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»Unvermeidliches Restrisiko«

»Biotechnologische Grundfertigkeiten und Fachwissen ermöglichen grundsätzlich jedem, der über die notwendigen Mittel verfügt, gentechnologische Forschung missbräuchlich einzusetzen. (…)

Einen absoluten Schutz vor (vorsätzlichem) Missbrauch gentechnologischer Methoden kann es weltweit nicht geben. Dieses unvermeidliche Restrisiko ist in Deutschland durch ein Netzwerk an rechtsstaatlichen Maßnahmen als minimiert zu bewerten.«

aus der am 1. Juni 2001 veröffentlichten Antwort der rot-grünen Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion zum Thema »Wehrtechnische Forschung im Bereich Gentechnik und biologische Waffen« (Bundestagsdrucksache 14/6233)

»Bekanntgabe nicht vorgesehen«

»Die Begriffe ‘wehrmedizinischer’ und ‘humanmedizinischer Bereich’ können im Zusammenhang mit ‘Gentechnologie’ und ‘biologischen Waffen’ nicht voneinander getrennt werden, da biologische Waffen, insbesondere beim so genannten Bioterrorismus, keinen Unterschied zwischen Personengruppen machen. Insoweit ist eine Zuordnung von Projekten zu einem der Bereiche nicht möglich. Eine Bekanntgabe von detaillierten Informationen über einzelne Projekte, insbesondere Namen und Anschriften der zivilen Forschungseinrichtungen, ist nicht vorgesehen, um nachteilige Aktionen gegen Vertragsnehmer und ihr persönliches Umfeld, wie in der Vergangenheit geschehen, zu vermeiden.«

aus der am 1. Juni 2001 veröffentlichten Antwort der rot-grünen Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion zum Thema »Wehrtechnische Forschung im Bereich Gentechnik und biologische Waffen« (Bundestagsdrucksache 14/6233)

Lesetipp

Über Gentechnik und die Gefahr eines biologischen Wettrüstens informiert die Broschüre »Biologische Waffen im 21. Jahrhundert«. Auf rund 50 Seiten dokumentiert sie Vorträge einer Fachtagung, die im Juni 2001 in Dresden stattfand.



JAN VAN AKEN (Hamburg), Zellbiologe und Mitarbeiter der deutsch-amerikanischen Initiative Sunshine Project, die über biologische Waffen informiert und forscht

Verteidigungsoffensive, aber »bio«

  • Ohne großes Aufsehen verstärkt die Bundeswehr ihre B-Waffenforschung – und Universitäten helfen mit

aus: BIOSKOP Nr. 15, September 2001, Seiten 14+15

Die biologische Abwehrforschung der Bundeswehr wird seit 1995 massiv ausgebaut, der Etat für die Biowaffenforschung ist im Vergleich zum Gesamthaushalt überdurchschnittlich stark gestiegen. Diese Verteidigungsoffensive im Reagenzglas steht erklärtermaßen im direkten Zusammenhang mit der Neuorientierung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze.

Die Bedrohung durch biologische Waffen hat sich nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums (BMVg) erhöht – aber nicht, weil jetzt mit dem Abwurf von Bakterienbomben über München oder Berlin gerechnet wird, sondern weil die »Krisenreaktionskräfte« im Auslandseinsatz tendenziell einer höheren B-Gefahr ausgesetzt sind. Dadurch ist, so der Sprachgebrauch des BMVg, eine »Bedarfslücke« entstanden, die momentan in den Forschungsinstituten der Bundeswehr und der NATO geschlossen werden soll. Insofern ist der massive Ausbau der Biowaffenforschung bei der Bundeswehr als Teil einer Aufrüstung zu begreifen, die die Voraussetzung für den Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes erst schafft.

  • Zivile Kooperationspartner

10 Millionen DM gab das Verteidigungsministerium im Jahre 1999 für den »medizinischen B-Schutz« aus. Das entspricht einer Steigerung von fast 60 % gegenüber dem B-Etat in 1994. Die Hälfte des Geldes wurde für Projekte innerhalb der Bundeswehr ausgegeben, vor allem an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München sowie am Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien in Munster. Die andere Hälfte des B-Etats wurde an zivile Auftragnehmer vergeben, vornehmlich an Universitäten. Eine Reihe universitärer Kooperationspartner der Bundeswehr konnte identifiziert werden, darunter die Ludwig-Maximilians- Universität München, die Tierärztliche Hochschule Hannover, die Universität Hohenheim sowie die Uni Gießen.

Die biologische Abwehrforschung des BMVg hat zum primären Ziel die Entwicklung von Frühwarnsystemen und Schnelltests, mit denen biologische Waffen schnell erkannt werden können. Frühwarnung gilt als der beste Schutz vor Biowaffen. Ein weiterer wichtiger Aspekt der B-Forschung ist die Entwicklung von Impfstoffen. Auch mit gentechnischen Methoden wird bei der Bundeswehr gearbeitet, neben der B-Forschung auch im Bereich der Chemiewaffen und zur Untersuchung von Strahlenschäden. Im vergangenen Jahr wurden im Aufgabenbereich des BMVg 15 Projekte in der biologischen Abwehrforschung durchgeführt, bei der auch gentechnische Methoden zum Einsatz kamen.

  • Eine hauchdünne Linie

Einige Projekte, die von der Bundeswehr oder von zivilen Auftragsnehmern durchgeführt werden, werfen grundsätzliche Fragen auf. Nur eine hauchdünne Linie trennt offensive und defensive Biowaffenforschung. Die Frage, ob ein bestimmtes Experiment offensiv oder defensiv ausgelegt ist, kann oft nicht durch objektive Kriterien beantwortet werden, sondern nur durch die dahinter stehende Absicht.

Drei Beispiele aus dem Forschungsbereich des BMVg:

- Anfang der 1990er Jahre hat das Frankfurter Battelle-Institut im Auftrag des BMVg einen Impfstoff gegen das Botulinum-Toxin entwickelt. Botulinum ist ein Eiweiß, das als eines der potentesten Gifte überhaupt gilt. Der Impfstoff besteht aus dem Botulinum-Toxin, das durch Bestrahlung unschädlich gemacht wird, d.h. für die Herstellung des Impfstoffes müssen zunächst größere Mengen des Giftes hergestellt werden. Tatsächlich enthält der Abschlussbericht dieses Forschungsprojektes eine detaillierte Schilderung, wie die verschiedenen Varianten des Botulinum-Toxins effektiv produziert werden können. Damit wurde im Rahmen der Defensivforschung ein eindeutig offensives Potenzial geschaffen.

- Die Sanitätsakademie der Bundeswehr in München betreibt Grundlagenforschung an Hasenpest-Bakterien (Tularämie), die zu den typischen B-Waffen-Erregern gehören. Bei einem Versuch wurden gentechnisch veränderte Bakterien verwendet, die mit einem Gen für Antibiotika-Resistenz ausgestattet wurden. Durch die Genveränderung wurden die Bakterien waffentauglicher gemacht, da sie nicht mehr mit diesem Antibiotikum behandelt werden können.

- Selbst Impfstoffe haben dual-use Charakter. Im Auftrag des BMVg werden z.B. an der Universität Hohenheim Impfstoffe gegen Milzbrand und an der Universität Gießen Impfstoffe gegen Gasbrand entwickelt. Zwar wirken Impfstoffe auf den ersten Blick eindeutig defensiv. Möchte ein Angreifer jedoch eine biologische Waffe einsetzen, müsste er auch einen Impfstoff zum Schutz der eigenen Streitmacht und Bevölkerung bereithalten. Die Durchimpfung einer ganzen Armee – wie zur Zeit in den USA gegen Milzbrand – kann auch als Hinweis auf ein offensives Programm gewertet werden. Hinzu kommt, dass Impfungen angesichts der Vielzahl Biowaffen-tauglicher Erreger keinen effektiven Schutz vor einem biologischen Angriff bieten können, da kaum gegen die gesamte mögliche Bandbreite aller Biowaffen geimpft werden kann. Die Vielfalt der möglichen Erreger und ihrer Varianten macht einen Rundum-Schutz unmöglich, zumal die Gentechnologie hier noch ganz neue Möglichkeiten eröffnet. 1997 wurde bekannt, dass russische Forscher durch eine Genübertragung Milzbrand-Bakterien so verändert haben, dass die bekannten Impfstoffe nicht mehr vor ihnen schützen. Außerdem bergen Impfungen immer ein gewisses Gesundheitsrisiko, das sich mit der Zahl der verschiedenen Impfungen potenziert. So löst der Versuch der US-Armee, alle 2,5 Millionen US-Soldaten gegen Milzbrand (Anthrax) zu impfen, zunehmend Kritik aus. Es besteht auch der Verdacht, dass das Golfkriegs-Syndrom möglicherweise durch die Impfungen ausgelöst wurde.

  • Ausweichende Antworten

Diese Beispiele zeigen, wie schwierig – wenn nicht unmöglich – eine klare Unterscheidung in Offensiv- und Defensivforschung ist. Die Bundeswehr zeigt sich bislang ignorant gegenüber der Zweischneidigkeit der biologischen Abwehrforschung. Eine sehr sorgfältige und öffentliche Bewertung der Einzelprojekte ist ebenso nötig wie klare Grenzziehungen. Insbesondere gentechnische Arbeiten mit potenziellen B-Waffen-Erregern müssen kritisch hinterfragt werden.

Das Verteidigungsministerium versucht bislang, eine öffentliche Diskussion der Biowaffenforschung zu vermeiden und verweigert bzw. verzögert detaillierte Informationen über die Forschungsprogramme. Umfassende Informationen über zivile Auftragnehmer werden nicht veröffentlicht, nur handverlesenen Personen wird Zugang zur medizinischen B-Schutz- Tagung gewährt, und Fragen werden in der Regel gar nicht oder nur ausweichend beantwortet.

  • Sinnvolle Verbote

Angesichts der dual-use Problematik wird es keine einfachen Antworten auf die Frage geben, welche Projekte sinnvoll sind und welche nicht. Ein wichtiges Bewertungskriterium muss die potenzielle Wirkung nationaler Defensivforschung auf internationale Abrüstungsbemühungen sein. So wäre es z.B. sinnvoll, innerhalb der Biowaffen-Konvention ein Verbot von gentechnischen Veränderungen zu verankern, die Krankheitserreger noch pathogener oder waffentauglicher machen. Deshalb sind die Arbeiten der Bundeswehr mit antibiotikaresistenten Erregern grundsätzlich abzulehnen – unabhängig von der Frage, ob die Bundeswehr dies mit einer rein defensiven Motivation durchführt oder nicht.

  • Voraussetzung für Auslandseinsätze

Jenseits der Einzelprojekte muss jedoch das zugrunde liegende Bedrohungsszenario für die Bundesrepublik in Frage gestellt werden. Die aktuellen Anstrengungen des Verteidigungsministeriums im medizinischen B-Schutz sind vor allem in geplanten Auslandseinsätzen der Bundeswehr begründet. Wer nicht plant, seine Truppen in Kriegsgebiete außerhalb Europas zu schicken, kann auf eine Ausweitung der B-Forschung in Deutschland verzichten. Insofern ist der massive Ausbau der Biowaffenforschung bei der Bundeswehr als Teil einer Aufrüstung zu begreifen, die erst die Voraussetzung für den Einsatz so genannter »Krisenreaktionskräfte« außerhalb des NATO-Gebietes schafft.

Insbesondere die akademischen Institutionen, die im Auftrag des BMVg B-Forschung betreiben, sind aufgefordert, die politischen Implikationen ihrer Arbeit in der ganzen Bandbreite zu reflektieren. Die zivilen Auftragnehmer müssen sich der Diskussion stellen, dass sie mit ihrer Arbeit die Voraussetzung für Auslandseinsätze schaffen bzw. dass ihre Arbeit letztendlich in ein biologisches Wettrüsten münden kann.

© Jan van Aken, 2001
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