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LINDE PETERS, Biochemikerin mit Homepage zur Gentechnikkritik und ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

»Ein interessanter Lesestoff«

  • Wer in Island vom Börsengang einer werbetüchtigen Biobanken-Firma profitiert hat – und wer nicht

aus: BIOSKOP Nr. 27, September 2004, Seiten 14+15

Die Firma deCODE Genetics hat weltweit Schlagzeilen gemacht, weil sie sich den Zugriff auf die Gesundheitsdaten aller IsländerInnen sichern konnte. Nun ist eine Liste mit Aktieneigentümern des Unternehmens an die Öffentlichkeit gelangt. Der Arzt und Autor Johann Tomasson hat sie inspiziert. Sein Resumee: »Ein interessanter Lesestoff.«

In einem Zeitungsartikel informiert Tomasson akribisch über personelle Verflechtungen und finanzielle Transaktionen. Zum Beispiel Kristjan Erlendsson: Der Arzt, der in leitender Stellung beim Gesundheitsministerium arbeitete, hatte sich unermüdlich für das Gesetz zur »Gesundheitsdatenbank« stark gemacht. Ende 1998 war es dann soweit; das isländische Parlament verabschiedete das gewünschte Paragraphenwerk und bescherte deCODE für zwölf Jahre die exklusiven Zugriffsrechte auf die Krankenakten.

Ganz uneigennützig war Erlendssons Engagement nicht. Bereits im Februar 1998 hatte er 125.000 der neu emittierten deCODE-Aktien erworben, zu einem Vorzugspreis von 0,4 US-Dollar ($). Im September wurde er dann Geschäftsführer bei deCODE. Zum gleichen Kurs sicherte sich der Schizophrenie-Spezialist Hannes Petursson 80.000 Aktien, die er sogleich an die Firma Genus Holding in Luxemburg weiter verkaufte. Der Psychiater Högni Oskarsson ist Sonderberater der deCODE -Firmenleitung. Er bekam 30.000 Anteile für 5,63 $.

  • Im Juli 2000 war es dann so weit, der erste Börsenkurs wurde festgelegt.

Besonders günstig kaufte der Firmenchef Karí Stefansson ein: Zwei Millionen Aktien für insgesamt 2.000 $, macht pro Stück also 0,001 $. Als deren Wert auf 65 $ gepuscht worden war, hielt Stefansson das 40.000fache seines Einsatzes in Händen – in Geldwert 80 Millionen $. Im Frühjahr 2000 verkaufte er rund 100.000 Anteile, das brachte ihm an die sechs Millionen $ ein. Wohl gemerkt: Dies alles geschah, bevor die deCODE -Aktie erstmals an der Börse notiert wurde. Im Juli 2000 war es dann so weit, der erste Börsenkurs wurde festgelegt: Mit 18 $ lag er erheblich unter dem Wert von 65 $, der nach der Neuemission der Aktie zwischenzeitlich erreicht worden war.

Firmenchef, Sonderberater und Geschäftsführer haben risikolos Anteile zu Minimalstpreisen erworben. Auch der erste Börsengang hat deCODE Kapital in die Kasse geschwemmt: 173 Millionen $. Ökonomisch lukrativ war aber vor allem die Zeit vor der offiziellen Notierung bei der Technologiebörse. Die Landwirtschaftsbank, die Landesbank und die Investionsbank kauften in dieser Zeit für 100 Millionen $ Aktien.

Die Dominanz von Karí Stefansson in den Medien, die offensive Politik des Gesundheitsministeriums und die aggressiven Makler der großen Banken verleiteten viele IsländerInnen zum Aktienkauf.

Möglich macht solche Geschäfte der so genannte »Graumarkt«. Zwischen Bekanntgabe des Börsengangs und der ersten Börsennotiz kaufen Großanleger Aktien und verkaufen diese an Kleinanleger. Ohne jede Kontrollinstanz und offen gelegte Unternehmensdaten werden schnelle und enorme Gewinne versprochen, angeheizt durch Medienberichte über viel versprechende Wissenzugewinne und attraktive Beteiligungen an kommenden Börsenstars.

Die isländischen Banken und deCODE nutzen den »Graumarkt«. Die Dominanz von Karí Stefansson in den Medien, die offensive Politik des Gesundheitsministeriums und die aggressiven Makler der großen Banken verleiteten viele IsländerInnen zum Kauf und trieben den Kurs auf bis zu 65 $.

»deCODE wollte Leben retten. Meines ist ruiniert.«

Einer der Käufer ist Hinrik Jonsson. Nach einem Arbeitsunfall gelähmt, investierte er seine Entschädigung im Frühjahr 2000 zum Teil am Graumarkt und zahlte 56 $ pro Aktie. Zwei Jahre später war ihr Wert auf 6 $ gesunken, Jonsson hat über 60.000 $ verloren.

Die Banken rieten nicht nur zum Kauf, sie verliehen sogar zu diesem Zweck Geld. Ein Spekulationsopfer nahm eine Hypothek bei der Nationalbank auf, um dort Anteile zu erwerben, und ein weiteres Darlehn bei der Isländischen Bank, um bei der Landwirtschaftsbank Aktien zu kaufen. Stückpreis: 64 $. Tagsdrauf stoppte die Isländische Bank alle Darlehen, weil das Vertrauen in den Wert der Aktie erschüttert war. Der Kaufvertrag musste dennoch eingehalten werden, obwohl der deCODE -Kurs schon auf 50 $ gesunken war. Als der Preis den Tiefpunkt von 2 $ erreichte, kündigte die Nationalbank die Hypothek und gelangte so in den Besitz des Hauses des Kreditnehmers.

Das Fazit eines Kleinaktionärs, der ungenannt bleiben will, ist bitter: »deCODE wollte Leben retten. Meines ist ruiniert.« Ähnlich erging es vielen unkundigen IsländerInnen. Sie kauften praktisch wertlose Papiere – in der trügerischen Hoffnung auf schnelles Geld, Gesundheitsversprechen und Altersversorgung durch Aktienerträge.

© Erika Feyerabend / Linde Peters, 2004
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