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JEROEN BREEKVELDT, BioSkopler, Mitarbeiter des NoGen-Archivs in Wageningen (Niederlande) und in der AG Linke Analyse Biopolitik

LifeLines für Genforscher

  • Die größte Biomaterialbank der Niederlande soll Daten und Blutproben von 165.000 Menschen erfassen

aus: BIOSKOP Nr. 33, März 2006, Seite 11

Am Medizinzentrum der Universität Groningen entsteht seit Anfang 2006 die größte Biobank der Niederlande. Erklärtes Ziel ist es, Daten und Körperstoffe von 165.000 Menschen zu sammeln und Genforschern aus Unis und Unternehmen zugänglich zu machen. Im Hintergrund stehen vor allem wirtschaftliche Interessen.

»LifeLines« (Lebenslinien) nennen die Groninger Forscher ihr Biobanken-Projekt. Es soll mindestens 30 Jahre laufen und Menschen aus den drei nördlichsten Provinzen der Niederlande erfassen. Zunächst sollen 30.000 Freiwillige im Alter von 25 bis 50 in Hausarztpraxen dazu motiviert werden, Blut, Urin und Daten zu spenden; am Ende sollen 165.000 Teilnehmer aus drei Generationen rekrutiert worden sein.

Was LifeLines sammelt, soll Forschern überall in den Niederlanden als Ressource zur Verfügung stehen. ln Langzeit-Studien können sie untersuchen, welche genetischen Risiken es geben soll für chronische Krankheiten, die vielfältige Ursachen haben, zum Beispiel: Asthma, Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen. Was die Probanden konkret von derartigen Forschungen haben sollen, lassen die Groninger Wissenschaftler allerdings offen.

Profiteure werden, laut Projektbeschreibung, andere sein: Klinische Forscher würden durch Auswerten von Proben und Daten in die Lage versetzt, Gesundheit und Krankheit auf molekularer Grundlage zu verstehen. Pharmaunternehmen könnten die Biobank nutzen, um Diagnostika und bessere Therapien zu entwickeln. Politiker könnten Zusammenhänge zwischen Genetik, Umwelteinflüssen und Lebensstilen erkennen und auf dieser Wissensbasis rationale Entscheidungen treffen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern und deren Kosten zu senken.

Ökonomisch orientierte Forschungsfragen im Blick.

Ökonomisch orientierte Forschungsfragen hat der wissenschaftliche Koordinator von LifeLines, Professor Bruce Wolffenbuttel, durchaus im Blick. In 1998 und 1999 untersuchte er in einer vergleichenden Studie, welche Kosten Diabetes Typ 2 in diversen europäischen Staaten verursache. Drei von neun Experten, die den wissenschaftlichen Beirat von LifeLines darstellen, sind auf Diabetes spezialisiert.

Wirtschaftliche Ziele nennt auch ein im Juli 2005 veröffentlichter Report »Biobanken-Signal«. Verfasst wurde das Papier von einem Bündnis namens »Forum Biotechnologie und Genetik«, in dem neben Vertretern aus Universitäten und Ministerien auch Patientenorganisationen vertreten sind. Der Report verheißt, dass die nationale Biobank die Position der niederländischen »Life-Sciences«-Forschung im internationalen Wettbewerb stärken werde; die neue Infrastruktur sei besonders für spezialisierte Biotech-Unternehmen nützlich.

Forscher und Unternehmen sollen für den Zugang zu LifeLines bezahlen; außerdem hoffen die Biobanker auf lukrative Patente, etwa für neu entwickelte diagnostische Tests.

Die niederländische Biobank startet mit öffentlicher Finanzierung, allein in den ersten beiden Jahren werden laut Wolffenbuttel 25 Millionen Euro gebraucht. Nach sechs Jahren soll LifeLines sich dann allein tragen können und nicht mehr auf staatliche Zuschüsse angewiesen sein. Für wirtschaftliche Selbstständigkeit sollen Einnahmen aus mehreren Quellen sorgen: Forscher und Unternehmen sollen für den Zugang zu LifeLines bezahlen; außerdem hoffen die Biobanker auf lukrative Patente, etwa für neu entwickelte diagnostische Tests. Und sie behaupten, sie könnten Unternehmen dabei unterstützen, zügig innovative Medikamente auf den Markt zu bringen.

Sehr fraglich ist allerdings, ob und in welchem Maße die Einwohner der drei Nordprovinzen mit den LifeLines-Machern kooperieren wollen. Und fragwürdig sind auch deren optimistische finanziellen Erwartungen. Dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander liegen können, zeigen Erfahrungen in Estland, das 2001 ein nationales Biobanken-Projekt gestartet hatte. 10.000 Menschen sollen bisher Körperstoffe und Daten zur Verfügung gestellt haben. Die Betreiber der Biobank hatten eigentlich zehnmal so viele Teilnehmer erwartet. Estlands Regierung will nun die Rekrutierung von Probanden kräftig voran bringen und acht Millionen Euro aus Steuergeldern dafür ausgeben.

© Jeroen Breekveldt, 2006
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