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ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

Genanalysen im Angebot

  • Unternehmen vermarkten fragwürdige Tests via Internet

aus: BIOSKOP Nr. 51, September 2010, Seiten 8+9

Im Auftrag des Europaparlamentes hatte ein Expertengremium vor zwei Jahren die Direktvermarktung von Gentests unter die Lupe genommen. Ein neuer Bericht über diese Marktnische ist nun in den USA erschienen, Kernergebnis: Die Tests sind irreführend und wenig nützlich. Hierzulande fehlt eine Untersuchung der einschlägigen Firmenlandschaft. Es gibt aber einen neuen Anbieter: DNA Plus.

«Werden Sie Pionier in der Zukunft der Medizin«, so bewirbt das junge Unternehmen DNA Plus aus Freilassing hauseigene Seminare. Eingeladen sind Ärzte, Apotheker, Hebammen und Heilpraktiker, aber auch Fitness- und Wellness-Studios oder Kosmetiker/innen und Ernährungsberater. Für 375 Euro plus Mehrwertsteuer, inklusive Selbsttest nach freier Wahl und Werbematerial, soll diese breite Zielgruppe lernen, wie Gentests bei risikobewussten KonsumentInnen vermarktet und abgerechnet werden können: im öffentlichen Medizinsystem als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), mit ermäßigtem Einkaufspreis für Genanalysen und der Aussicht auf selbstbestimmte Betreuungsseminare für Ärzte und als Marketingstrategie im Wellness-Sektor.

Weniger amüsant ist, dass auch die Sorge um die eigenen Kinder in bare Münze verwandelt wird.

Im Angebot ist zum Beispiel das Produkt »DNA+Herz«, mit Tests auf zwei »Thrombose-Gene« für 190 Euro oder vier Arterie-Gene, ebenfalls für 190 Euro. Das Komplettpaket wird in der sommerlichen »Aktionswoche« für 250 Euro feilgeboten. Oder wie wäre es mit den Produkten »DNA+Stoffwechsel« und »DNA+Verdauung«, die neben Checks genetischer Anfälligkeiten für Diabetes, Eisenspeicher-Krankheit oder Unverträglichkeiten von Laktose und Gluten auch einen passenden Ernährungsplan für zusätzliche 290 Euro beinhalten? Wer wissen möchte, ob eher Kraft- oder Ausdauersport dem molekularen Make-up entspricht, wählt »DNA+Bewegung«, wobei die Firmenhomepage die Erwartungen etwas dämpft: »Dieser Gentest stellt keine Überprüfung dar, ob man für die Olympischen Spiele geeignet ist, sondern liefert Informationen, in welchen Bereichen man bessere Chancen hat, Spitzenleistungen zu erbringen.«

Weniger amüsant ist, dass auch die Sorge um die eigenen Kinder in bare Münze verwandelt wird. In zartem Rosa erscheint das Produkt »DNA+Nachwuchs« auf der Website. Neben dem Nachweis eines erhöhten Thromboserisikos während der Schwangerschaft versprechen die Firmeninhaber, zum Preis von 269 Euro 101 Krankheitsrisiken bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr ausfindig machen zu können. Das Programm wird gleich noch einmal im Internet beworben – und zwar über die Firma Seracell Baby U100+, mit der DNA Plus kooperiert. Auch die Präventionsakademie Thüringen bietet ihre Produktpalette an – neben einer Privatpraxis für ganzheitliche Naturheilkunde sowie einem Anwendungs- und Lehrinstitut für Entspannung, Stressbewältigung oder Klangtherapie.

Auf der Firmenhomepage geht es über den »Warenkorb«- Button zum Einkauf der Gen-Analysen.

Vernetzung wird bei DNA Plus groß geschrieben. Am neuen Marktsegment partizipieren auch das Gesundheits- und Wellnesshotel Elisabethpark in Österreich, die Vermittlungsagentur für Honorarärzte »Doc-to-rent« und die Telefon- und Online-Beratung »Psychoquest«. Der Molekularbiologe und wissenschaftliche Leiter Daniel Wallerstorfer hat im vorigen Jahr gleich noch das Laborunternehmen »Novogenia« gegründet. Hier werden die genetischen Analysen durchgeführt oder an externe Partnerlabors weitergereicht.

Auf der Firmenhomepage geht es über den »Warenkorb«- Button zum Einkauf der Gen-Analysen. Videos mit einem seriös klingenden Berater informieren über Aussagekraft, präventive Vorteile und Qualitätsstandards. Wer sich überzeugen lässt, bekommt Post – ein Set für die Speichelprobe und eine Einwilligungserklärung. Die Speichelprobe wird laut Firmenaussagen verschlüsselt, analysiert und dann vernichtet. Zurück erhalten die KundInnen einen »verständlichen Gesundheitsbericht, ein Beratungsvideo und einen Arztbericht«.

Werden »genetische Vorbelastungen« festgestellt, die statistisch über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegen, gibt es ein Vorsorgeprogramm und einen Familienstammbaum. Ob seine Verwandten über ihre »genetischen« Risiken aufgeklärt werden, soll der Kunde persönlich entscheiden. Bei Bedarf können ärztliche oder psychologische BeraterInnen kontaktiert werden.

Das Gendiagnostikgesetz verlangt für den Einsatz solcher Tests: Aufklärung, Arztvorbehalt, Einwilligung und eine zwingende genetische Beratung vor und nach dem Test. DNA Plus klärt auf – per Video. Die Firma beschäftigt Ärzte und fordert den Berufsstand zur Mitarbeit auf – dank IGeL. Genetische Beratung bietet sie auch an – via Telefon.

Bekannt ist weder, wie häufig solche Angebote tatsächlich nachgefragt werden noch wie Ergebnisse der Gentests auf die KundInnen wirken. Klar ist aber: Die Grenzen zwischen Medizin und Wellness verschwimmen einmal mehr.

DNA Plus ist nicht das einzige Unternehmen, das aus biotechnologischen Werkzeugen und Risikobewusstsein einen privaten Geschäftsbereich macht. Auch die Frankfurter Firma Humatrix bietet solche Tests für Erwachsene und Neugeborene an. Das Geschäft ist international. Die bekanntesten Firmen im Direktverkauf sind US-amerikanisch und heißen 23andMe, Knome und Navigenecis, sie verkaufen komplette Genomanalysen. Unternehmen wie »DNA Direct« und Sciona haben sich auf verschiedene Krankheitsanfälligkeiten spezialisiert.

Das US-amerikanische Governmental Accountability Office (GAO) hat im Juli das Ergebnis einer eigenen, verdeckt ausgeführten Recherche veröffentlicht. Under cover schickte das GAO an vier Gentestfirmen, die in medizinischen Journalen und allgemeinen Medien als seriös inszeniert werden, genetische Proben. Die Ergebnisse sind kein Werbeargument für die Firmen, ihre Vorhersagen widersprechen sich. So wurde einem DNA-Spender mit Herzschrittmacher ein geringes Risiko für Herzerkrankungen konstatiert. Gar als »vollkommenen Müll« bezeichneten zu Rate gezogene Experten das genetische Orakel von zwei Firmen, die meinen, auf DNA-Basis vorhersagen zu können, welcher Sport zum eigenen Nachwuchs passt. Vor zwei Jahren hatte schon die European Technology Assessment Group kaum ein gutes Haar am privaten Testsektor gelassen.

Bekannt ist weder, wie häufig solche Angebote tatsächlich nachgefragt werden noch wie Ergebnisse der Gentests auf die KundInnen wirken. Klar ist aber: Die Grenzen zwischen Medizin und Wellness verschwimmen einmal mehr. Und auch diese Marktnische demonstriert, dass biomedizinische Dienstleistungen vor allem eines sind: kommerziell.

© Erika Feyerabend, 2010
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