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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Nach-Frage nach neuen Ressourcen

  • Reproduktionsmedizinische Behandlungen als medizinische Regelleistung?

aus: BIOSKOP Nr. 41, März 2008, Seite 14

An der Ruhruniversität Bochum (RUB) gibt es ein Institut für Medizinische Ethik. Dessen Leiter Jochen Vollmann wirbt für Patientenverfügungen und Klinische Ethikkomitees, die Ärzten und Angehörigen empfehlen sollen, ob lebensnotwendige Therapien bei schwerkranken Patienten fortgesetzt werden sollen oder nicht _(Siehe BIOSKOP Nr. 35.

Ökonomische Fragen und solche zur Allokation (Ressourcenverteilung) hat Vollmann seit langem im Blick: »Angesichts hoher Krankheitskosten am Lebensende«, schrieb er 2001 in einer Expertise für das Robert-Koch-Institut, »wird insbesondere bei hochbetagten Patienten zu entscheiden sein, ob diese Ressourcen nicht besser in eine gemeindenahe palliative Medizin investiert werden sollen.«

Im April 2006 wurde an Vollmanns Abteilung eine Nachwuchsforschergruppe unter Leitung des Biologen Oliver Rauprich eingerichtet. Ihr langer Titel soll Arbeitsprogramm sein: »Gerechtigkeit in der modernen Medizin. Leistungsansprüche und Kostenerwägungen als Probleme gerechter Allokation öffentlicher Mittel im Gesundheitswesen«. Gefördert mit 737.000 Euro vom Bundesforschungsministerium (BMBF), beschäftigen sich die Nachwuchsethiker fünf Jahre mit einem Projekt, das »Modellcharakter« haben soll. Herauskriegen wollen sie, »ob es ethisch angemessen und geboten erscheint, reproduktionmedizinische Behandlungen als Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bereitzustellen«.

Die Gesellschaft solle die Kosten für die »Behandlung des unerwünschten Kinderwunsches« künftig stärker tragen, dafür sprächen »moralische Überlegungen im Rahmen einer Konzeption vom gelungenen Leben«.

Zurzeit übernehmen die Krankenkassen die Hälfte der Behandlungs- und Arzneikosten von bis zu drei Zyklen einer In-vitro-Fertilisation (IvF = Künstliche Befruchtung). Ob dies gerechtfertigt sei oder mehr oder weniger sein dürfe, erfragen die Bochumer Ethiker derzeit bei handverlesenen Politikern, Medizinern, Juristen, potenziellen Patienten und einer Stichprobe zufällig ausgewählter Bürger. Studienleiter Rauprich selbst ist wohl schon festgelegt: Die Gesellschaft solle die Kosten für die »Behandlung des unerwünschten Kinderwunsches« künftig stärker tragen, dafür sprächen »moralische Überlegungen im Rahmen einer Konzeption vom gelungenen Leben«, erläuterte er im Oktober bei einem Vortrag an der Technikfolgenabschätzungsakademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Der umfangreiche Erhebungsbogen von Rauprich und Kollegen geht aber noch weiter – er stellt auch das Embryonenschutzgesetz suggestiv in Frage. Zum Beispiel so: »Inwieweit stimmen Sie der folgenden Aussage zu: In Deutschland sollte die Durchführung der Embryonenselektion per reproduktionsmedizinischen Behandlungen erlaubt sein.« Abgefragt wird so ein Votum zur Präimplantationsdiagnostik, deren Förderung derzeit auch der »EU-Kommission”:/bioskop-themen/leben-machen-sterben-lassen/embryonenforschung-praeimplantationsdiagnostik/pid-auf-expansionskurs/ am Herzen liegt.

Rabatte für Frauen, die Eizellen für die Forschung »spenden«.

Nach geltender Rechtslage verboten ist hierzulande auch, was Stammzellforscher sehr wünschen: die »Spende« von Eizellen im Zusammenhang mit einer reproduktionsmedizinischen Behandlung. Ob derartige Spenden zugunsten von Wissenschaftlern oder anderen Paaren mit »Kinderwunsch« künftig erlaubt werden sollten, fragen die RUB-Ethiker ebenso ab wie Meinungen zu folgender Aussage: »Paaren sollte ein Preisnachlass bei reproduktionsmedizinischen Behandlungen gewährt werden, wenn die Frau einen Teil ihrer Eizellen für die Forschung spendet.«

Vorbild der Bochumer ist offenbar Großbritannien, wo solche Geschäfte seit Mitte 2006 ausdrücklich erlaubt sind _(Siehe BIOSKOP Nr. 35. Im IVF-Zentrum in Newcastle erhalten Frauen einen 50-prozentigen Rabatt in Höhe von 1.500 britischen Pfund, wenn sie Eizellen, die nicht transferiert wurden, für Stammzell-Experimente zur Verfügung stellen. Bis Anfang 2008 sollen sich 100 Frauen auf den Eizellen-Deal eingelassen haben, meldeten die Stammzellforscher um Professor Alison Murdoch, »erfreut« über diese »ausgezeichnete Resonanz«.

Forschungsministerin Annette Schavan tut allerdings so, als säßen die von ihrem Haus geförderten Bioethiker im wissenschaftlichen Elfenbeintum.

Noch ungewiss ist, wann die Bochumer Nachwuchsforscher die Auswertung ihrer Umfrage bekannt geben; Ziel des Projektes ist es laut Rauprich, »dem öffentlich-politischen Diskurs sowie Entscheidungsträgern eine wissenschaftliche Grundlage anzubieten«. Im Klartext: mit Verweis auf bioethische Expertise schlicht und einfach Meinung zu machen!

Forschungsministerin Annette Schavan tut allerdings so, als säßen die von ihrem Haus geförderten Bioethiker im wissenschaftlichen Elfenbeintum. Es sei schon »starker Tobak«, erzählte die CDU-Politikerin der Katholischen Nachrichtenagentur, bei diesem Projekt einen Zusammenhang zu ihren Aussagen zum Embryonenschutzgesetz herzustellen, welches weder sie noch ihr Ministerium in Frage stellen würden. Tatsache ist: Genau darum geht es – im Interesse der Ressourcenbeschaffung für Stammzellforscher, deren Aktivitäten die herrschende Politik derzeit nach Kräften fördert.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2008
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