Essen, 5. Dezember 2002
Medienmitteilung von BioSkop
Organspendekommissionen müssen auf den Prüfstand!
Gutachterkommissionen haben hierzulande den gesetzlichen Auftrag, die Freiwilligkeit von »Lebendorganspenden« zu prüfen und Geschäfte mit Nieren und Teilen von Leber, Lunge oder Dünndarm definitiv auszuschließen. Die Arbeit dieser Kommissionen, die gemäß Landesrecht bei den Ärztekammern eingerichtet worden sind, gehört dringend auf den Prüfstand, fordert der Verein BioSkop, der Entwicklungen in der Transplantationsmedizin seit Jahren kritisch beobachtet.
Dass erheblicher Handlungsbedarf besteht, verdeutlichen Vorgänge, wie sie die Wochenzeitung DIE ZEIT in ihrer aktuellen Ausgabe (Nr. 50/5.12.2002) am Beispiel des Universitätsklinikums Essen schildert. In ihrem Dossier »Operation Niere. Organvermittler fädeln Geschäfte ein, die bis nach Deutschland reichen« schreibt DIE ZEIT unter anderem: »Nach der Statistik des israelischen Krankenkassen-Managers Rosenfeld wurden in den vergangenen zwei Jahren sieben gekaufte Nieren in Deutschland transplantiert, alle in Essen.«
»Der Handel mit Organen und die Entnahme und Übertragung gekaufter Körperteile ist in Deutschland gesetzlich verboten«, sagt Roberto Rotondo, Psychologe und BioSkop-Mitarbeiter, »auch wenn Transplanteure, Juristen und Ethiker nächste Woche bei einem Kongress in München finanzielle Anreize für Lebendspenden öffentlich ins Gespräch bringen werden, unter ihnen Cheftransplanteur Prof. Broelsch vom Essener Uniklinikum.« Die Münchner Tagung »droht zum Signal für die Kommerzialisierung der Organspende zu werden«, warnen BioSkop, die entwicklungspolitische Hilfsorganisation medico international und der Arbeitskreis Medizin und Gewissen der Ärzteorganisation IPPNW in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 4.12.2002.
Es ist nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft, zügig zu klären, ob Rosenfelds Aussagen zutreffen, also Mitarbeiter des Essener Uni-Klinikums tatsächlich gekaufte Nieren transplantiert und somit gesetzwidrig gehandelt haben. »Bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen allein darf es aber nicht bleiben«, sagt BioSkop-Sprecherin Erika Feyerabend. »Unter die Lupe genommen werden muss auch die Arbeit der Lebendspendekommission der Ärztekammer Nordrhein. Sollten in ihrem Einflussbereich tatsächlich verkaufte Organe verpflanzt worden sein, wäre sie dafür mitverantwortlich.«
Allerdings agieren Lebendspendekommissionen alles andere als durchsichtig für die Öffentlichkeit. Mündliche Anhörungen von Spendewilligen sind nicht zwingend. Ob Geld oder andere Vergünstigungen im Hintergrund stehen, ist faktisch kaum festzustellen; obendrein ist im Transplantationsgesetz nicht vorgeschrieben, dass die Gremien auch medizinische Aspekte einschließlich der Indikation zur Lebendspende begutachten müssen.
Die strukturellen Mängel sind offensichtlich auch der Bundesärztekammer (BÄK) bekannt. Nach Darstellung der ZEIT hat eine interne Befragung der BÄK ergeben, dass von über 1.000 Anträgen auf Lebendspende nicht einmal ein Dutzend zurückgewiesen worden seien. Besonders merkwürdig: Nicht einmal die Hälfte der 18 Kommissionen hört regelmäßig Spender und Empfänger an. Da drängt sich die Frage auf: Wie will man ausschließen, dass es finanzielle Absprachen zwischen Spender und Empfänger gibt, wenn man nicht einmal mit allen Beteiligten spricht? Auf dieses Problem und die mangelnde Transparenz der Kommissionsarbeit hat BioSkop bereits mehrfach hingewiesen.
»Die Politik muss jetzt endlich handeln. Es muss eingehend untersucht werden, ob Lebendspendekommissionen wirklich mehr sind als reine Alibigremien zur Beruhigung der Öffentlichkeit«, fordert Roberto Rotondo.
Für Ihre Fragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung:
Ihre Ansprechpartnerin
- Erika Feyerabend, BioSkop e.V.
Fon: (0201) 5366706
Noch mehr Informationen
+ Keine Veranlassung zu antworten. Wie die Kommissionen zur »Lebendorganspende« arbeiten und entscheiden, ist weiterhin undurchsichtig (aus: BIOSKOP Nr. 13, März 2001, Seiten 12+13).
++ Hintergrundberichte zu Lebendorganspenden und finanzielle Anreize in der Transplantationsmedizin