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»Vertrauen schaffen – Misstrauen bekämpfen«

steht über einer Pressemitteilung, verbreitet am 27. November 2013 vom Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA). »Mit der Verabschiedung des Transparenzkodex«, so kommuniziert es FSA-Geschäftsführer Holger Diener, »bekennen sich die Unternehmen erneut zu einer transparenten und ethisch einwandfreien Zusammenarbeit mit Ärzten und anderen Partnern im Gesundheitswesen.«

»…nicht erst auf eine gesetzliche Vorgabe warten.«

Was die Firmen, die mehr als 70 Prozent des deutschen Pharma-Markts repräsentieren, angetrieben hat, erklärt Diener auch: »Die Mitgliedsunternehmen des FSA haben sich dazu entschlossen, den Schritt zu mehr Transparenz schon heute einzuschlagen und nicht erst auf eine gesetzliche Vorgabe zu warten. Hierdurch soll das Vertrauen der allgemeinen Öffentlichkeit in die Notwendigkeit der Zusammenarbeit weiter gestärkt und Misstrauen begegnet werden.«




KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Transparenz und Taktik

  • Pharmafirmen wollen Geldflüsse an Ärzte offen legen

aus: BIOSKOP Nr. 64, Dezember 2013, Seite 3

Die führenden Arzneimittelhersteller kündigen an, freiwillig für mehr Transparenz bei Geldzahlungen an Heilberufler zu sorgen. Kritiker halten den Vorstoß für einen taktischen Schachzug, um gesetzliche Regelungen abzuwehren. Tatsache ist: Die verheißene Offenheit soll Grenzen haben – und vom Goodwill der Geldnehmer abhängen.

Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA), getragen von den großen Pharmafirmen, gibt eher selten Pressemitteilungen heraus. Die FSA-Erklärung vom 27. November 2013 aber ließ Fachkreise bundesweit aufhorchen, insbesondere niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Kliniken und Forschungseinrichtungen. Denn ab 2016 wollen die FSA-Firmen auf ihren Internetseiten auflisten, mit welchen Fachleuten und Einrichtungen sie kooperieren und wie viel Geld sie ihnen wofür und warum bezahlt haben. Im selbst entworfenen »Transparenzkodex« verpflichten sich die Unternehmen laut FSA-Geschäftsführer Holger Diener, einmal im Jahr öffentlich anzugeben: Beratungshonorare, Zahlungen für Vorträge, Sponsorgelder, Geld- und Sachspenden, Übernahme von Tagungs-, Reise- und Übernachtungskosten im Rahmen von Fortbildungen, die Pharmafirmen anbieten.

»Den Text des Kodex können wir aus kartellrechtlichen Gründen erst nach der Genehmigung durch das Bundeskartellamt zur Verfügung stellen«, heißt es auf der Internetseite www.pharma-transparenz.de, die der FSA eingerichtet hat, um Ärzte und andere Heilberufler auf die neue Offenheit einzustimmen; die Genehmigung erwarte man im ersten Quartal 2014.

»Transparenz kann nur funktionieren, wenn alle Partner einverstanden sind.«

BIOSKOP konnte sich den geplanten Kodex schon mal anschauen, da der FSA uns den Entwurf auf Anfrage freundlicherweise geschickt hat. Blickt man genauer hin, sieht man, wo die Transparenz enden soll. Grundsätzlich ist zwar vorgesehen, dass Geldempfänger auf den Webseiten der Pharmafirmen mit Namen und Adressen genannt werden sollen. Für den geldfluss-intensiven Bereich der Forschung und Entwicklung soll es aber eine Ausnahme geben: Hier erfolgt die Veröffentlichung nur »zusammengefasst (aggregiert) und ohne namentliche Nennung der individuellen Empfänger«. Einbezogen sind nicht nur klinische Arzneimittelstudien, sondern auch so genannte »Anwendungsbeobachtungen« (AWB) bereits zugelassener Medikamente, die niedergelassene ÄrztInnen gegen Industrieentgelt leisten. Kritiker wie die Antikorruptionsorganisation Transparency International geißeln AWB seit Jahren als »Scheinstudien, die nur Marketingzwecken dienen«; tatsächlich gehe es darum, Präparate mit Hilfe von Medizinern am Markt zu platzieren.

Inkonsequenz dürfte Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die Kodex-Papiere sowieso für ein Muster mit wenig Wert halten.

Die eigentlich ja angestrebte Nennung von Personen steht gemäß Kodex unter einem prinzipiellen Vorbehalt: Betroffene Ärzte und andere Heilberufler müssen der Veröffentlichung ausdrücklich zugestimmt haben. Dies sei datenschutzrechtlich geboten, erläutert der FSA, man hoffe aber, dass viele Geldempfänger mitziehen: »Transparenz kann nur funktionieren, wenn alle Partner einverstanden sind.«

Eine Selbstverpflichtung, die Zahlungen davon abhängig macht, dass die Empfänger auch einer Veröffentlichung zustimmen, wäre selbstverständlich denkbar – sie steht aber nicht im Industriekodex. Solche Inkonsequenz dürfte Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die Kodex-Papiere sowieso für ein Muster mit wenig Wert halten. »Freiwillige Selbstkontrollen sind dazu gemacht, dass sie Gesetzen zuvorkommen und diese dadurch – allerdings nur scheinbar – überflüssig machen«, kommentiert die Initiative Mezis von Ärzten, die erklärtermaßen Wert auf Unbestechlichkeit legen.

Rückenwind für die Parlamentarier müsste nun auch von Repräsentanten der Ärzteschaft kommen.

Ob die Skeptiker Recht behalten werden oder nicht, müsste sich in der neuen Legislaturperiode zeigen. Unionsparteien und SPD haben jedenfalls in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt: »Wir werden einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch schaffen.« Details werden zurzeit noch nicht verraten.

Orientierung könnten Vorschläge bieten, die bereits vor einigen Monaten im Bundestag diskutiert, aber nicht ernsthaft aufgegriffen wurden. Eine Initiative der Grünen sah zum Beispiel vor, im Gesundheitswesen sämtliche Geldgeber- und -nehmer gesetzlich zu verpflichten, Zahlungen und Zuwendungen aller Art zu veröffentlichen – Verstöße gegen die Offenlegungspflicht müssten mit wirksamen Sanktionen quittiert werden.

Rückenwind für die Parlamentarier müsste nun auch von Repräsentanten der Ärzteschaft kommen. Die Bundesärztekammer hat im Sommer 2013 immerhin ein »Positionspapier zur Bundestagswahl« vorgelegt, das auch »rechtliche Vorgaben« zur Offenlegung aller Zuwendungen fordert, »um einen wachsenden Einfluss der pharmazeutischen und Geräteindustrie auf die Medizin zu verhindern«.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2013
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