BioSkop unterstützen! Kontakt Über uns


»Unterstützen Sie uns mit einer Blutprobe«


»Die Medizin von morgen wird anders sein:

- Schnelle Diagnosen

- Individuelle Therapien

- Effiziente Vorsorge

Mit einer kleinen Blutprobe und einer halben Stunde Zeit können Sie mithelfen, diese neue Medizin in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen. (…) Sie können uns unterstützen, indem Sie einen Fragebogen ausfüllen und eine Blutprobe abgeben. In dem Fragebogen geht es um Ihre Krankheit bzw. Ihren allgemeinen Gesundheitszustand. Die Blutprobe können Sie sich entweder bei Ihrem behandelnden Arzt abnehmen lassen, oder Sie kommen dafür zu uns ins Universitätsklinikum in Kiel.«

aus einem Faltblatt des Kieler Uniklinikums, das zur Teilnahme am populationsgenetischen Forschungsprojekt »popgen – Gesundheit für Generationen« motivieren soll.



KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Rekrutierung für GenforscherInnen

  • Biobank in Schleswig-Holstein soll Tausende erfassen

aus: BIOSKOP Nr. 26, Juni 2004, Seite 11

»popgen« – diese Abkürzung steht für: »populationsgenetische Rekrutierung von Patienten und Kontrollen zur Analyse komplexer Genotyp-Phänotyp-Zusammenhänge«. Zweck ist es, “genetische Veranlagungen« für weit verbreitete Krankheiten in der Bevölkerung ausfindig zu machen – und eine »bundesweit einmalige Datenbank« für GenforscherInnen aufzubauen.

Rund eine Million Menschen leben im nördlichen Teil Schleswig-Holsteins, den ForscherInnen des Kieler Universitätsklinikums zur popgen-Zone erkoren haben. »Wir beabsichtigen«, so ihre Darstellung, »alle an bestimmten Krankheiten leidenden Menschen im Untersuchungsgebiet zu kontaktieren und um Mitarbeit zu bitten.«

»Mitarbeiten« – das bedeutet, sich mittels dreier Spritzen 30 Milliliter Blut entnehmen zu lassen, das anschließend auf eine »Vielzahl von genetischen Merkmalen« getestet wird; außerdem füllen ProbandInnen einen Erhebungsbogen aus, der nach Herkunft, Krankheiten, Lebensgewohnheiten der »SpenderInnen« fragt; Auskünfte über Familienmitglieder und deren Erkrankungen werden ebenfalls erbeten.

Bei der »Rekrutierung«, die seit Anfang dieses Jahres läuft, helfen Kliniken und niedergelassene ÄrztInnen mit, indem sie bestimmte PatientInnen gezielt auf das popgen-Projekt hinweisen. Gesucht werden Menschen, bei denen eine so genannte »Volkskrankheit« diagnostiziert wurde, etwa Herz-Kreislaufstörungen, Krebs-, Darm-, Haut- und Atemwegserkrankungen. Die Antworten auf die Fragebögen sollen mit den Ergebnissen der Gen-Analysen verknüpft werden.

»Risikoabschätzung für genetische Erkrankungen in der Durchschnittsbevölkerung«

Neben akut Erkrankten benötigen die popgen-MacherInnen auch Versuchspersonen, die als gesund gelten: »Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, müssen die Daten der Patienten mit denen einer Kontrollgruppe verglichen werden.« Dafür baue man eine »populationsrepräsentative Stichprobe« auf. Erfassen soll sie »über 25.000 Menschen«, die mit Hilfe von Einwohnermeldeämtern zufällig ausgewählt und von popgen angeschrieben werden – mit der Bitte, Blut und Daten zu spenden.

Einen persönlichen Nutzen für die Gesundheit der TeilnehmerInnen verspricht nicht einmal das popgen-Werbefaltblatt; vielmehr appelliert es an die Bevölkerung, künftigen Generationen zu »helfen«; Proben und Daten sollen mindestens 20 Jahre aufbewahrt werden. Im Merkblatt zur Einwilligungserklärung heißt es: »Es ist der Zweck der Untersuchung, eine Risikoabschätzung für bestimmte genetische Erkrankungen in der ‘Durchschnittsbevölkerung’ zu erstellen.« Welche politischen Folgen solche Bezifferungen von Risiken haben können, lässt das Aufklärungspapier offen – und welche Forschungsprojekte konkret stattfinden sollen, steht auch nicht drin.

»Es kann sein, dass im Rahmen zukünftiger Forschungsergebnisse Patente entstehen, die auf Erkenntnissen basieren, die aus Ihren Proben gewonnen wurden.«

Wer die Erläuterungen genau liest, wird sich aber merken, dass Proben und Informationen nicht nur vom Kieler Uniklinikum verwendet werden sollen. Auch »wissenschaftliche Kooperationspartner« dürfen die von popgen beschafften Materialien nutzen. Diese Partner werden namentlich aber nicht benannt; gedacht ist wohl vornehmlich an WissenschaftlerInnen, die im Rahmen des von der Bundesregierung geförderten »Nationalen Genomforschungsnetzes« agieren, zu dem auch die Kieler SammlerInnen gehören. In der Sprache der Vernetzten ist popgen schlicht eine »Ressource« – was übrigens auch für eine Sammlung namens KORA gilt, die Daten und DNA von über 3.000 Menschen aus der Region Augsburg als »verfügbare Kontrollgruppen« für klinische Studien vorhält.

Laut Forschungsstaatssekretär Wolf-Michael Catenhusen (SPD) hat Deutschlands Genomnetz binnen drei Jahren 80 Patentanmeldungen, 1.500 wissenschaftliche Publikationen und – in Zusammenarbeit mit der Industrie – 90 Ideen für Produkte hervorgebracht. Kommerzielle Potenziale hat auch das popgen-Merkblatt im Blick: »Es kann sein, dass im Rahmen zukünftiger Forschungsergebnisse Patente entstehen, die auf Erkenntnissen basieren, die aus Ihren Proben gewonnen wurden. Solche Patente sind die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Medikamente. In diesem Fall besteht kein individueller Patentanspruch, basierend auf Ihrem individuellen biologischen oder genetischen Material.«

© Klaus-Peter Görlitzer, 2004
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors