KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP
Warum Professor D. aus L. keinen Verteidiger braucht
- Ermittlungsbehörden und Embryonenschutzgesetz
aus: BIOSKOP Nr. 15, September 2001, Seite 5
Dem deutschen Embryonenschutzgesetz (ESchG) werden gemeinhin Eigenschaften wie »streng« oder »restriktiv« zugeschrieben. Ob diese Einschätzung wirklich zutrifft, darüber kann man trefflich streiten. Fest steht: Die Paragraphen sind kein Garant dafür, dass alle MedizinerInnen sie auch brav respektieren. Und das ESchG kann auch keine Gewähr dafür bieten, dass StaatsanwältInnen großen Ehrgeiz zeigen, wenn es darauf ankommt, Indizien für Gesetzesverstöße sorgfältig zu prüfen und durch eigene Ermittlungen zu ergänzen.
Ein Ermittlungsverfahren wegen »Anfangsverdachts des Verstoßes gegen Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes« hat die Staatsanwaltschaft Lübeck Ende Juni 2001 eingestellt. Beschuldigt worden war der bekannte Reproduktionsmediziner und unermüdliche Lobbyist pro Präimplantationsdiagnostik (PID), Professor Klaus Diedrich aus Lübeck. Laut Berichterstattung des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL soll Diedrich ein Ehepaar »zur PID-Behandlung nach Belgien geschickt« haben.
Ein Arzt, der eine Frau an einen ausländischen Mediziner zwecks Durchführung einer PID vermittelt, kann sich nach Auffassung der Bundesjustizministerin »als Gehilfe strafbar machen«, dies hat Herta Däubler-Gmelin (SPD) einem nachfragenden Humangenetiker Mitte März schriftlich gegeben.
Den Vermittlungsvorwurf hatte Diedrich in einem _SPIEGEL_-Interview auch gar nicht abgestritten, vielmehr kündigte er an gleicher Stelle schon bemerkenswerte Solidaritätsaktionen für seine Person an: »Ein Humangenetiker aus Frankfurt«, versicherte der Professor aus Lübeck, »bot spontan an, Geld für mich zu sammeln, damit ich mich ordentlich verteidigen kann. Andere Reproduktionsmediziner wollen sich aus Solidarität selbst anzeigen und auf diese Weise öffentlich machen, dass sie alle schon Paare ins Ausland geschickt haben.«
Der Staatsanwalt zweifelt sogar an, dass das Ehepaar, dem Diedrich laut SPIEGEL geraten haben soll, die PID in Brüssel vornehmen zu lassen, tatsächlich existiert.
Solche Sorgen haben sich dank der Bemühungen der Lübecker Strafverfolger als völlig überflüssig herausgestellt, eine Verteidigung wird Diedrich jedenfalls nicht benötigen. Im drei Monate währenden Zeitraum zwischen Eingang der – von BioSkop e.V. – erstatteten Strafanzeige und der Mitteilung des Staatsanwalts Wendt, dass das Verfahren mangels Anfangsverdachts nun eingestellt worden sei, konnten die Strafverfolger aus der schleswig-holsteinischen Hansestadt aber auch wirklich überhaupt gar nichts Belastendes gegen den Professor von der benachbarten Medizinischen Hochschule ermitteln.
Im Gegenteil: Staatsanwalt Wendt zweifelt sogar an, dass das Ehepaar, dem Diedrich laut SPIEGEL geraten haben soll, die PID in Brüssel vornehmen zu lassen, tatsächlich existiert.
Wer so etwas – angesichts der bekannten Fakten – in einem mit Stempel versehenen, offiziellen Schreiben zu Papier bringt, braucht für Spott wahrlich nicht mehr zu sorgen. Wie heißt noch der einschlägige Werbeslogan? » _SPIEGEL_-Leser wissen mehr!« Eine ernste Frage aber bleibt: Wen interessiert das überhaupt?
© Klaus-Peter Görlitzer, 2001
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors