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Vorlage vom Juristentag

Eine Übernahme der niederländischen Bestimmungen werde es in Deutschland nicht geben, hat Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) versichert. Trotzdem könnte der Tod bringende Behandlungsabbruch noch in dieser Legislaturperiode im Bundestag zum Thema werden. Die argumentative Vorlage hat der Deutsche Juristentag (DJT) inzwischen geliefert: Im September 2000 empfahl der DJT, so genannte »Patientenverfügungen« gesetzlich abzusichern.

Käme es so weit, würde dies auch ÄrztInnen in Deutschland unter Druck setzen: Sie müssten voraus verfügte Aufträge mit Todesfolge ausführen – etwa, wenn ein Mensch in gesunden Tagen aufgeschrieben hat, dass er nach Eintritt von Demenz oder Koma nicht mehr medizinisch behandelt und ernährt werden wolle.




KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Tötungsaufträge für MedizinerInnen

  • Empörung über niederländisches Euthanasiegesetz, Schweigen zu Ermöglichungen in deutschen Richtlinien

aus: BIOSKOP Nr. 12, Dezember 2000, Seite 15

Als erster Staat der Welt legalisieren die Niederlande Tötungen schwer kranker PatientInnen. Für das neue Euthanasiegesetz, entworfen von Sozialdemokraten und Liberalen, stimmte im November 2000 eine klare Mehrheit in der Zweiten Kammer des Haager Parlaments, auch eine linksgrüne Oppositionspartei sagte »Ja«. Gegen den »Tabubruch« protestierten lautstark ÄrztInnen und PolitikerInnen aus Deutschland. Ein Grund zur Beruhigung?

Künftig werden ÄrztInnen in den Niederlanden tun dürfen, was dort seit rund zehn Jahren schon geduldet wird: Sie sollen PatientInnen per Giftspritze oder – infusion töten dürfen, die dies tatsächlich oder mutmaßlich verlangen. Voraussetzung für die Straffreiheit ist, dass der Euthanasiearzt einen Katalog von 28 Sorgfaltskriterien erfüllt hat, ein weiterer Mediziner konsultiert wurde und eine informierte Einwilligung des Betroffenen dokumentiert worden ist.

Unter anderem muss der zur Euthanasie bereite Arzt angeben, dass der Todeskandidat aufgrund seiner Krankheit unerträglich leide und es keine Aussicht auf Heilung gebe. Unterstellt wird dies auch für Menschen mit beginnender Alzheimer-Erkrankung, sofern sie den Euthanasieauftrag schriftlich erklärt haben.

Nach der Tötung erfolgt die Prüfung der Rechtmäßigkeit.

Kinder und Jugendliche, die als todkrank eingeschätzt werden, dürfen ebenfalls ums Leben gebracht werden. Während bei 12-15-jährigen eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten vorgeschrieben ist, können 16- und 17-jährige ihre Tötung auch ohne elterliche Zustimmung durchsetzen. Nach der Tat erfolgt die Prüfung der Rechtmäßigkeit. Zuständig sind fünf regionale Kommissionen, besetzt mit je einem Juristen, Arzt und Ethiker. Vermuten oder erkennen die drei einen Gesetzesverstoß, können sie den Staatsanwalt einschalten; wer einen Patienten zu Unrecht getötet hat, muss – theoretisch – mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Jahren rechnen.

Bevor das niederländische Euthanasie-Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch die erste Kammer des Parlaments, den Senat, passieren. Die Zustimmung gilt dort als sicher, Anfang 2001 soll es so weit kommen. Die neuen Regeln schafften »Sicherheit für Ärzte und Patienten«, behauptet die linksliberale Gesundheitsministerin Els Borst, die selbst Mitglied der größten niederländischen Euthanasie-Organisation ist. MedizinerInnen, die PatientInnen auf Verlangen töten, dürften nach Borsts Willen »nicht länger wie Kriminelle behandelt werden«.

Der Präsident der Bundesärztekammer erklärte: »Die aktive Hilfe zum Sterben steht in krassem Widerspruch zu den ethischen Prinzipien des Arztberufes.« Eine andere Sprache sprechen die im Herbst 1998 veröffentlichten BÄK-Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung.

Entrüstet kommentierten deutsche ÄrztefunktionärInnen und PolitikerInnen die niederländischen Bestimmungen. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Jörg-Dietrich Hoppe, erklärte: »Die aktive Hilfe zum Sterben steht in krassem Widerspruch zu den ethischen Prinzipien des Arztberufes.« Eine andere Sprache sprechen die im Herbst 1998 veröffentlichten BÄK-Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung. Sie rechtfertigen auch das Verhungernlassen nichteinwilligungsfähiger PatientInnen durch gezielten Abbruch der Sondenernährung.

Voraussetzung für solche Unterlassungen mit Todesfolge soll nach Willen der BÄK die »mutmaßliche Einwilligung« des Bewusstlosen oder eine Genehmigung durch ein Vormundschaftgericht sein; beide Varianten stehen aber in keinem Gesetz. _(Siehe BIOSKOP Nr. 3 + 4 Die BÄK-Regeln unterscheiden sich in Ziel und Ergebnis – Herbeiführung des Todes – nicht von der Giftspritze, welche die Vertreter der ÄrztInnenschaft nach wie vor ablehnen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2000
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