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1959 veröffentlichte Günther Anders seine »Thesen zum Atomzeitalter«. Sie stehen auch im Günther-Anders-Lesebuch (Seiten 67-78), herausgegeben von Bernhard Lassahn, das 1984 im Diogenes Verlag erschien.
Fukushima – drei Jahre danach
Am 11. März 2011 begann, ausgelöst durch ein Erdbeben, die Katastrophe im AKW Fukushima. Die Langzeitfolgen sind unabsehbar. Die atomkritische ÄrztInnen-Organisation IPPNW kritisiert »Vertuschen und Verdrängen der offiziellen japanischen Stellen«.
Knapp drei Jahre nach dem Super-GAU wurden Ergebnisse der bisher umfangreichsten epidemiologischen Studie vorgestellt. 269.354 Kinder und Jugendliche aus der Präfektur Fukushima waren zwischen März 2011 und Dezember 2013 in die Schilddrüsen-Reihenuntersuchung einbezogen worden. Bei 33 Kindern wurde Schilddrüsenkrebs diagnostiziert, bei 41 weiteren bestehe ein akuter Verdacht, bilanziert die IPPNW. Die Anzahl der zum Untersuchungszeitpunkt an Krebs Erkrankten liege damit bei 13 pro 100.000 EinwohnerInnen – dies sei mehr als das 30-Fache der »Inzidenz« an Schilddrüsenkarzinomen, die bisher bei Minderjährigen in Japan als »normal« galt.
»Die untersuchenden Ärzte wurden angewiesen, die komplette Untersuchung einschließlich Anamnese, Abtasten und Ultraschall-Untersuchung in nur drei Minuten durchzuführen.«
Dabei sei die Aussagekraft des offiziellen Screenings durchaus mit Vorsicht zu betrachten: »Die untersuchenden Ärzte«, so die IPPNW, »wurden angewiesen, die komplette Untersuchung einschließlich Anamnese, Abtasten und Ultraschall-Untersuchung in nur drei Minuten durchzuführen«, eine ärztliche Zweitmeinung sollte nicht eingeholt werden. Die nächste Screening-Runde soll ab April folgen.
Die IPPNW kritisiert die Beschränkung des offiziellen Gesundheitschecks allein auf die Schilddrüse. Andere ernste Erkrankungen, die radioaktive Belastung ebenfalls verursachen kann, seien so nicht zu ermitteln – etwa Leukämien oder Lymphome. Gesucht werde auch nicht nach möglichen Auswirkungen der atomaren Strahlen auf das Erbgut der AKW-AnwohnerInnen.
Wer aktuelle Entwicklungen in Japan im Blick behalten will, kann den Fukushima-Newsletter der IPPNW gratis abonnieren. Außerdem gibt es auf der IPPNW-Website eine aufschlussreiche Tagungsdokumentation über die Folgen von Atomkatastrophen für Mensch und Natur.
ATOMKRAFT? ABSCHALTEN!
Leben mit der »Frist«
Von Erika Feyerabend
Der Atomunfall im japanischen Fukushima bestätigt, was Günther Anders anlässlich der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki schrieb: Alle Geschichte nach 1945 ist nur mehr eine Frist, »in der wir gerade noch leben«. Die atomare Kriegstechnologie kann das »Zeitenende« bedeuten, prognostizierte der jüdische Philosoph. Seit Harrisburg, Tschernobyl und nun Fukushima ist klar: ihr »zivil« genannter Einsatz hat dieses Potential in den vergangenen dreißig Jahren mehrfach bewiesen. Die Lage ist dramatisch.
Politisch ist der Frage, wie wir leben wollen, eine neu untergeschobene: »Werden wir leben?« In seinen »Thesen zum Atomzeitalter« schrieb Anders: In der heutigen Situation gibt es nicht nur unter anderem Atomwaffen und Kerntechnologie (oder Biotechnologien), sondern politische Handlungen finden innerhalb einer »atomaren Situation« statt. Weiter gefasst: »In dem ‚Technik’ genannten Weltzustand« spielt »sich nun Geschichte ab«.
Unter dem Eindruck der Ölverseuchung im Golf von Mexiko haben wir – fast selbst schon »apokalypseblind« – im September 2010 befürchtet, » ‚dass die atomaren Drohungen (…) von Tag zu Tag als selbstverständlicher akzeptiert werden, sogar als täglich langweiliger gelten’ (Anders). Man gewöhnt sich. Jede/r ist vom Kommen (des atomaren Desasters) überzeugt. Pragmatisch glaubt aber niemand daran. Also plant und lebt man, als würde alles so weiter gehen wie gehabt«.
Begriffe wie »Restrisiko« oder »Brückentechnologie«, die »alternativlos« den »Lebensstil« sichern würden, gehören endgültig unter Quarantäne.
Das gelingt, weil die Ungeheuerlichkeiten und auch die konkreten Verantwortlichkeiten unkenntlich gemacht werden. Begriffe wie »Restrisiko« oder »Brückentechnologie«, die »alternativlos« den »Lebensstil« sichern würden, gehören endgültig unter Quarantäne.
Nun droht die Frist abzulaufen. Um nicht hilflos dem »Weltzustand Technik« zu erliegen, sollten spätestens jetzt die verantwortlichen Akteure in der »atomaren Situation identifiziert werden. Zum Beispiel Konzerne wie RWE und Vattenfall. Sie setzen auf Atomstrom und zentralisierte Stromproduktion – statt auf erneuerbare Energien, statt auf Sparen und regionale Versorgungsnetze. Zum Beispiel die schwarz-gelbe Bundesregierung. Sie hat die Laufzeitverlängerungen nach Gusto der Energiekonzerne abgenickt und auf die Brennelemente-Steuer gesetzt, um die Löcher zu stopfen, die durch die gleichermaßen unkontrollierten Finanzströme gerissen wurden. Zum Beispiel das deutsch-französische Nuklearunternehmen Areva, das ihr Know-how und ihre Technologien in aller Welt verkauft, um beim Bau weiterer Atomkraftwerke zu verdienen.
Diese politischen Kräfteverhältnisse zu ändern, machen sich derzeit viele auf. Das ist gut so. Abschalten – sofort – überall!
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