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»Erfreulich ist die hohe Zustimmungsrate der Hausärzte, die im Rahmen des Pilotprojekts mit der Biobank in Kontakt gekommen sind. 85 Prozent von ihnen haben Auskunft gegeben über den Gesundheitszustand des Patienten – natürlich nur nach dessen Zustimmung.«

aus dem Bericht »Eine Brücke zwischen Blutspendern und Wissenschaft«, veröffentlicht im September 2006 im Bayerischen Ärzteblatt (Seite 452). Autor des Artikels über die Biobank des Bayerischen Roten Kreuzes ist Tobias Horner von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB).



UTA WAGENMANN, Soziologin, aktiv im Gen-ethischen Netzwerk


»Weltweit einmalige Ressource«

  • Von der »Biobank der Blutspender« wollen ForscherInnen, Unternehmmen und das Bayerische Rote Kreuz profitieren

aus: BIOSKOP Nr. 36, Dezember 2006, Seiten 10+11

Kliniken und Labore versuchen zunehmend, vorhandene Sammlungen von Körperstoffen und persönlichen Daten »der biomedizinischen Forschung« anzudienen. Hinter der gern ins Feld geführten Helfermoral verbergen sich meist handfeste ökonomische Interessen. In einem Gesundheitssystem, das im wesentlichen von betriebswirtschaftlichen Maximen regiert wird, kann das kaum verwundern. Die »Biobank der Blutspender«, gegründet vom Bayerischen Roten Kreuz, ist allerdings ein neuer Höhepunkt in Sachen Altruismusverwertung.

»Spende Blut, rette Leben« heißt der Slogan des Blutspendedienstes (BSD) beim Roten Kreuz. Das deutsche Blutspendewesen baut von jeher auf karitative Selbstlosigkeit. Und in einigen Bundesländern funktioniert das besonders gut. So etwa in Bayern, wo der BSD die Zahl der so genannten aktiven BlutspenderInnen mit etwa 400.000 angibt. Allein im Jahr 2005 spendeten dort rund 255.000 Menschen Blut oder Blutprodukte, und zwar im Schnitt zweimal. Betreut werden sie nicht nur von ein paar hundert fest angestellten, sondern auch von 18.000 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.

Finanzielle Anreize für den freiwilligen Aderlass gibt es nicht, der BSD verteilt lediglich Ehrennadeln und Plaketten an »treue Spender«. Deren altruistische Motivation und die so mögliche, kostengünstige »Gewinnung« von Blut sind Geschäftsgrundlage für den seit vielen Jahren einträglichen Handel mit Blutprodukten. Allerdings, so klagt der BSD in seinem Jahresreport 2005, zahlen »die selbst unter hohem Kostendruck stehenden Kliniken heute deutlich weniger für Blutpräparate (…) als in den Vorjahren«. Da der BSD als gemeinnützige GmbH gesetzlich dazu verpflichtet sei, »effiziente und tragfähige Strukturen zu erhalten«, müsse man »auf die Veränderungen entsprechend reagieren«.

  • Ehrgeizige Prognosen für den »Milliardenmarkt«

Ausfälle von Einnahmen kompensieren soll die im Sommer gegründete »Biobank der Blutspender«. Anders als bei vielen anderen Projekten dieser Art stehen hier nicht genetische Merkmale im Vordergrund, sondern Proteine (Eiweiße) und Stoffwechselprodukte. Sie finden sich im Blutplasma und verändern sich bei Erkrankungen. Mit dem Vergleich von Plasmaproben vor, während und gegebenenfalls nach einer Erkrankung kann nach molekularen Mustern gesucht werden, welche die Krankheit begleiten. Mit Tests auf solche »Biomarker« könnten auch häufige Krankheiten schon vor ihrem Ausbruch vorhergesagt werden – so jedenfalls das Modell. »Da hier der Bedarf an guten und rechtzeitigen Diagnosemethoden besonders groß ist und viele Patienten davon betroffen sind, rechnen Experten langfristig mit einem Milliardenmarkt«, heißt es frohlockend auf biotechnologie.de, einer vom Bundesforschungsministerium initiierten Website.

Die »Biobank der Blutspender« soll nun Material für diese Biomarker-Forschung liefern. Bis Mitte 2007 ist zunächst geplant, Blut von 5.000 kranken und 5.000 gesunden Menschen mit insgesamt rund 100.000 Proben in die Biobank aufzunehmen; im Vordergrund stehen dabei Diabetes, Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Nach einjähriger Arbeitsphase wird entschieden, ob weitere 100.000 gesunde SpenderInnen rekrutiert und kontinuierlich begleitet werden. Dann wären mehr als eine Million Proben verfügbar. Ob sich die angestrebten Zahlen bewahrheiten werden, bleibt allerdings bei neuen Biobankprojekten generell abzuwarten. Erfahrungsgemäß dienen die ehrgeizigen Prognosen vor allem dazu, Aufmerksamkeit zu erheischen.

  • Know how aus der Pharmabranche

Insgesamt liegen laut BSD derzeit rund drei Millionen Blutplasmaproben in einem Kältelager im bayerischen Wiesentheid. Die Proben werden von demografischen und medizinischen Daten begleitet. »Eigentlich war der Blutspendedienst schon immer eine Biobank – man hat sich dies nur nie bewusst gemacht und entsprechend genutzt«, sagt Stephan Rapp, Organisator des BSD-Projektes, im Interview mit dem Newsletter der Bio^M^ AG, einer Service- und Finanzierungsgesellschaft der Biotech-Region München. Besonders wertvoll sei die Probensammlung, weil pro SpenderIn in der Regel mehrere Plasmaproben vorhanden sind. So könnten molekulare Veränderungen verglichen und mit späteren Erkrankungen der SpenderInnen in Beziehung gesetzt werden. »Wir gehen davon aus, dass wir tatsächlich eine weltweit einmalige Ressource für die Forschung haben.«

Rapp muss es wissen. Bevor er 2001 die frisch gegründete Fachabteilung »Neue Geschäftsfelder« des Bayerischen Blutspendedienstes übernahm, war der Initiator der Blutspender-Biobank bei der Münchner Niederlassung des US-Pharmaunternehmens Wyeth beschäftigt. Dort, so erzählt er in der August-Ausgabe des Biotech-Magazins transkript, habe er »konkret an einem Projekt gearbeitet, in dessen Rahmen derartige Proben gebraucht wurden, wir aber nicht wussten, wo diese zu finden sind«. Konsequenterweise soll die »Biobank der Blutspender« nicht nur öffentlichen Forschungseinrichtungen, sondern auch privaten Unternehmen zur Verfügung stehen.

  • Eine echte win-win-Situation?

Über die Höhe des »Nutzungsentgeltes«, das der BSD erheben will, wird allerdings bisher Stillschweigen bewahrt. »Unser Konzept sieht vor, dass niemand daran verdient, aber alle Beteiligten dabei gewinnen«, erklärt Rapp; Einnahmen würden »wieder in das Projekt fließen«. Außerdem, so Rapp, »möchten wir unseren Blutspendern durch die Biobank Gesundheitsleistungen vermitteln«.

Als Beispiel nennt er 10.000 von einem »Projektpartner« kürzlich gespendete Diabetes-Testkits, mit denen BlutspenderInnen unentgeltlich ihr individuelles Erkrankungsrisiko testen durften. Eine echte win-win-Situation – das Image des BSD und seiner »Partner« steigt, die BlutspenderInnen werden zusätzlich motiviert wiederzukommen, und das neue Produkt ist auch gleich unters Volk gebracht. Blutspenden ist eben eine feine Sache.

© Uta Wagenmann, 2006
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