nr. 28, Dezember 2004, Seite 6
»Informationen zur Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft« – unter dieser Überschrift bietet die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) FrauenärztInnen ein Merkblatt an, das sie werdenden Müttern zwecks Aufklärung über »die Möglichkeiten und Grenzen der Ultraschalldiagnostik« aushändigen sollen. Der Titel führt allerdings in die Irre: Sinn, Konsequenzen und mögliche Auswirkungen der Untersuchungen werden im Informationspapier allenfalls unzureichend erklärt.
Während der Schwangerschaft haben Frauen und ihre Lebenspartner viele Fragen an Hebammen und MedizinerInnen. Das gilt auch für das Thema Ultraschall: Welche Untersuchungen gibt es eigentlich, welche davon sind wirklich notwendig? Welcher Zeitpunkt ist anzuraten? Welchen Zweck verfolgen die Untersuchungen, und welche Konsequenzen können Frauen und ÄrztInnen zu welchem Zeitpunkt ziehen?
Detaillierte und verständliche Antworten auf solche Fragen muss man von einem Aufklärungspapier einer medizinischen Fachgesellschaft erwarten dürfen. Doch das DGGG-Merkblatt ist kein Beitrag zur seriösen Aufklärung. So behauptet das Papier fälschlicherweise, dass mittels Ultraschalluntersuchung der Ausschluss von Chromosomenanomalien grundsätzlich möglich sei. Auf diese Weise wird Ultraschall praktisch als nicht-invasive »Alternative« zur Fruchtwasseruntersuchung dargestellt und somit indirekt beworben. Das dürfte auch viele Frauen ansprechen, die vorgeburtliche Diagnostik eigentlich ablehnen, weil sie das Eingriffsrisiko von Methoden wie der Fruchtwasseruntersuchung zu Recht fürchten.
Je feiner und differenzierter die Diagnosemöglichkeiten werden, desto größer sind auch die Möglichkeiten dezenter Abweichungen von der »Norm«.
Das Papier der DGGG verschweigt auch, dass die Beruhigung, die sich viele Frauen vom Ergebnis einer Ultraschalluntersuchung erhoffen, in der Praxis häufig gerade nicht eintritt; oft ist es erst der Einsatz dieser Diagnosetechnik, der Verunsicherung überhaupt auslöst. Schon geringe Auffälligkeiten (z.B. bei so genannten »Softmarkern«) können nämlich verwirrend wirken. Welchen Stellenwert solche, zu diesem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft gar nicht eindeutig zu beurteilende, Beobachtungen beim werdenden Kind haben können, erläutert das Papier nicht.
Tatsache ist aber: Je feiner und differenzierter die Diagnosemöglichkeiten werden, desto größer sind auch die Möglichkeiten dezenter Abweichungen von der »Norm«. Dass eine Ultraschallaufnahme eine ganze Untersuchungskette auslösen kann, steht ebenfalls nicht im Aufklärungspapier. Dabei raten FrauenärztInnen nach einem so genannten Feinultraschall, bei dem Auffälligkeiten diagnostiziert wurden, die sie anhand des Bildes aber nicht sicher beurteilen können, in der Regel zu einer eindeutigen »Abklärung« – und zwar mittels Fruchtwasseruntersuchung oder Nabelschnurpunktion. Dann können auch Frauen unter Druck geraten, die eine Fruchtwasseruntersuchung eigentlich grundsätzlich ablehnen.
Den nötigen Respekt vor den Wünschen werdender Eltern und deren Recht auf Aufklärung lässt dieses Papier vermissen.
Fazit: Anstatt wirklich umfassend über Vor- und Nachteile von Ultraschalluntersuchungen aufzuklären, hat die DGGG ein Informationspapier vorgelegt, das ihren haftungsrechtlichen Absicherungsbedürfnissen Genüge tun mag. Den nötigen Respekt vor den Wünschen werdender Mütter/Eltern und deren Recht auf Information und Aufklärung lässt dieses Papier jedoch gänzlich vermissen.
Ende November hat die beim Diakonischen Werk Württemberg angesiedelte PUA-Beratungsstelle zur vorgeburtlichem Diagnostik diverse Fachleute auf das DGGG-Merkblatt aufmerksam gemacht. In einem Brief, gerichtet an Bundestagsabgeordnete, Medizinethik-Enquete, PatientInnen-Beauftragte der Bundesregierung, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Verbraucherzentrale sowie Verbände von Hebammen und GynäkologInnen bittet die PUA, »Schritte gegen solche Art von Information einzuleiten bzw. zu unternehmen«. (Re-)Aktionen standen bis Dezember noch aus.
© Annegret Braun, 2004
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