BioSkop unterstützen! Kontakt Über uns

Gegen Ausgrenzung

»Gegenwärtig sind rund 80.000 Menschen in Deutschland ehrenamtlich im Hospiz- und Palliativbereich tätig bzw. unterstützen diese wichtige Arbeit. Die Hospizbewegung ist auch eine Bürgerbewegung. Die Ehrenamtlichen tragen dazu bei, dass schwerkranke und sterbende Menschen nicht ausgegrenzt werden, sondern Teil der Gesellschaft sind.«

aus der Pressemitteilung »Ehrenamtliches Engagement ist unverzichtbar«, verbreitet am 5. Dezember 2009 von der Berliner Geschäftsstelle des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes. Der DHPV, hervorgegangen aus der 1992 gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz, ist Dachverband von rund 1.000 Hospiz- und Palliativeinrichtungen.



INGE KUNZ, Sozialpädagogin, Vorsitzende der Hospizvereinigung OMEGA – Mit dem Sterben leben

Ehrenamt – keine Dienstleistung

  • Problematische Vereinbarung zur ambulanten Hospizarbeit

aus: BIOSKOP Nr. 49, März 2010, Seite 13

Die Rahmenvereinbarung für die ambulante Sterbebegleitung wird reformiert. Ein Entwurf, ausgehandelt von Krankenkassen und HospizvertreterInnen, ist unterschriftsreif – und problematisch.

Seit acht Jahren finanzieren die Krankenkassen die Personalkosten für die KoordinatorInnen ambulanter Hospizdienste gemäß Paragraph 39a des Sozialgesetzbuches. Einzelheiten der Förderung vereinbart der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen mit den Trägern oder Dachverbänden ambulanter Hospizdienste, beteiligt sind: Arbeiterwohlfahrt, Bundesverband Kinderhospiz, Deutscher Hospiz- und Palliativ Verband, Caritas, Diakonisches Werk, Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband.

Die Rahmenvereinbarung gemäß Â§ 39a Abs. 2 Satz 7 SGB V, die »Inhalt, Qualität und Umfang der ambulanten Hospizarbeit« regelt, soll in diesen Tagen unterschrieben werden. Vereinbart wird nicht nur, welche Qualifikationen geförderte, hauptamtliche KoordinatorInnen haben müssen. Auch von den ehrenamtlich Engagierten wird einiges erwartet. Sie sind nicht mehr allein für das Selbstverständnis der Hospizdienste zentral, von ihnen hängen auch die Zuschüsse der Krankenkassen ab. Um gefördert zu werden, muss ein Hospizdienst mindestens 15 Begleiterinnen schulen und koordinieren. Die Anzahl der Ehrenamtlichen wird mit dem Faktor 2, die Anzahl ihrer geleisteten Sterbebegleitungen demnächst mit dem Faktor 4 multipliziert. Anschließend wird alles zusammengerechnet. Das ergibt eine Punktzahl, die in Euro umgerechnet wird und maßgeblich dafür ist, wie viel Fördergeld die Krankenkassen zahlen müssen.

  • Persönliche Erklärung

Dieses Prinzip gilt schon länger. In der reformierten Version der Rahmenvereinbarung wird nun gefordert, dass »Ehrenamtliche, die in der Hospizarbeit arbeiten möchten, vor Antritt ihrer Tätigkeit einen Befähigungskurs abgeschlossen haben« – und sie sind verpflichtet, dies mit einer persönlichen Erklärung glaubhaft zu machen. Zudem haben die unbezahlten HelferInnen »beim sterbenden Menschen« eine Dokumentation zu führen, die »sachgerecht und kontinuierlich« ist. Darunter verstehen die Kostenträger auch, dass BegleiterInnen angeben müssen, welche Versichertennummer der Schwerstkranke hat und welcher Krankenkasse er angehört.

Man stelle sich vor: Eine Hospizbegleiterin besucht einen Todkranken zu Hause. Zuerst fragt sie seinen Versichertenstatus ab, dann zückt sie den Dokumentationsbogen.

Motiviert sind die Kassen nicht nur von der Idee, mittels formaler Dokumentation Qualität sichern zu wollen, es geht ihnen auch ums Geld. Beim Punktesammeln, Multiplizieren und Addieren zum Berechnen der Förderung werden nur solche Sterbende berücksichtigt, die gesetzlich versichert sind. Begleitungen bei Privatversicherten werden nicht mitgezählt, weil private Krankenkassen sich nicht an der Finanzierung ambulanter Hospizdienste beteiligen.

Man stelle sich die Situation ganz konkret vor: Eine unbezahlte, ehrenamtliche Hospizbegleiterin besucht einen todkranken Menschen zu Hause. Bevor sie mit den Angehörigen oder Freunden spricht, wie sie helfen kann, fragt sie erst einmal den Versichertenstatus ab, notiert die Versichertennummer und zückt auf dem Weg zum Sterbebett den Dokumentationsbogen. Soll sie gleich wieder gehen, falls der besuchte Patient nicht gesetzlich versichert ist?

Freies, ehrenamtliches Engagement sieht anders aus. Es folgt nicht den institutionellen und ökonomischen Logiken bezahlter Arbeit. Es stopft nicht die Löcher sozialstaatlicher Enthaltsamkeit, um das Angebot ambulanter Sterbebegleitung zu verbilligen. Es geht um mitmenschliche Hilfe – nicht um Kontrolle.

  • Kein Anspruch auf Förderung

Aus den spärlichen öffentlichen Mitteln, die den koordinierten Hospizdiensten zugestanden werden, finanzieren sie Fachseminare, Abendveranstaltungen, Kurse, Gruppengespräche. Von den rund 1.500 Hospizdiensten sind aber zwei Drittel gar nicht hauptamtlich koordiniert, weshalb sie gar keinen Anspruch auf diese Förderung haben.

All das sind Gelegenheiten, um über konkrete Sterbebegleitungen zu sprechen; Möglichkeiten, im gesellschaftlichen Raum mit anderen Menschen über Tod und Sterben nachzudenken. Solche Angebote sind weder nachweispflichtig noch standardisiert. Aber sie sind notwendig, und sie werden angenommen.

© Inge Kunz, 2010
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Autorin