Der Weg zum »Medienstar«…
… ist trotz aller PR-Unterstützung für fast alle ForscherInnen zu weit. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine empirische Studie von Bielefelder SoziologInnen, welche die Wissenschafts-Berichterstattung führender deutscher Printmedien untersucht haben.
Zwar orientieren sich Medien an Persönlichkeiten und lassen diese gern als Fachexperte oder Kommentator zu Wort kommen. Aber der Großteil der zitierten, interviewten oder rezensierten WissenschaftlerInnen sei im dreimonatigen Untersuchungszeitraum von April bis Juli 1996 nur einmal erwähnt worden, resümiert der Soziologie Peter Weingart die Ergebnisse. Wer zum Star aufsteigen wolle, müsse »Gegenstand einer umfassenderen Debatte« sein.
Geschafft hatte dies seinerzeit der US-Politologe und Historiker Daniel Goldhagen, nachdem die Wochenzeitung Die Zeit im April 1996 eine Debatte über sein Buch Hitlers willige Vollstrecker ausgelöst hatte. Der bis dato unbekannte Goldhagen avancierte zum »Medienstar« – obwohl sein Buch in Fachkreisen höchst umstritten war. Die Goldhagen-Debatte zeige also auch, dass ExpertInnen, die von Redaktionen aufgebaut und hofiert werden, nicht unbedingt wissenschaftlich anerkannt sein müssen.
Den Durchblick behalten
UTE BERTRAND, Journalistin und BioSkoplerin
Durchblick behalten
- Über die Beziehungen von Wissenschaft und Medien
aus: BIOSKOP Nr. 31, September 2005, Seiten 8-9
Zunehmend mühen sich Universitäten und ForschungslobbyistInnen, Presse, Funk und Fernsehen für ihre Interessen einzuspannen. Außerdem ist offensichtlich, dass viele WissenschaftlerInnen sich an Bedürfnisse von JournalistInnen anpassen.
Zum Einmaleins von Werbefachleuten gehört der Slogan »Gutes tun – und darüber reden«. Dies, findet Ludwig Kürten, müsse auch »die Devise der Fachwissenschaften« sein. Kürten, früher Wissenschaftsredakteur der Tageszeitung Die Welt, leitet heute in Bonn eine »Agentur für Wissenschafts-Kommunikation«. Sie will der scientific community mit allerlei Leistungen dienen – von Pressemitteilungen über multimediale Publikationen bis zum »Medientraining«, das Kürten im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) entwickelt hat.
PR-Leute sind gefragt bei Lobbyverbänden und Universitäten. Deren Öffentlichkeitsarbeit wurde seit Mitte der 1990-er Jahre erheblich ausgeweitet und professionalisiert; zudem haben neue Techniken wie E-Mail und Internet die öffentliche Präsenz einfacher gemacht. Antrieb solcher Bemühungen ist vor allem der verschärfte Verteilungskampf um Steuergelder und Drittmittel für Personal und Arbeitsmaterialien.
- »Public-Relations-Abteilungen industriellen Zuschnitts«
Wissenschaft sei eine »soziale Institution«, und als solche benötige sie nicht nur Ressourcen, sondern auch »Legitimation«, befindet der Bielefelder Soziologe Peter Weingart. Daher versuchten ForscherInnen zunehmend, JournalistInnen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, hat der Professor festgestellt, der seit Jahren zum Verhältnis von Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit forscht. Universitäre Pressestellen seien inzwischen zu »Public-Relations-Abteilungen industriellen Zuschnitts« geworden, deren Techniken und Glanzfolienprospekte jenen von Firmen ähnelten.
Eine typische Methode, um Aufmerksamkeit von JournalistInnen auf sich zu ziehen, sei zum Beispiel die »Vor-veröffentlichung«. Um sich einen Zeitvorteil gegenüber der Publikation in wissenschaftlichen Zeitschriften zu verschaffen, würden der Publikumspresse schon vorher Ergebnisse zugespielt. Komme es zur Berichterstattung, sei öffentliches Aufsehen sicher, und mitunter könne dies sogar Druck auf konkurrierende ForscherInnen ausüben. Anreize, bestimmte Projekte und deren ProtagonistInnen zu thematisieren, können auch Hintergrundgespräche und Preise für Berichte zu erwünschten Themen bieten.
- Popularisierungen und Preise
Fachleute sind darauf angewiesen, dass ihr Tun verstanden wird – von JournalistInnen genauso wie von Publikum und PolitikerInnen, die Forschungsgelder verteilen. Das weiß auch die DFG. Jedes Jahr verleiht sie einen »Communicator-Preis« für WissenschaftlerInnen, die ihre Ergebnisse»in hervorragender Weise« öffentlich vermittelt hätten. Beliebt sind der Einsatz von Multimedia und eine möglichst populäre, bildhafte Rhetorik. Metaphern aus der Alltagssprache »können zum Vehikel einer enormen Breitenwirkung der damit in der Wissenschaft belegten Konzepte und Theorien führen«, erläutert Weingart. Wie das praktisch aussehen kann und welche Rolle gerade renommierte Medien dabei spielen, haben Baseler Wissenschaftsforscherinnen am Beispiel der Stammzellforschung aufgezeigt.
Trotz aller Bemühungen von Pressestellen und Agenturen hält Weingart die Effekte von »Werbung für Wissenschaft und Technik unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanzbeschaffung« für eher begrenzt. Denn er traut LeserInnen und ZuhörerInnen einiges zu: »Höhere Bildung und bessere Informationen«, schreibt Weingart in seinem Buch Die Stunde der Wahrheit?, »führen eben nicht automatisch zu größerer Zustimmung, sondern stärken die Kritikfähigkeit und die Bereitschaft, diese zu artikulieren.«
- Ganz schön anstrengend
Diesem Ideal gerecht zu werden und den Durchblick zu behalten, ist für die BürgerInnen allerdings ganz schön anstrengend in einer Flut von Berichten und Sendungen, in der sich seriös recherchierte Informationen und lancierte Wissenschafts-PR unaufhörlich mischen.
© Ute Bertrand, 2005
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Autorin