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Essen, 11. April 2003

Medienmitteilung von BioSkop

Richter dürfen nicht über Leben und Tod entscheiden!

»Der Gesetzgeber muss schleunigst klar stellen, dass in Deutschland weder Betreuer noch Richter das Recht haben, über Leben und Tod bewusstloser Patienten zu entscheiden.« Mit diesem Appell reagiert die bioethik-kritische Organisation BioSkop, die seit Jahren die Sterbehilfediskussion in Europa beobachtet, auf den gestern bekannt gegebenen Beschluss des Bundesgerichtshofes zum Behandlungsabbruch. (Az: XII ZB 2/03)

Der BGH hat entschieden, dass Ärzte und Pflegekräfte einen einwilligungsunfähigen, im Koma liegenden Patienten auf dessen Wunsch hin verhungern lassen müssen. Voraussetzung sei, dass der Betroffene den tödlichen Behandlungsverzicht vorab in einer so genannten »Patientenverfügung« verlangt habe und ein Vormundschaftsgericht einen entsprechenden, vom Betreuer gestellten Antrag auf Lebensbeendigung genehmigt habe.

»Es pervertiert den Auftrag von Pflegekräften und Ärzten, wenn sie künftig bewusstlose Patienten durch Abbruch notwendiger medizinischer Maßnahmen ums Leben bringen müssen«, sagt BioSkop-Sprecherin Erika Feyerabend. Es handelt sich im konkreten Fall auch nicht um Hilfe beim Sterben, weil der 72-jährige Komapatient überhaupt nicht im Sterben liegt. »Hier geht es vielmehr darum, den Betroffenen durch Abbruch der Sondenernährung zielstrebig verhungern zu lassen.«

Eindringlich warnt BioSkop vor den sozialpolitischen Folgen, die eine gesetzliche Anerkennung solcher Vorabverzichtserklärungen haben würde. »Sind Patientenverfügungen erst einmal legitimiert, werden sie sich mittelfristig nicht auf den vorab erklärten Behandlungsverzicht beschränken«, vermutet BioSkop-Sprecherin Feyerabend: »Es gibt eine schiefe Ebene hin zur aktiven Tötung schwer kranker Menschen. Das zeigt die Bedeutung solcher Verzichtserklärungen in den Euthanasiegesetzen der Niederlande und Belgiens, wo mit Einwilligung des Betroffenen auch die Giftspritze erlaubt ist.«

Feyerabend warnte zudem vor Registern und Datenbanken, in denen Menschen gegen Gebühr die Mitteilung hinterlegen können, dass und wo sie eine Patientenverfügung hinterlegt haben. Patientenverfügungen zentral zu registrieren, haben prominente Bioethiker bereits in einem Auftragsgutachten für das Bundesgesundheitsministerium empfohlen. Feyerabend beobachtet: »Hier entsteht eine Art Vorsorgemarkt; mit der Angst vieler Menschen, sie könnten irgendwann hilflos einer Apparatemedizin ausgeliefert sein, werden heute schon Geschäfte gemacht.«

Obendrein drohen in Zeiten chronisch knapper Kassen riskante ökonomische Nebenwirkungen; Gesundheitspolitiker, Krankenkassen, Klinik- und Heimbetreiber könnten die Registerdaten zum Beispiel dazu nutzen, den Abbau von Behandlungs- und Versorgungskapazitäten zu rechtfertigen. Feyerabend: »Nehmen wir mal an, zwei Millionen Menschen würden registrieren lassen, dass sie im Falle anhaltender Bewusstlosigkeit nicht mehr medizinisch behandelt werden wollen. Mit Verweis auf eine solche Zahl könnten Gesundheitspolitiker leicht versucht sein, öffenlichkeitswirksam zu begründen, warum sie nichts gegen die unzureichende Versorgung von Komapatienten tun.« Das Beispiel zeige, dass Patientenverfügungen nicht nur persönliche, sondern stets auch sozialpolitische Wirkungen entfalten, sagte die BioSkop-Sprecherin.

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Noch mehr Informationen
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++ Dokumentation der Tagung Planungssicherheit am Lebensende? -Patientenverfügungen im Widerstreit
+++ Hintergrundberichte zu Patientenverfügungen und Euthanasie