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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Katalog für Transparenz

  • Datenschützer sehen erhebliche Mängel bei Biobanken und erläutern, was der Gesetzgeber dagegen tun kann

aus: BIOSKOP Nr. 47, September 2009, Seiten 6+7

Blut, Zellen und Gewebe sind für Genforscher eine wertvolle Ressource. Deshalb werden sie gezielt von Kliniken und Pharmafirmen in sogenannten Biobanken gesammelt – oft ohne ausreichende Information der betroffenen Spender. Datenschützer fordern Transparenz und verbindliche Regelungen.

Länger als ein Jahrzehnt hat der Bundestag gebraucht, um ein Gesetz zur genetischen Diagnostik zu beschließen. Als die schwarz-rote Mehrheit in diesem April endlich so weit war, regelte sie einen wichtigen Bereich aber einfach nicht: die Forschung mit genetischen Daten und Blut-, Urin- und Gewebeproben. Dabei hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) den Aufbau solcher Biobanken »fokussiert gefördert«, wie das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag feststellt.

Nun liegt ein vom BMBF beauftragtes Gutachten vor, das erstmals detaillierte Kriterien für datenschutzgerechte Biobanken aufzeigt. Geschrieben hat es das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Würden dessen Vorschläge konsequent umgesetzt, müssten wohl fast alle Genprobensammler ihre Betriebsabläufe erheblich verändern: »Unsere empirischen Erhebungen haben ergeben, dass der Datenschutz bei Biobanken in Deutschland noch stark verbesserungsfähig und -bedürftig ist«, sagt ULD-Leiter Thilo Weichert. Insbesondere die Papiere zur Spenderaufklärung und -einwilligung seien oft lückenhaft und ungenau.

  • Nicht sicher anonymisiert

Die informationelle Selbstbestimmung, die das ULD meint, gilt nicht nur vor, sondern auch nach der Einwilligung in die Überlassung von Proben und Daten. Denn die Option des Widerrufs, der jederzeit zulässig sein müsse, sei für die Spender »überhaupt erst möglich«, wenn sie kontinuierlich und unaufgefordert erfahren, wie sich »ihre« Biobank entwickele und welche wissenschaftlichen Projekte sie ausführe oder unterstütze.

Für Transparenz sorgen könnte – neben der persönlichen Aufklärung – nach Empfehlung des ULD auch ein jährlicher, allgemeinverständlicher Datenschutzbericht jeder Biobank. Beschreiben soll er zum Beispiel Ethikvoten zu Forschungsprojekten, Ziele und Genanalysemethoden, bisherige Ergebnisse sowie Hinweise auf abgebrochene Studien. Genannt werden sollten die Namen von Wissenschaftlern, Auftraggebern und Sponsoren der Biobank. Und der Bericht müsse nachvollziehbar offen legen, wer auf die Datenbestände zu welchem Zweck zugreifen könne.

Potenzielle Spender hätten das Recht zu erfahren, ob und durch welche Techniken ihre Proben und Daten vertraulich gemacht werden. Eine »Besonderheit genetischer Analysen von Gewebeproben« bestehe allerdings darin, dass sie nicht sicher anonymisiert werden können. Denn mit Hilfe von »identifizierten Referenzgewebeproben« lasse sich jede Probe später einen bestimmten Person »eindeutig wieder zuordnen«. Bei den meisten Studien würden die Namen der Probanden aber nicht anonymisiert, sondern durch Pseudonyme verschlüsselt. Dabei bleibe eine Zuordnungsfunktion erhalten, so dass es möglich sei, den Personenbezug bei Bedarf wieder herzustellen.

  • »Kaum noch überschaubar«

Die Verschlüsselungstechniken sind aufwändig und werden offenbar nicht von allen Sammeleinrichtungen beherrscht. »Hinsichtlich des Pseudonymiserungsverfahrens«, so das ULD-Gutachten, »besteht fast überall – zum Teil sogar erheblicher – Nachbesserungsbedarf.«

Laufend informieren müssten die Biobanker über »etwaige kommerzielle Perspektiven« geplanter Forschungsprojekte; eindeutig zu klären sei, wer die Eigentumsrechte an den Proben halten soll. Spender müssten die Option zur differenzierten Einwilligung erhalten, also bestimmte Forschungszwecke, Geldgeber oder Kooperationspartner bewusst von der Nutzung ihrer genetischen Daten ausschließen können.

Damit Menschen »ausreichend Gelegenheit« haben, sich vor der Probenabgabe umfassend zu informieren, sollten Aufklärungen und Einwilligungen »an leicht zugänglicher Stelle im Internet« abrufbar sein – und zwar in mehreren Sprachen, rät das ULD. Angesichts der »kaum noch überschaubaren« Landschaft von Biobanken mit »wechselnden Netzwerken, Verbünden und Ausgründungen« halten es die Datenschützer zudem für notwendig, ein zentrales Biobankregister »mit obligatorischer Meldepflicht der Forschungsprojekte« einzuführen.

  • Gütesiegel für Biobanker?

Die Rechtslage sei bisher »unbefriedigend«. ULD-Chef Weichert plädiert dafür, den Aufklärungsumfang sowie Inhalte und Verfahren der Einwilligung nach der Bundestagswahl gesetzlich festzuschreiben. Außerdem sollten »Auditierungen« eingeführt werden, die detailliert abchecken, ob Biobanken die datenschutzrechtlichen Kriterien erfüllen. Wer die Prüfung besteht, solle als »Qualitätsnachweis« ein Gütesiegel erhalten und bekannt machen dürfen; Weicherts Team will solche Auditierungen gern vornehmen.

Eine potenzielle Kandidatin wirkt direkt in der Nachbarschaft des ULD: die Biobank Popgen, mit millionenschwerer Starthilfe des BMBF im Jahr 2003 am Kieler Uniklinikum etabliert _(Siehe BIOSKOP Nr. 26 und heute eine der größten hierzulande. Das Kürzel steht für »Populationsgenetische Rekrutierung«; über 100.000 Proben plus Patientendaten sollen hier lagern und »für weltweite Forschung« zur Verfügung stehen.

  • Mausklick ins Ungewisse

Popgens Homepage macht einen eher offenherzigen Eindruck, zur Einsichtnahme angeboten werden etwa: Probandenaufklärung, Einwilligungserklärung, Datenmanagementkonzept, Kooperationsvereinbarung und der aktuelle Jahresbericht. Doch nach Anklicken der Stichwörter erscheint kein Dokument, sondern seit Monaten die immer selbe Auskunft: »Zur Zeit wird unser Informationsangebot überarbeitet und aktualisiert.«

Warum dies passiert und was die angestrebten Veränderungen für Menschen bedeuten, die den Kieler Biobankern längst sensible Daten und Körpersubstanzen anvertraut haben, erklärt Popgen im Internet nicht.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2009
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