Genau nachfragen
Eine Auswahl von Fragen, die Eltern an ÄrztInnen und Labore stellen können, nachdem diese eine Blutprobe ihres Babys im Rahmen des Neugeborenen-Screenings erhalten haben.
- Auf welche Krankheiten und Anlagen wurde die Blutprobe meines Kindes analysiert?
- Wie sehen die Befunde im einzelnen aus?
- Wo und wie lange werden Daten, Befunde und Blutprobe meines Kindes zu welchen Zwecken gespeichert? Wer kann darauf zugreifen?
- Wurde die gesamte Blutprobe analysiert? Oder ist ein Blutrest im Krankenhaus/Labor verblieben?
- Wo und wozu wird der Proberest aufbewahrt? Wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage?
- Wurden oder werden Blutprobe, Probereste und/oder persönliche Daten meines Kindes für Forschungsprojekte genutzt?
- Falls geforscht wird oder bereits Proben an Dritte weitergegeben wurden: Für welche Studien? Wer sind die beteiligten Wissenschaftler und Firmen? Zu welchen Zwecken und finanziellen Konditionen dürfen sie Proben und Daten nutzen?
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BLUT UND GEWEBE
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Informierte Screening-Ärzte?
KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP
Informierte Screening-Ärzte?
- Genetische Proben von Neugeborenen sind »unverzüglich zu vernichten«, sobald sie nicht mehr benötigt werden
aus: BIOSKOP Nr. 53, März 2011, Seiten 14+15
Das Gendiagnostikgesetz (GenDG) ist seit Februar 2010 in Kraft. § 13 verlangt, dass genetische Proben »unverzüglich zu vernichten« sind, sobald sie nicht mehr für diejenigen Zwecke benötigt werden, für die sie veranlasst wurden. Das gilt auch für Blutproben, die beim Neugeborenenscreening auf angeborene Stoffwechselkrankheiten mit Einwilligung der Eltern entnommen und analysiert werden. Doch nicht allen ÄrztInnen scheint die Rechtslage bewusst zu sein. Ein aktueller Fall aus Hamburg.
Die erste Antwort aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sah auf den ersten Blick beruhigend aus: Auf Nachfrage eines besorgten Elternpaars teilte der Leiter des Neugeborenen-Screeninglabors schriftlich mit, die Untersuchung der Blutprobe ihres Sohnes auf 14 Krankheiten sei »unauffällig« verlaufen. Nach Abschluss aller Untersuchungsschritte seien die getrocknete Blutprobe und die Daten pseudonymisiert worden und würden so gesichert im UKE aufbewahrt. Dies geschehe »in vollem Einvernehmen« mit den gesetzlichen Bestimmungen.
»Auf welcher Rechtsgrundlage bewahrt das UKE die Trockenblutproben auf?«
Die Eltern empfanden diese Mitteilung eher als Provokation. Schließlich war die Geburt ihres Sohnes bereits zweieinhalb Monate her. So hatten sie eigentlich erwartet, dass besagte Blutprobe – gemäß geltender Rechtslage – längst vernichtet worden sei. Im Hintergrund ihrer Fragen stand die Sorge, dass die Blutprobe später womöglich für andere Zwecke weiterverwendet werden könnte. Alarmiert hatten sie Veröffentlichungen von BioSkop und ein Bericht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. Der hatte schon vor Jahren festgestellt, dass Krankenhausträger zunehmend bemüht seien, ihre Gewebe-, Blut- und Datensammlungen interessierten Forschern und Arzneimttelherstellern zur entgeltlichen Nutzung anzubieten; auch Blutproben des Neugeborenen-Screenings könnten so »als mögliche Ressource für die Genforschung dienen«.
Also schrieben die Eltern erneut ans Uni-Labor, unter anderem wollten sie erfahren: »Auf welcher Rechtsgrundlage bewahrt das UKE die Trockenblutproben auf?« Der zweite Brief des Screening-Chefs fiel, wie er selbst bemerkte, »aus Zeitgründen leider nur kurz« aus, auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens ging er nicht ein.
Es folgte ein dritter Brief der Eltern, in dem sie unter anderem beklagen, dass der Professor die Vernichtung der Restblutproben ihres Sohnes weiterhin nicht bestätigt und bisher auch nicht erklärt habe, zu welchen Zwecken er sie denn weiter lagere. Diese Anfrage blieb wochenlang unbeantwortet. So sahen die Eltern keine andere Möglichkeit mehr, als ziemlich formal aufzutreten: Anfang Januar, acht Monate nach Geburt ihres Sohnes, forderten sie den Leiter des Screeninglabors auf, die Trockenblutprobe binnen 14 Tagen herauszugeben.
Das wirkte. Eine Woche später lag ein neuerliches Schreiben des Professors im Briefkasten der Eltern – und dazu auch die mit der Trockenblutkarte des Kindes. Der Absender zeigte sich aber noch immer nicht einsichtig und nahm für sich in Anspruch, auf der Grundlage geltender Vorschriften zu handeln..
Die Vernichtung der Probe sei in diesem Fall »bedauerlicherweise nicht rechtzeitig geschehen«.
Nicht nur diese Rechtsauskunft kam den Eltern inzwischen komisch vor. Auch wunderten sie sich darüber, wie leicht es dem Professor gelungen war, die angeblich pseudonymisierte Blutprobe zu re-identifizieren. »Gelungen« sei dies erstaunlich einfach, nämlich über das Geburtsdatum des Kindes.
»Ist also eine Pseudonymisierung einzig durch das Geburtsdatum aufzuheben?« fragten die Eltern nun. Dieses Mal wandten sie sich aber nicht mehr an den Chef des Labors, sondern gleich direkt an den Ärztlichen Direktor des gesamten Hamburger Universitätsklinikums. Der heißt Professor Jörg F. Debatin und beauftragte einen juristisch ausgebildeten Mitarbeiter damit, die erneut vorgebrachten Fragen zu beantworten.
Einen Monat später, Ende Februar 2011, traf sein Brief bei den Eltern ein. Angesichts der Vorgeschichte war der Inhalt durchaus überraschend: »Eine Vernichtung von Proben, welche aus dem Neugeborenenscreening resultieren«, stufe das UKE »nach dem GenDG als geboten« ein, liest man in dem Schreiben. Die Vernichtung der Probe sei in diesem Fall »bedauerlicherweise nicht rechtzeitig geschehen«, dafür müsse sich das UKE entschuldigen, heißt es weiter.
Auf die Frage nach Art und Weise der Pseudonymiserung geht die UKE-Führung nicht ein, versichert aber, die Probe sei nicht zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet worden. Zudem sei die »Beschwerde« zum Anlass genommen worden, »Schwächen in den Arbeitsabläufen zu überprüfen«. Nun würden entnommene Blutproben »entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Bestimmungen des GenDG, verwahrt und sodann vernichtet«.
Unabhängig vom Engagement einzelner Eltern wäre es erneut an der Zeit, dass die Datenschutzbeauftragten die Screeningzentren mal wieder genauer unter die Lupe nehmen.
Ob das tatsächlich regelmäßig so geschieht und wo es nicht geschenen ist, können im Grunde nur die betroffenen Eltern einigermaßen verlässlich überprüfen – und zwar dadurch, dass sie an das UKE (oder auch an andere Screeningzentren) schreiben, sich nach Verbleib und Nutzung der getrockneten Blutproben ihrer Kinder erkundigen und die Herausgabe der Blutkarten verlangen. Gibt das Klinikum an, die Probe vernichtet zu haben, sollte man sich dies schriftlich vom Verantwortlichen bestätigen lassen.
Das alles können auch diejenigen tun, deren Töchter und Söhne vor Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes geboren wurden. Denn schon im April 2005 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die so genannten Kinder-Richtlinien aktualisiert und dabei festgelegt, dass Restblutproben von Neugeborenen spätestens drei Monate nach der Analyse vernichtet werden müssen und die Eltern entsprechend aufzuklären seien. So werde »Datenschutzaspekten Vorrang eingeräumt«, schrieb seinerzeit der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess zur Begründung.
Schon damals gab es uneinsichtige ScreenerInnen, wie BIOSKOP (Nr. 31 vom September 2005) am Beispiel des Berliner Uniklinikums Charité berichtete. Unabhängig vom Engagement einzelner Eltern wäre es erneut an der Zeit, dass die Datenschutzbeauftragten in den Bundesländern die Screeningzentren mal wieder genauer unter die Lupe nehmen.
© Klaus-Peter Görlitzer, 2011
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