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Genau nachfragen

Eine Auswahl von Fragen, die Eltern an ÄrztInnen und Labore stellen können, nachdem diese eine Blutprobe ihres Babys im Rahmen des Neugeborenen-Screenings erhalten haben.

- Auf welche Krankheiten und Anlagen wurde die Blutprobe meines Kindes analysiert?

- Wie sehen die Befunde im einzelnen aus?

- Wo und wie lange werden Daten, Befunde und Blutprobe meines Kindes zu welchen Zwecken gespeichert? Wer kann darauf zugreifen?

- Wurde die gesamte Blutprobe analysiert? Oder ist ein Blutrest im Krankenhaus/Labor verblieben?

- Wo und wozu wird der Proberest aufbewahrt? Wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage?
- Wurden oder werden Blutprobe, Probereste und/oder persönliche Daten meines Kindes für Forschungsprojekte genutzt?

- Falls geforscht wird oder bereits Proben an Dritte weitergegeben wurden: Für welche Studien? Wer sind die beteiligten Wissenschaftler und Firmen? Zu welchen Zwecken und finanziellen Konditionen dürfen sie Proben und Daten nutzen?




KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Das Gesetz und die Praxis

  • Bedenkliche Einwilligungsvordrucke zum Baby-Screening

aus: BIOSKOP Nr. 58, Juni 2012, Seite 13

Wenige Tage nach Geburt ihres Babys werden Eltern mit einer Frage konfrontiert: ÄrztInnen oder Hebammen bitten um Zustimmung für eine Blutentnahme beim Neugeborenen – zwecks Testung auf Stoffwechsel- und Hormonstörungen. Eine andere Frage ist: Genügen die Einwilligungserklärungen den datenschutzrechtlichen Vorgaben?

Das »Neugeborenenscreening« ist eine genetische Reihenuntersuchung. »Das Ergebnis« der biochemischen Testung, erläutert eine »Elterninformation« des Uniklinkums Heidelberg, »ist noch keine medizinische Diagnose«. Möglich sei aber die Aussage, ob die gesuchten Stoffwechseldefekte »weitgehend ausgeschlossen« werden könnten oder ob eine zusätzliche Untersuchung angeschlossen werden müsse.

Dies passiert selten, laut Heidelberger Elterninformation werde eine der per Screening gesuchten, mindestens 14 Störungen bei etwa einem von 1.500 Babys festgestellt. Heilbar sei keine der Krankheiten; frühzeitig erkannt, können sie aber behandelt werden, zum Beispiel mit Spezialdiäten oder Medikamenten. Geschehe dies nicht, könne es nach Ausbrechen des Stoffwechseldefekts Phenylketonurie (betroffen ist laut Statistik eines von 10.000 Babys) zur geistigen Behinderung des Kindes kommen; trete Galaktosämie (Risiko 1:40.000) auf, drohe schlimmstensfalls ein »möglicher tödlicher Verlauf«. Inhaltlich ähnlich informiert das Berliner Uniklinikum Charité frischgebackene Eltern.

  • »Unverzüglich zu vernichten«

Ob die prägnanten Faltblätter wissenschaftlich angemessen informieren, haben Datenschützer nicht zu bewerten. Ihre Aufgabe ist es zu prüfen, ob Einwilligungsvordrucke juristisch in Ordnung sind. Für das Neugeborenenscreening gibt es zwei Rechtsgrundlagen: Zum einen das Gendiagnostikgesetz. § 13 verlangt, dass genetische Proben »unverzüglich zu vernichten« seien, sobald sie für den Zweck der Entnahme nicht mehr benötigt werden. Die andere Vorgabe sind die »Kinder-Richtlinien« des Gemeinsamen Bundesausschuss. Sie verlangen, »Restblutproben« des Babys »spätestens« nach drei Monaten zu vernichten.

Die Regeln nehmen Bezug auf Bedenken von Datenschützern. Der Beauftragte in Hamburg hatte schon vor Jahren festgestellt, dass Klinikträger zunehmend bemüht seien, ihre Gewebe-, Blut- und Datensammlungen interessierten ForscherInnen und Arzneimttelherstellern zur entgeltlichen Nutzung anzubieten; auch Blutproben des Neugeborenen-Screenings könnten so perspektivisch »als mögliche Ressource für die Genforschung dienen«.

  • Den Vorgaben des Gesetzgebers nicht folgen

Das GenDG gilt seit Februar 2010. Dennoch sind noch immer Papiere im Umlauf, die zum Geist des Gesetzes nicht passen. »Sowohl den Flyer der Berliner Charité als auch das Informationsblatt des Klinikums Heidelberg halte ich datenschutzrechtlich für bedenklich«, teilte Juliane Heinrich, Pressesprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, auf Nachfrage von BIOSKOP mit.

Die Charité hat beschlossen, den Vorgaben des Gesetzgebers im Regelfall nicht zu folgen. »Eine Vernichtung der Restblutproben«, heißt es in der dort vorgelegten Einverständnis-Erklärung, »erfolgt in Berlin planmäßig erst nach 18 Jahren. Begründung: »Um auch später die korrekte Durchführung der Screening-Untersuchungen kontrollieren zu können, empfehlen wir Ihnen diese verlängerte Aufbewahrungsdauer.«

  • Kreuzchen machen?

Wer als Sorgeberechtigter nicht bereit ist, diesen – vom GenDG klar abweichenden – Weg mitzugehen, muss im Vordruck extra ein Kreuzchen machen, um seine Ablehnung zu dokumentieren. Nicht anders verhält es sich mit der »wissenschaftlichen Verwendung« von Restblutproben: Eltern, die ihre Ablehnung nicht per Kreuzchen deutlich machen und einfach das Einverständnisformular zum Screening unterschreiben, stimmen faktisch auch der Nutzung unverbrauchter Blutreste für unbestimmte Forschungszwecke zu. Ähnlich verfährt man in Heidelberg: Auch dort wird die Filterpapierkarte mit eingetrocknetem Baby-Blut nur dann »nach drei Monaten komplett vernichtet«, wenn Eltern dies ausdrücklich per Kreuzchen verlangt haben.

  • Eine Zumutung

Die Pressesprecherin des Bundesdatenschützers erläutert: »Es reicht nicht aus, dass in einem Flyer auf die längere Aufbewahrungssituation aufmerksam gemacht wird.« Wer Restblutproben länger als drei Monate aufbewahren wolle, müsse das »ausdrückliche Einverständnis« der Eltern einholen – und damit anders vorgehen als die Screeningzentren in Berlin und Heidelberg, die nicht die einzigen sind, die das GenDG eigenwillig auslegen.

Kontrolliert werden sie eigentlich durch die Landesdatenschutzbehörden. Solange die sich nicht rühren, bleibt Eltern nur übrig, sich Vordrucke genau anzuschauen, bevor sie diese unterschreiben oder nicht. Das ist wohl eine Zumutung, wenn die Gedanken ganz ums neue Baby-Glück kreisen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2012
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