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Literatur:
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Duden, Barbara (1991): Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Hamburg/Zürich: Luchterhand
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Frevert, Ute: »Mann und Weib, und Weib und Mann«. Geschlechter-Differenzen in der Moderne. München: Beck Geyer, Christian (Hg) (2001): Biopolitik. Frankfurt/M.: edition suhrkamp
Görlitzer, Klaus-Peter (2003): Neue Strategie der Gen-Gläubigen. In: BIOSKOP – Zeitschrift zur Beobachtung der Biowissenschaften, 6. Jg. Nr. 21, S. 8-10
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Kruip, Stephan (2002): Redebeitrag während der Anhörung des Deutschen Bundestages zur Präimplantationsdiagnostik vom 31.1.2002, Wortprotokoll
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ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

Verdächtige Frauenkörper – biomächtige Leibbilder

  • Biopolitische Diskurse

Aufsatz erschienen in: Ilse Lenz/Lisa Mense/Charlotte Ullrich (Hg.), Reflexive Körper? Zur Modernisierung von Sexualität und Reproduktion, Reihe Geschlecht und Gesellschaft, Leske+Budrich, Opladen 2004, Seiten 179-202

In regelmäßigen Konjunkturen sind die Errungenschaften moderner Biomedizin öffentliches Thema. Seit Monaten werden Embryonenforschung, genetische Analyseverfahren oder Klonexperimente massenmedial bewundert oder skandalisiert. Expertengremien produzieren laufend Stellungnahmen, die parlamentarische Entscheidungen anleiten sollen. Unüberschaubar geworden sind die Internetangebote und die Beratungsliteratur, die durch das Dickicht der medizinischen Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven führen sollen. Die Frage, warum das ‘Theater um den Körper’ heute so dominiert, kann ich hier nicht umfassend beantworten. Eines aber kann sicher gesagt werden: Moderne Biomedizin ist kein randständiges Thema, das vor allem im Expertenkreis verhandelt wird, sondern ein Zentrum der populären Repräsentation von Wissenschaften.

Im Diskurs um die Möglichkeiten und Grenzen dieser Medizin werden die technowissenschaftlichen Neuheiten der Forschung und ihre kontinuierlich erweiterten Angebote in Form biomedizinischer Dienstleistungen verhandelt, verbreitet und problematisiert. Es ist nicht allein die Intensität, die diese sprachlichen wie visuellen Darstellungen interessant machen. Hier zeichnen sich die Merkmale der Organisation und Praktiken moderner Medizin ab: Ihre politischen und ökonomischen Potentiale, die darauf abzielen den Menschenkörper zum Territorium produktiver Logiken und wirtschaftlichen Handels zu machen; ihr dominierender und normal gewordener Fokus, der nicht mehr allein an Krankheit und Krankheitskontrolle, sondern an Gesundheit, Risikomanagement und permanenter Überwachung ausgerichtet ist. Auch schafft das populäre Wissen um die Verfügbarkeit technowissenschaftlicher Verfahren kollektive wie individuelle Subjektivitäten- und bildet sie gleichzeitig ab.

Biomedizin verspricht heute nicht nur Normalisierung und Disziplinierung. Sie verspricht, den Körper und das Selbst individuell zu modellieren, je nach Präventionsbewusstsein, Risikoeinschätzung und Lebensplan.

Besonders offensichtlich sind die biomedizinischen Orientierungen und technowissenschaftlichen »Identitäten« im Fertilitätssektor. Schon die »Pille« als erstes Pharmaka für Frauen, die gar nicht krank sind, gab den Startschuss für einen heute ausufernden Markt der Lifestyle-Produkte und Dienstleistungen. Ausdifferenziert sind die angesprochenen politischen, ökonomischen und wahrnehmungsformenden Potentiale in den biomedizinischen Regionen, die in diesem Aufsatz angesprochen werden: Die flächendeckenden Schwangerschaftsvorsorgeprogramme verwandeln Frauen nicht nur in behandlungsbedürftige Subjekte, die aus Gründen der Gattungsgestaltung biomedikalisiert werden. Frauen selbst verstehen sich oftmals als »risikobewusst« und nehmen die Überwachungsmöglichkeiten selbstbewusst wahr. Die zahllosen Fertilitätsangebote – von der künstlichen Befruchtung für unfruchtbar geltende Paare, mit integriertem genetischen Analyse-Set für informierte »hoch riskante Paare«, über Schwangerschaften nach der Menopause bis zum zukünftig in Aussicht gestellten genetisch aufgebesserten Nachwuchs – lassen den eigenen Körper als flexibel erscheinen, gestaltbar nach »eigenen« Vorstellungen. Biomedizin verspricht heute nicht nur Normalisierung und Disziplinierung. Sie verspricht, den Körper und das Selbst individuell zu modellieren, je nach Präventionsbewusstsein, Risikoeinschätzung und Lebensplan. Ganz so »frei« wie öffentlich verhandelt, sind die Wünsche nicht. Das Feld ist immer schon bestellt, von interessierten FortpflanzungsexpertInnen dominiert, von profitablen Unternehmen mit Marketingabteilungen vorgeformt, von der Existenz technowissenschaftlicher Innovationen und bevölkerungspolitischen Planungsambitionen durchdrungen.
Im Spannungsfeld zwischen Konsumorientierung und Selbstoptimierung einerseits und den politischen Strategien patriarchaler Fortpflanzungs- und Familienkonzeption andererseits, verläuft die Kontroverse um biomedizinische Fortschrittsprojekte immer dann besonders hitzig, wenn es um Fortpflanzung und den »Embryo« geht. Diese Debatte schwankt zwischen den Polen »Selbstgestaltung/Heilungsversprechen« und »Werteerosion«, die vorzugsweise beim Embryonenschutz diagnostiziert wird. Bei der Suche nach Gewissheiten in dieser hoch mobilisierten, die Körper selbst flexibilisierenden Zeit, haben die Life-sciences eine Monopolstellung. Sie liefern nicht nur das angesprochene Technowissen, um »menschliches Leben« zu machen und umzugestalten, sie sollen auch exakt definieren, was darunter zu verstehen ist. Einigkeit besteht darin, dass es definierbare Gewissheiten gibt, die jenseits von Frauen in den mikroskopischen und molekularen Welten der embryonalen Zellsubstanzen zu finden sind und Ewigkeitswert haben sollen.

Gleichzeitig ist die politische Botschaft: Frauen sollen auch weiterhin im patriarchalen Geschlechterverhältnis gebären und möglichst bedingungslos im Paarmodell für die Reproduktion sorgen – durchaus auch mit modernen Methoden.

Wie denn dieses »Leben« zu definieren ist und wann es beginnt, ist jedoch im Prozess wissenschaftlichen Arbeitens eine Frage von Konventionen, stetig umkämpft, interessenbeladen und neu interpretierbar. In dieser Diskursökonomie versuchen politisch motivierte MoralistInnen das, was an ehernen Gesetzen und Gewissheiten durch Technowissen und neue Subjektivitäten aufgebraucht wurde, mit »alten Werten« aufzufüllen. Der moralisch hochstehende Status des Embryos – unabhängig von seinem Aufenthaltsort – wird beschworen. Ausgerüstet mit den aktuell gültigen und modernwirkenden biowissenschaftlichen Beschreibungen wird der Schutz des »menschlichen Lebens« ohne Wenn und Aber am Embryo zelebriert. Gleichzeitig ist die politische Botschaft: Frauen sollen auch weiterhin im patriarchalen Geschlechterverhältnis gebären und möglichst bedingungslos im Paarmodell für die Reproduktion sorgen – durchaus auch mit modernen Methoden. Die alten Lebensschutz-Ideologien, die zumindest nicht mehr hegemonial waren, werden molekular aufgerüstet und gewinnen im Kontext gesellschaftlicher Kritik an wissenschaftlichen Forschungsprojekten enorm an Boden.
Doch auch der Wert der »Werte« ist umkämpft und ein offenes Feld für biopolitische Ambitionen. Wenn biowissenschaftliche und bioindustrielle Akteure in dieser Kontroverse »Selbstbestimmung«, »reproduktive Freiheiten«, »Hochrisiko-Management« oder produktiven Umgang mit Körpersubstanzen verschiedener Herkunft deklarieren, so ist doch der Körper/Leib der Frau ihr Instrument zur Machterweiterung, ebenso wie bei den wertkonservativen Diskursteilnehmern. Auch die neuen Subjektivitäten und Körper entstehen unter wissenschaftlicher Dominanz und nach patriarchalem Muster.

Auf den folgenden Seiten versuche ich den verschiedenen, sich verschränkenden, zum Teil gegenläufigen, zum Teil sich ergänzenden machtvollen Diskursen und Technologien rund um den Frauenkörper nachzuspüren. Ich interessiere mich für die sozialen Beziehungen und sozialen »Identitäten«, die mit dem biomedizinischen Wissen und Sprechen produziert werden. Das neue Objektiv, durch das wir »Körper« und »Leben« zu sehen lernen, präsentiert diese kulturellen Interpretationen von Körper und Geschlecht als »natürliche Wahrheiten«. Anders als im 19. und frühen 20. Jahrhundert steht die technowissenschaftliche »Natur des Menschen« aber in Labor und Alltag der manipulativen Transformation durch ExpertInnen und KonsumentInnen offen.

1. In den Leib geschrieben

Die Dimensionen der gesellschaftlichen Sorge um Frau und Fortpflanzung sind seit rund zweihundert Jahren enorm. Wie sehr sich die Wissenschaften vom Menschen gerade um den »Sonderfall« Frau kümmerten, zeigen die anthropologischen Bemühungen, die Geschlechterdifferenz zu regulieren und zu naturalisieren. Ebenso intensiv haben sich die Bevölkerungsstatistiker und nachfolgend die Eugeniker mit einem neuen Bevölkerungskörper beschäftigt, der vor allem über das Fortpflanzungsverhalten von Frauen reguliert werden sollte. Die Embryonenforschung schließlich schuf den »Embryo« als wissenschaftliche Tatsache mit weitreichenden Folgen für die gesellschaftliche Wahrnehmung von Frauen.
Die Allzuständigkeit dieser Wissenschaften hat seit dem 18. Jahrhundert das Geschlecht in jeder Faser des weiblichen Körpers geortet. Claudia Honegger macht für das 18. Jahrhundert eine noch im Fluß befindliche kulturelle Debatte über die neue »Ordnung, respektive Unordnung der Geschlechter« (Honnegger 1991:7) aus. Eine herausragende Rolle spielte die Anthropologie und ihre vergleichende Anatomie, im folgenden Jahrhundert dann die Gynäkologie als Sonderwissenschaft vom Weib. Sie vor allem brachten den Körper hervor, der »auf moderne Weise als erzeugungsmächtiger ‘Analogien-Operator’ (Pierre Bourdieu)« fungiert, um »die Geschlechterdifferenz zu regulieren« (Honegger 1991:8). Im Zuge der Emanzipationsbestrebungen der Frauen in Folge der französischen Revolution und der Erklärung der Menschenrechte führten die damaligen philosophischen und philanthropischen Debatten schließlich zur »Codierung der Geschlechter« (Honegger 1991:9) in den leiblichen Innenraum und mittels einer sich »universal« verstehenden Medizin. Historikerinnen wie Ute Frevert untersuchten ebenfalls, wie die Neuordnung der Verhältnisse zwischen Mann und Frau im Übergang zur bürgerlichen Familie und bürgerlichen Liebe in eine als naturbestimmt verstandene Geschlechterhierarchie überführt wurden und im Zuge der Politisierung von Gesundheit, Frauen gegenüber den aufstrebenden Universalexperten ihren Platz in Medizin und Geburtshilfe verloren. (Frevert 1995) Dominierende Sittlichkeitsnormen konzentrierten sich in dieser Epoche in den Bereichen, die die potentielle Gebärfähigkeit der Frauen berührten. (Lorenz 1999) Gelehrte Männer wie Adolphe Quetelet und Peter Süßmilch sammelten Daten aus Sterbe- und Geburtentafeln, errechneten Durchschnitte, warben für koordinierte Erfassungen und machten politische Vorschläge zur Beeinflussung von Bevölkerungsgrößen. Sie schufen eine Theorie, die aus der Bevölkerung eine wahre Tatsache machen sollte. Die daran anschließende Praxis hat in diesen neuen, errechneten »Körper« eingegriffen, hat Bevölkerungsgrößen zu regulieren versucht und eine kollektive Vorstellung geschaffen, Teil eines solchen Körpers zu sein. Sie hat eine staatliche Politik hervorgebracht, die mit den eugenischen Projekten des 19. Jahrhunderts am Frauenkörper als bloßem Ort optimierter Reproduktion und bevölkerungspolitischer Planung ansetzte. Die experimentellen Embryonenforscher und Entwicklungsmechaniker des 19. Jahrhunderts brachten parallel neue Begriffe und Vorstellungen von der Entwicklung des Menschen hervor. Anatomen wie Wilhelm His schufen dreidimensionale Wachsmodelle vom Embryo, an denen sich ganze Forschergenerationen orientierten. Kommerzielle Modell von der Ei-Entwicklung in Hartwachs, Glas oder Holz vermittelten ein statiisches Bild dessen, was unter der ‚Entwicklung des Menschen’ verstanden wurde. Die Embryologie als Visualisierungsprojekt, sie transformierte die Leibensfrucht in eine wissenschaftlich – späterhin auch experimentell – zugängliche Tatsache. (Hopwood 1999) Die Photographien von Lennart Nielsson im Time Magazin der 60er Jahre verwandeln diese wissenschaftliche Tatsache endgültig in eine populäre Ikone. Das Bild vom Ungeborenen bestimmt seitdem schwangere Frauen in ihrem Erleben. Das öffentliche und selbstverständlich gewordene Image von ‚Fötus’ und ‘Embryo’ beförderte seinen Status als Rechtssubjekt, als Objekt der Wissenschaft und als Patient der pränatalen Medizin. (Duden 1991)

Die Debatten heute sind geprägt von den biopolitischen Konzeptionen der Vergangenheit. Weiterhin – und der Mediengesellschaft allgegenwärtig – ist der Frauenkörper Schnittstelle der symbolischen Ordnung der Geschlechter, Tableau sozialer Einschreibungen und wichtigster Austragungsort einer Politik an der Bevölkerung. Dabei ist der Körper nicht nur eine Art Ding, das durch vielfältiges Bemessen und Bewerten kontrolliert und normalisiert werden soll. Die wissenschaftlichen und sozialen Zuschreibungen machen vor dem gespürten Leib nicht halt. Der Durchgriff gelingt bis zum eigenen Willen, Wollen und Spüren. Die Konzeption dieses Körper/Leibes wird mit den technologischen Praktiken und den biowissenschaftlichen Diskursen verändert. Die Konturen dessen, was in den letzten zweihundert Jahren als »natürlich« angesehen wurde, werden neu ausgelotet. Ging es den Embryologen des 20. Jahrhunderts beispielsweise noch um die möglichst plausible Beschreibung einer selbst entworfenen Embryonalentwicklung oder einer möglichst präzisen Beschreibung des Fortpflanzungsgeschehens, so steht heute die technologisch-manipulative Gestaltung dieser Lebensprozesse im Mittelpunkt.

1.1. Recht und Ordnung im Körperinneren

Die Debatten und Praktiken zeitgenössischer Biomedizin, sei es in der BRD, in den Vereinigten Staaten oder im europäischen Ausland, sei es um beispielsweise das Klonen, embryonale Stammzellen und genetische Analysen von Achtzellern in der Petrischale (Präimplantationsdiagnostik genannt), sie kennen nur eine Hauptperson – und das ist der ‘Embryo’. Allein an seinem moralischen (und juristischen) Status entscheide sich, was WissenschaftlerInnen zu tun erlaubt sei. Frauen kommen in der öffentlichen Unterhaltung nur als Konsumentinnen und Nachfragerinnen verschiedenster Dienstleistungen und Techniken vor. Der »Embryo« einschließlich seiner zellbiologischen Vorformen ist eine, von der Frau vollständig unabhängige Figur geworden. Mal Kreatur der ReproduktionsexpertIn, hergestellt im Labor zum Zweck der Fortpflanzung. In einem anderen Forschungszusammenhang wird das Laborprodukt durch fachliche Definitionen zur »embryonalen Substanz«, bloßes Material zum Verbrauch. In jedem dieser Kontexte – und mit den enormen Popularisierungsanstrengungen der Lebenswissenschaften nicht nur dort – wird die Frau zunehmend als ‚fötales oder embryonales Umfeld’ wahrgenommen. Die Trennung von schwangerer Frau und ‚Embryo’ verändert auch die Sicht auf Schwangerschaft. Sie wird zunehmend als »Produktionsprozess« hin zum Kind modelliert, der möglichst expertengestützt optimiert werden muss. Radikal neu und mit weitreichenden sozialen und körperpolitischen Konsequenzen verbunden, ist die Rolle von Frauen als Lieferantin experimentell verwendbarer Substanzen, mit der entsprechenden Deutung von Schwangerschaft als materialproduzierender und ökonomisch verwertbarer »Produktionsprozess«.
In der Bundesrepublik nutzen Lebens- und Embryonenschutz orientierte Kreise die aktuellen wissenschaftlichen Übergriffe und rechtlichen Legitimierungswünsche, um den »Schutz menschlichen Lebens« im § 218 und im Embryonenschutzgesetz (EschG) zu unterstreichen. Besonders radikale Fraktionen meinen gar, dass der Embryo »Grundrechtsträger« sei, ausgestattet mit vollem Lebensschutz und »Menschenwürdegarantie« nach dem Grundgesetz (Geyer 2001). Das hieße konsequent zu Ende gedacht: Gebärzwang für Frauen um des »embryonalen Menschen« willen.
Tatsächlich hat das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsparagraphen 1993 solche Interpretationen provoziert.
Das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe konstatiert eine staatliche Schutzpflicht für das »ungeborene menschliche Leben« vom Zeitpunkt der »Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter«. (EuGRZ 1993: 242) Zwar wollten sich die Richter damals explizit nicht auf medizinische, biologische, philosophische oder theologische Definitionen festlegen. Dass ab diesem Zeitpunkt ein »unabdingbarer« Stufenplan »der Entwicklung eines individuellen Menschseins« beginne, dessen »Lebensrecht … nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet wird«, war dennoch unbestrittene Setzung. (EuGRZ 1993:242) Das Embryonenschutzgesetz markierte 1990 die Schutzzone vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, sowie bei jeder »totipotenten Zelle«, die sich zu einem Individuum entwickeln könnte. Beide Gesetze definieren, von welchem Zeitpunkt an in der Entwicklung eines Embryos welche Manipulationen oder Handlungen ausgeschlossen werden und legt damit zwar den Beginn des Lebensschutzes fest, nicht aber den Zeitpunkt für den Beginn menschlichen Lebens (Hauser-Schäublin u. a. 2000: 32).
Insbesondere die Bundesverfassungsrichter aber boten mit ihrem Urteilsspruch ein freies Feld der lebensschutzorientierten Interpretation. Ab der definierten Schutzzone sei nach ihrer Auffassung ein »Prozeß des Wachsens und Sich-Entfaltens … nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch« im Gange. (EuGRZ 1993:242) Der Urteilsspruch zeigt besonders in diesen Begründungen, dass bevölkerungspolitische Setzungen – die heute auch biowissenschaftlich flankiert werden – in geltende Rechtsnormen hinein dekliniert und interpretiert werden. Bekanntlich ist dieses »menschliche Leben« nicht mit vollem Lebensrecht ausgestattet, denn Abtreibung ist unter definierten Bedingungen straffrei. Das Konstrukt »menschliches Leben« ist entgegen oft geäußerter Meinung – nicht mit dem grundrechtlichen Würdebegriff kompatible. Menschenwürde wird juristisch als unantastbar betrachtet. Eine Abwägung zwischen der Würde der Frau und der des Embryos verbietet sich deshalb. Auch im Embryonenschutzgesetz wird vor allem die zeitliche Zone bestimmt, von der ab ‘Embryo’ oder ‘totipotente Zellen’ vor Manipulationen geschützt werden sollen. Die zur Weltanschauung gewordene Vorstellung, dass »menschliches Leben« oder gar »Mensch« mit der Verschmelzung zweier Genome und der wissenschaftlich definierten – aber auch hart umstrittenen »Totipotenz« der Zelle gleichzusetzen sei, liegt der definierten Schutzzone zugrunde – und aktualisiert sich stetig neu im politischen Streit um die Embryonenforschung.
Es ist gerade die Orientierung auf juristische und moralische Qualitäten von Substanzen und die Subjektivierung des »Embryos«, die den Blick auf die gesellschaftspolitischen Inhalte versperrt. Mit der Konstruktion eines schützwürdigen »menschliches Lebens« wurde die Fristenlösung vermieden, die Abtreibung ohne Indikation und beschränkt auf die 12. Schwangerschaftswoche, wie es die bundesdeutschen Frauenbewegung in den 70er Jahren gefordert hatte. »Selbstbestimmung« wurde damals vor allem als ein Abwehrrecht gegen staatlich organisierte Kontrolle von Frauen diskutiert. Das hat sich grundlegend geändert. Heute scheint für relevante Mehrheiten der moralische Status des »Embryos« bedeutend zu sein und »Selbstbestimmung« wird von vielen als eine Frage von unbeschränkter Konsumentscheidung oder von Informiertheit begriffen. Mit der Indikationsregelung, und das ist entscheidend, konnte die Politik der pränatalen Selektion rechtlich bestätigt werden. Der Schwangerschaftsabbruch ist für zulässig erklärt worden, bei plausibel gemachter »Unzumutbarkeit«, die an den Nachweis von Behinderungen und Erkrankungen geknüpft ist. Die juristische Konstruktion gestaltet die Abtreibung als Problem des »Embryonenschutzes«. Konsequenz: Schwangerschaft ist kein körperlicher und seelischer Prozess, den Frauen eingehen oder nicht eingehen, sondern Frau und »Embryo« werden erneut als getrennt betrachtet und im Interessenkonflikt befindlich. »Menschliches Leben« wird gegebenenfalls gegen die abtreibungswillige Frau vertreten oder, unterstützt von einem flächendeckenden medizinischen Angebot der pränatalen Diagnostik, aus Gründen einer zu garantierenden gesunden Nachkommenschaft vorgeburtlich aussortiert. Obwohl legitimierende Redner für den Forschungsfortschritt und Abtreibungsgegner scheinbar ganz entgegengesetzte Positionen vertreten – nämlich Forschungs- und Diagnosefreiheit am »Embryo« versus Embryonenschutz – sind beide Fraktionen daran beteiligt, Frauen als »Umfeld« für ein »zu schützendes«, zu »wertendes« und neuerdings auch »zu nutzendes Leben« zu behandeln. Schwangerschaft und Geburt, Lebensgeschichte und biographische Entwürfe haben im molekularen und abstrakten »Lebensbegriff« keinen Platz.

Neben den ‘alten’ Auseinandersetzungen um Fortpflanzungskontrolle via Lebensschutzkonzepten oder pränatalen Qualitätsprüfungen, gewinnt eine grundlegend neue Orientierung in der Medizin an Bedeutung, die auch für Frauen Konsequenzen schafft. Statt im Schwerpunkt den maschinellen oder chemischen Ersatz defekter Körperteile und Stoffwechselvorgänge zu verfolgen, wird heute mehr und mehr die »biologische Reparatur« in den Blick genommen. Im Mikrobereich von Körperzellen und Geweben werden Lebensprozesse erforscht und wertschöpfend manipuliert. Nicht die chemisch produzierte Pille, sondern Zellstoffwechsel und Genregulationen oder embryonale Entwicklungsprozesse werden zum Ort therapeutischer Regime – um Stammzellen und Ersatzgewebe oder neue Pharmaka zu produzieren. Damit verbunden werden die Körpersubstanzen Teil wissenschaftlicher und bioindustrieller Produktionsprozesse. Es entsteht ein Substanz-Körper, der eigentumsrechtlich geordnet und ökonomisch bewertet werden kann. Die embryonale Entwicklung gilt im Zeichen der Stammzellforschung als nahezu universell nutzbar. Für Frauen heißt das: Schwangerschaft wird zu einer profitablen Quelle von Substanzen, die für verschiedenste ‘therapeutisch’ genannte Optionen benötigt werden. Diese – aktuell zunächst einmal – Grundlagenforschungen, führen zu neuen Rechtsverhältnissen und sozialen wie individuellen Körperwirklichkeiten, die schwangere Frauen ins Feld der Waren- und Wissensproduktion platzieren.

1.2. Normalität und Ausnahmezustand im Klonfieber

Was mit dem geklonten und früh verstorbenen Schaf »Dolly« 1997 begann, die Sorge um das geklonte Selbst, beunruhigt mehr oder weniger regelmäßig die Öffentlichkeit. Die Debatte liefert Einsichten in Körperwirklichkeiten der Gegenwart. Die vermeintliche Geburt des ersten Klon-Babys zur Weihnachtszeit 2002 belebte den Diskurs erneut. Das Kind heißt Eva. Gedanken an Zeiten paradiesischer Unsterblichkeit legt nicht nur der Name nahe, sondern auch die Firma Clonaid. Sie beansprucht die Fabrikation des Embryos nach höchstem Stand wissenschaftlicher Klontechnik und verspricht Unsterblichkeitsgarantien. Das entspricht ihrer Cooperate Identity: Das Unternehmen wurde 1997 von den Realianern gegründet, in Las Vegas, dem Ort des Glückspiels und des schönen Scheins. Die Verkündung der Sekte lautet: Die Menschheit wurde vor Jahrtausenden von außerirdischen Wesen mittels Klontechnik geschaffen. Die Chefin von Clonaid ist eine ideale Besetzung. Brigitte Boisselier ist Realianerin und Biochemikerin, so personifiziert sie die Fusion von Wissenschaft und religiöser Botschaft. Eine lesbische Niederländerin habe bereits an unbekanntem Ort ein weiteres geklontes Kind geboren, verkündete der Chef der niederländischen Raelianer der Nachrichtenagentur Reuters. Mehr Geburten sollen folgen, in den USA und in Asien. Wahrscheinlich in Korea, denn dort hat Clonaid eine Tochtergesellschaft namens BioFusion Tech Inc. gegründet. Eine neue Runde medialer und gesellschaftlicher Aufregung kann beginnen.
Die Produzentin der neuen Menschenkinder behauptet stolz, das erste Unternehmen zu sein, das Klondienste anbietet – für den stolzen Preis von 200.000 US Dollar. Nach Aussagen von Frau Boisselier gibt es 2.000 Interessierte. Auf der firmeneigenen Homepage werden sterile und homosexuelle Paare beworben, aber auch Einzelpersonen, die aus beliebigen Gründen visionieren sich selbst genetisch zu vervielfältigen (www.clonaid.com). Doch Clonaid hat weit mehr zu bieten. Für Zögerliche gibt es eine Art Versicherung. Unter dem Produktzeichen »Insuraclone« kann man sich für nur 200 US Dollar Stammzellen »an einem sicheren und vertraulichen Ort« in flüssigem Stickstoff aufbewahren lassen, bis das Material für die Vervielfältigung gebraucht wird. Dann gibt es noch Clonapet, das Klonen von geliebten Haustieren, die wie immer zu früh verstarben. Im Angebot ist ein »genetisches Reparaturkit«, das in naher Zukunft Gewebeersatz verspricht – für Diabetes und Alzheimer. Ovulaid ist auch ein sehr schönes Programm. »Wenn sie Eier kaufen oder wenn Sie Eier verkaufen wollen für 5.000 US Dollar – kontaktieren sie bitte unseren Biologen«. Bei Clonaid findet man also auch, was im Raum der rationalen Wissenschaft und Bioindustrie angeboten und versprochen wird.

Selbst bei der weithin diskreditierten »Menschenproduktion« ist Clonaid nicht alleine. Direkte Konkurrenz droht von Severino Antinori. Er selbst zweifelte am Clonaid-Projekt und versprach selbst die sichere Geburt eines geklonten Kindes, das in Belgrad geboren werden soll -und noch immer auf sich warten lässt. Der Mann ist ebenfalls nicht nur im Klonierungssektor aktiv. Antinori verteidigt jedes Reproduktionsangebot als »unbeschränktes Menschenrecht« (Keller 2002) auf biologische Reproduktion. Der aktuelle Medienrummel hat Clonaid in aller Welt bekannt gemacht. Auch schlechte Public Relations dient dem Firmenziel, zahlungskräftige KonsumentInnen für die bizarren und weniger bizarren Dienstleistungen anzulocken.

»Seriöse« Wissenschaftler meldeten sich zu Wort. Alle zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Klonexperiments. Robert Lanza beispielsweise, Klonexperte der Firma Adavenced Cell Technologies. Lanza weiß wovon er spricht. Der Firma ist es nicht gelungen aus selbst geklonten Embryonen auch nur eine entwicklungsfähige Zelllinie zu produzieren. Doch auch mit diesem Misserfolg hat die Firma weltweit im Jahr 2000 Furore gemacht. Was nicht im Mittelpunkt der Debatte stand: Für ihre Experimente hat das Unternehmen Frauen Eizellen abgekauft, Kostenpunkt 5.000 US-Dollar (Kolata 2001).

Angewandte EthikerInnen, Ministerpräsidenten und Abgeordnete fühlen sich zur Kritik berufen. Relevante Mehrheiten im Feld der rationalen Wissenschaft wollen ebenfalls kein geklontes Selbst. Der allerorten demonstrierte Wille zur wissenschaftlichen Selbstbeschränkung und politischen Grenzziehung soll vor allem eines bewirken: Der Stammzellsektor, der mit weiblichen Eizellen und Körperzellen, mit »überzähligen Embryonen«, mit Nabelschnurblut oder Gewebe geborener Menschen forscht, soll nicht vollständig diskreditiert werden. Ein Abkommen der UNO soll das »reproduktive« Klonen international ächten und das vorauseilend »therapeutisch« genannte Klonen weiblicher Eizellen regulieren. Doch selbst mit einer solchen UN-Erklärung werden die Antinoris, Clonaids und ihre ReproduktionskonsumentInnen nicht verschwinden. Sie sind Produkt der wissenschaftlichen Verheißungen auf Gesundheit und unbeschränkte Körper- wie Nachwuchsgestaltung. Das »reproduktive Klonen« ist gerade nicht eine aus der Fassung geratene Technologie-Entwicklung, die durch internationale Verbote gebändigt werden kann. Körpertechnologien wie das Klonen sind Teil einer neuen soziale Form, die von der U.S-amerikanischen Soziologin Adele Clarke als »Biomedical TechnoService Complex,Inc.« bezeichnet wird. (Clarke et.al 2003) Eingepasst in diesen Komplex aus Bio-Kapital und Bio-Wissenschaft imaginieren sich die Subjekte als Gestalter ihrer selbst – in diesem Fall ihrer biologischen Reproduktion.

Ob diese Ereignisse Ausdruck männlicher Schöpfungsphantasien sind, ob sie jemals tatsächlich zur geklonten Existenz als Fortpflanzungsoption führen werden, ist weiterhin offen. Doch weder solche Phantasmen noch die Technik des ‘reproduktiven’ Klonens sind der epochale Umbruch der Gegenwart, sondern die bioindustrielle Inwertsetzung von Lebensprozessen, die derzeit besonders im Stammzell- und Genomsektor erfolgt.

2. Normalitäten im Fortpflanzungssektor

Gesellschaftlich normal, institutionell verankert und alltäglich ist die Nachwuchsgestaltung in der Schwangerenvorsorge. Die Mutterschaftsrichtlinien und das reguläre Angebot an Untersuchungstechniken zielen nicht auf die medizinische Betreuung schwangerer Frauen, sondern sind im Kern ein mehrstufiges Programm der vorgeburtlichen Diagnose, mit dem alle Frauen automatisch konfrontiert werden und das hinausläuft auf genetische und biomedizinische Qualitätsurteile am Ungeborenen. In den Mutterschaftsrichtlinien werden mindestens drei Ultraschall-Untersuchungen für alle Schwangeren empfohlen. Abgesehen davon, dass die Inszenierung des »Fötus« als eigenständiges Subjekt mit dem Ultraschall enormen Aufschwung genommen hat, wird dieses Untersuchungsprogramm vor allem zur vorgeburtlichen Qualitätsbestimmung bzw. -steigerung eingesetzt. Die Bundesärztekammer bezeichnet dieses Angebot als »ungezielte Pränataldiagnostik«. Die ersten beiden Untersuchungen um die 10. und die 20. Schwangerschaftswoche dienen der Suche nach Chromosomenabweichungen wie Trisomie 21, Entwicklungsstörungen und Neuralrohrproblemen. Aus den Bildern sind in der Regel keine Diagnosen, sondern statistische Wahrscheinlichkeiten abzulesen. Ähnliches gilt für biochemische Testverfahren, die aus dem Blut der Schwangeren »Risiken« errechnen. Das Alter der Frau, besonders wenn sie über 35 Jahre ist, ergänzt die Risikologik moderner Gynäkologie. Jede Abweichung von einem Ideal – bildlicher Darstellungen, biochemischer Testergebnisse, vorbildlicher Lebensführung und optimalem Reproduktionsalter – führt tiefer ins Diagnostik-Labyrinth. Rechtsansprüche auf Fruchtwasseruntersuchungen oder ähnliche Verfahren entstehen. Haftungsabsicherungen für die BehandlerInnen werden mittels Einwilligungserklärungen geregelt. Individuelle Verunsicherungen von Frauen werden technologisch beantwortet.
Die Kassen sind mittlerweile knapp geworden. Nicht jedes Diagnoseangebot wird von den Krankenversicherungen bezahlt. Seit einiger Zeit gibt es individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die privat hinzu gekauft werden. Die Normalisierungsangebote reichen vom Gewichtsmanagement und Anti-Aging-Programmen bis zum »Frühscreening im ersten Schwangerschaftsdrittel«. GynäkologInnen, Laborgemeinschaften, Geräte- und Softwarehersteller sowie interessierte Firmen haben die »Fetal Medicine Foundation« Deutschland gegründet. (Kurmann 2002: 13-17) Sie bietet ein Verfahren an, mit dem das »Basis-Risiko«, das Alter der Frau, spezifische Blutwerte und ultraschallgestützte Vermessungen der Nackenfalte des Föten in Computerprogrammen verrechnet werden. Das neue Wahrscheinlichkeitskalkül soll wieder Hinweise auf Normverstöße wie Trisomie 21 liefern. Der privat organisierte Verein baut derzeit eine eigene Anbieterstruktur auf, mit zertifizierten Arztpraxen sowie Laboratorien und projektiert, jede der 800.000 Frauen, die jährlich schwanger werden, mit dieser privat zu zahlenden Dienstleistung zu konfrontieren. Die staatlich sanktionierte Schwangerenvorsorge wird ergänzt von einer privaten Risikoökonomie, die Frauen immer dann begegnet, wenn sie medizinische Betreuung suchen. Bemerkenswert an dieser neuen Risikoökonomie ist die Fusion von Screeningprogramm, das immer im Bevölkerungsmaßstab angelegt ist und dem Konzept der »individueller Gesundheitsleistung«, die ursprünglich als Luxusangebot der Medizin vermarktet wurde und auf einzelne, zahlungswillige ArztbesucherInnen fokussiert ist. Die Privatisierung öffentlicher Gesundheitsangebote scheint nun auch ganze Kollektive, hier die schwangeren Frauen, zur Kasse zu bitten.

Im Kontext solcher privaten wie öffentlich Testangebote, die beim Gesamtkollektiv der Schwangeren Abweichungswahrscheinlichkeiten aufspüren, sind mittlerweile 90% aller betreuten Frauen als »Risikoschwangere« klassifiziert. (Hackelöer 2003) Jede neue Generation von Verfahren der Gewebegewinnung und der genetischen Analyse, jeder strukturelle Ausbau des Vorsorgemarktes erweitert das Wissen über das, was in der Schwangerschaft »schief gehen könnte«. Die »Befürchtungen« nehmen rapide zu und damit das »Risiko« und die Mitmachbereitschaft – bis zum Abbruch der gewollten Schwangerschaft bei nachgewiesenen Qualitätsmängeln des Ungeborenen.

Die Entscheidung zum Abbruch wird im Raum der Anbieter und von vielen Frauen als individuelle Wahl und Zugewinn an Freiheit. Die Perfektionierung der Nachkommenschaft wird gerade nicht zwangsverordnet. Tatsächlich gibt es »Nachfragedruck«. Das »autonome Subjekte«, das frei entscheidet, urteilt und vor allem verantwortet ist eine Fiktion. Der institutionelle Kontext, mit seinen Reihenuntersuchungen, Risikomanagement, Qualitätsurteilen und Rechtsansprüchen, es erzieht die Subjekte, ebenso wie der erweiterte gesellschaftliche Kontext, mit seinen Gesundheitsidealen, Leistungsansprüchen und Reproduktionserwartungen an Frauen. Tatsächlich »wählen« die meisten Frauen bei diagnostizierten Normverstößen den Abbruch. Wenn kritische Stimmen die »Selbstbestimmung der Frau« anrufen, um gegen schlechte Beratung und Aufklärung in den Arztpraxen anzutreten und eine eigenleibliche Erfahrung jenseits der pränatalen Selektion anmahnen, ist das nicht unproblematisch. Wollen und Wünsche individueller Frauen muss weder die eugenischen Gesundheitsvorstellungen und Praktiken ausschließen, noch patriarchalen Logiken zuwider laufen. Die Behauptung eines möglichen, unverfälschten (naturhaften?) Verhältnisses zur Schwangerschaft verkennt die weitverzweigten Machtbeziehungen, die im Empfinden, im Konstrukt »Embryo« und in den gesundheitspolitischen Strukturen aufzufinden sind.

Noch gibt es wenige, vorgeburtlich erkennbare Einschränkungen. Doch die internationalen Genomforschungsprojekte entwerfen immer mehr »Risiko-Nachweise«. Das deutsche Genomforschungsnetz will die genetischen Anteile fast aller »Zivilisationskrankheiten« erforschen. (Görlitzer 2003: 8-10) Eine zentrale Biobank mit möglichst vielen Gewebeproben wird gefordert. In England, Island, China und anderen Staaten beginnt bereits der Aufbau solcher Materiallager, um genetische Wahrscheinlichkeitskalküle auszuweiten. Neben Erkrankungsrisiken für Diabetes, Krebs und Allergien werden auch Fettleibigkeit, also nicht normgerechte Körperformen, Alkoholismus und psychische »Störungen« in den Blick genommen. Die Massendurchsuchung von Frauen als Risikokollektiv kann als Modellprojekt gesehen werden, dem nun weitere folgen. Die Entstehungsgeschichte des genetischen Tests zum Nachweis von einem so genannten »Brustkrebsrisiko« wirft ein weiteres Licht auf die zentrale Bedeutung der Regulierung von Fortpflanzung für die biopolitischen Gesellschaftsentwürfe der Zukunft. Unter anderem in askenasisch-jüdischen Gemeinden in den USA lassen sich Paare seit längerem genetisch testen, um PartnerInnenwahl und Fortpflanzungsentscheidungen zu treffen. In diesen Gruppen ist die Bluterkrankung Thalassämie statistisch gehäuft. Die gesammelten Blutproben wurden später für andere Zwecke genutzt. In diesem Fall, um die genetische Bereitschaft, früher als ein Bevölkerungsdurchschnitt an Brustkrebs zu erkranken, mit den Mitteln der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu kalkulieren (Malone et.al 1998: 922-929). Ein positiver Test führt zu engmaschigen Mammographien; zu präventiven Brustamputationen; zum Hinweis den persönlichen Lebensstil ans genetische Risiko anzupassen, um nicht schuldhaft und wider besseren Wissens zu erkranken; und zu der Frage, ob mit einem solchen Genbestand die Geburt einer Tochter verantwortet werden kann. Die Schwangerenvorsorge hat nicht nur die Wahrscheinlichkeitslogik in den Alltag vieler getragen und den Umgang mit einem hohen, mittleren oder geringen »Risiko« zur Frage persönlicher Verantwortung und Lebensplanung erklärt. Sie wird auch Einsatzgebiet dieser neuen Wissensangebote. Die Frage nach einer »zumutbaren Zukunft« – der eigenen wie der Kinder – wird immer ausufernder und immer entscheidungsabhängiger. Umstellt von wahrnehmbaren »Chancen« auf Gesundheit und Einwilligungserklärungen wird ein Leben mit Einschränkungen abwählbar. Die gesellschaftlich bedingten Probleme im Alltag mit Behinderung und chronischer Krankheit werden vor allem der Frau oder dem Paar angelastet. Damit ist nicht der einfachen Logik »Pränataldiagnostik steigert gesellschaftliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen« das Wort geredet. Ganz prinzipiell bindet eine Zukunft, die allein als individuell entscheidungsabhängig entworfen wird – und eben nicht als offen, überraschungsfähig und sozial gestaltbar – die Verantwortung allein ans Individuum. Wer scheitert hat die Wahl zwischen zwei Optionen falsch getroffen.

2.1. Leben machen

In der kontroversen Debatte um Stammzellen und genetische Analysen in Petrischalen werden die regulären Angebote des Befruchtungssektors wenig hinterfragt. Es gilt als selbstverständlich und problemlos die Möglichkeiten der Fertilisierungstechnologien in Anspruch zu nehmen, wenn der Zweck dem »Leben machen« und nicht der Selektion oder neuen biomedizinischen Produktionszyklen dient. Die Wahrnehmungen sind in diesem Feld seit Jahren von gestaltlosen, mikroskopischen Bildern bestimmt, die die biotechnische Eigenexistenz des »Embryos« und dessen Verwandlung zum Emblem des »Lebens« weiter vertiefen. Statt des zarten Embryos eines Lennart Nilsson dominiert das Bild der Morula, ein kugeliger Zellhaufen, der vollständig neutralisiert, entkörpert und entsexualisiert die populären Wissenschaftsberichte begleitet.
Die technologischen Modifikationen der In-Vitro-Befruchtung erweitern kontinuierlich das Angebot zahlreicher – vor allem privater – Kliniken. Mehr als 100 Teams bieten heute ihre Dienste an – und halten mit ca. 40.000 Behandlungszyklen pro Jahr ihr Unternehmen in Deutschland aufrecht.
Die Nachfrage von Paaren ist im Modell der »Chance« normalisiert. Es gibt »Selbsthilfegruppen für Fragen ungewollter Kinderlosigkeit«, die gemeinsam mit Pharma-Unternehmen und Forschungsgesellschaften für »ein Recht auf Kinder« eintreten. (www.kinderwunsch.de) Einmal mehr zeigt sich hier, wie sehr die Körpertechnologien mit den sozialen Ansprüchen an Selbstgestaltung miteinander korrespondieren. Auf der Folie einer öffentlich behaupteten »natürlichen Befruchtung« und »natürlichem Fortpflanzungsbegehren« von Paaren, werden in den Forschungseinrichtungen nicht nur immer neue Variationen des Fortpflanzungsangebotes entwickelt. Wir sind heute nicht nur mit Vokabeln und Verfahren wie In-Vitro-Befruchtung, ICSI, GIFT, ZIFT oder EIFTkonfrontiert- all das sind neue Variationen, die Wachstum garantieren. Experimente mit unreifen Eiern, Kyrokonservierung und Versuche an Mäusen zur parthenogenetischen Entwicklung von Embryonen verlagern auch die Zeit vor und nach der Befruchtung ins Laboratorium und folgen der Logik einer gänzlichen Neugestaltung, die kein »natürliches« Vorbild mehr kennt. Die Wachstumslogik hat auch eine stetig ausgeweitete Definition von Unfruchtbarkeit erzeugt. Mit diesen Ausweitungen und dem gesellschaftlich normal gewordenen Fertilitätssektor geraten soziale Möglichkeiten und Phantasie ohne eigene Kinder und in bürgerlicher Kleinfamilienkonzeption durchs Leben zu kommen in den Hintergrund. Das »unfruchtbare Paar« ist zum Patient geworden, dem kaum ein Service verweigert werden darf. Bislang sind die »reproduktiven Chancen« hierzulande nur im heterosexuellen Beziehungsmuster zu haben. Aber auch homosexuelle und lesbische Paare sollen partizipieren dürfen, wenn sie sich an die Kleinfamilien- und Paarstruktur halten. Auch in der kritischen Debatte um »Eizellspende«, »Leihmutterschaft« und Selbstreplikation wird das Paar verteidigt. Der ‘freie’ Verkehr von Keimzellen außerhalb von Paar- und Familienstrukturen, gefährde die Zukunft von Kindern, die ihre biologische Herkunft missen müssten. Problematische Biographien, ‘Identitätsverlust’ und gefährdete Familienstrukturen werden prognostiziert. Die gesellschaftsstabilisierende Deckungsgleichheit von sozialen und biologischen Familienverhältnissen wird ins Feld geführt, um die neuen Angebote zurückzuweisen. (Graefe 2001: 23) Gerade diese Argumentationen zementieren das Geschlechterverhältnis. Andere Lebensformen scheinen kaum noch denkbar zu sein. Die Aufgabe der biologischen Reproduktion im bürgerlichen Modellbeziehungen wird erneut betont – und biologisch untermauert. Reproduktionsangebote für das ‚fortpflanzungswillige’ Paar erscheinen fast schon als unproblematisch.
Offensichtlich wird dies bei einem relativ jungen Verfahren namens »ICSI«, d.h. intra-cellular-semen-injection. Anders als bei der In-Vitro-Befruchtung werden Samen und Ei nicht mehr einfach in der Petrischale vermischt, sondern der Same wird unter dem Mikroskop in die Eizelle injiziert. Damit wird die Unfruchtbarkeit des Mannes über das Behandeln einer Frau »therapiert«. Und das bedeutet wie bei der IVF: gesundheitsbelastende Hormonbehandlungen für die Frau, eine Operation unter Narkose, um befruchtungsfähige Eier zu entnehmen und schließlich der Transfer mehrerer, befruchteter Eizellen in die Gebärmutter mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften und einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit tatsächlich ein Kind zu bekommen. Aber: Die biologische Vaterschaft des Ehemanns oder Partners wird als »technische Möglichkeit« angeboten – und ist mittlerweile der Regelfall. (Berg 1999:29)

Die Perspektive der vorgeburtlichen Qualitätskontrolle ist mit den Reproduktionstechniken von Beginn an verbunden. Das neue Angebot der Qualitätssicherung am »Embryo« ist die Präimplantationsdiagnostik, die genetische Analyse einer sechs- bis achtzelligen Embryonalsubstanz im Labor. Innerhalb der Europäischen Union wird das Verfahren zwar noch nicht häufig, aber mit steigender Tendenz angeboten. Weltweit sollen 3.100 PIDs im vergangenen Jahr durchgeführt worden sein. Hierzulande ist das neue Verfahren umstritten. Dort wo es bereits Zentren für Befruchtungsangebote mit integrierter PID gibt, zeigen sich die gleichen Logiken wie in der pränatalen Diagnostik. Mit der PID eröffnet sich eine ganz neue KonsumentInnengruppe für die künstliche Befruchtung: das erblich belastete Paar, dem eine neue Möglichkeit zur »Wahl« gestellt wird, um dennoch die »statistisch erhöhte« Chance auf ein »gesundes« Kind zu ergreifen. In der Regel sind in den Familien schwere Muskelerkrankungen oder die analysierbare Mukoviszidose aufgetreten, eine Stoffwechselstörung, die Lungen und Bronchien betrifft. Die Auswertungen der PID-Praxis in den europäischen Zentren zeigen, dass auch einige Frauen mit einem so genannten Alterssrisiko – d.h. jenseits des 35. Lebensjahres – das Angebot wahrnehmen, um ein Kind mit Trisomie 21 zu verhindern. (Berg 2002: 31) International wird die Methode mittlerweile auch eingesetzt, um die Misserfolgsrate der künstlichen Befruchtung aufzubessern, die mit 80% beziffert wird. Die Gestaltungsansprüche reichen jedoch weiter. In drei europäischen Zentren innerhalb Europas wurden Geschlechtsselektionen durchgeführt, jenseits eugenischer Ambitionen. Knapp 30 Kinder wurden geboren, in der Regel waren sie männlich. (Kollek 2002: 12) Es gibt aber auch gegenläufige Tendenzen: Männliche Embryonen wurden im Labor aussortiert, weil sie als erwachsene Menschen mit einer erhöhten statistischen Wahrscheinlichkeit unfruchtbar geworden wären. (Kollek 2002: 47) Die auf einen genetischen Nenner gebrachten »Krebserkrankungsrisiken« sind vereinzelt Grund für die Inanspruchnahme gewesen. Um unter der Geburt passendes Zellmaterial für ein schon geborenes, krankes Kind aus der Nabelschnur entnehmen zu können, ist die PID ebenfalls durchgeführt worden. Nicht kinderlose oder sich als erblich »belastet« verstehende Paare, sondern auf Heilung hoffende Eltern, werden damit zu NachfragerInnen des neuen Angebotes.

Die Kontroverse um die PID folgt den schon erwähnten Mustern. Die Hormonstimulationen und chirurgischen Eingriffe der Eientnahme, die die betroffenen Frauen in der Regel mehrfach in Kauf nehmen, um ein »risikoarmes« Kind zu bekommen, stehen nicht im Zentrum. Die Aussagekraft der Gendiagnostik an einzelnen Zellen gilt als begrenzt. Deshalb wird zur Kontrolle eine Fruchtwasseruntersuchung während der Schwangerschaft durchgeführt. Die Prozeduren und Risiken einer regelhaft zusätzlich empfohlenen Fruchtwasseruntersuchung, finden kaum Erwähnung. Laut Studie der European Society for Human Reproduction and Embryology wurden vier von 279 Kindern nach einer PID krank geboren und vier Schwangerschaftsabbrüche nach integrierter Pränataldiagnostik durchgeführt. (ESCHRE 2002) Die wirklichen medizinischen Taten verschwinden hinter dem öffentlichen Bild einer klinisch sauberen, fast körperlos wirkenden Lebensproduktion.
Die Aussonderungslogik als soziale Praxis, ist ebenfalls nicht zentrale Sorge. Die PID-Experten behaupten, bei nicht therapierbaren und schweren Erkrankungen lediglich im Einzelfall medizinische Hilfe zu leisten. Doch was ist eine »schwere Erkrankung«? Stephan Kruip von der Mukoviszidose Selbsthilfe, ein Krankheitsbild an dem die Notwendigkeit der PID öffentlich demonstriert wird, meint, Mukoviszidose sei auf keinen Fall eine Indikation. Denn er und andere verstünden sich weder als schwerstgeschädigt noch als nicht therapierbar. Heute wird jeder dritte Patient über 40 Jahre alt. Stephan Kruip: »Als ich beispielsweise 18 Jahre alt war, hatte ich eine statistische Lebenserwartung von nur noch drei Jahren. Heute bin ich 36 und habe noch statistische fünf Jahre vor mir.« _(Kruip 2002: 24.) _
Einen Indikationskatalog werden weder die Bundesärztekammer noch die Fachverbände oder interdisziplinäre Kommissionen aufstellen. Schlussendlich wird es den Wünschen und Wollen einzelner Paare, ihrer Auffassung von »Zumutbarkeit« überlassen sein. Die Vorstellungen von Nachwuchsgestaltung, von Normen, von Bedürfnissen und von Entscheidungsrechten, sie verändern sich mit der puren Möglichkeit die Zukunft so oder so entscheiden zu können. Das ist der Preis dessen, was »reproduktive Freiheit« genannt wird und dabei die sozialen Beziehungen umgestaltet.
Kritische Stimmen befürchten eine eugenische Zukunft, weil das Diagnoseangebot auch die »positive Auswahl« von Embryonen ermögliche. Die PID ist aber nur ein weiterer Schritt, den bioindustriell und biomedizinisch gerüstete Gesellschaften gehen – und kein prinzipieller Einschnitt. Die Gattungsgestaltung am Körper der Frau ist konstitutives Element der gesellschaftlichen Ordnung und der Motor der Gynäkologie. Die PID-Dienstleister sind um »Leistung«, »Qualitätssteigerung« und »Effizienz« bemüht, wenn sie die Notwendigkeit der genetischen Risikominimierung betonen. Klaus Diedrich spricht von der »Eigenauswahl der Embryonen« (Diedrich 2000:34), um gesteigerte Schwangerschaftsraten, reduzierte Mehrlingsgeburten und »gesunde Kinder« zu gewährleisten.

Die Welt des Labors, das haben einige WissenssoziologInnen wie Karin Knorr-Cetina, Bruno Latour und Hans-Jörg Rheinberger gezeigt, hat eigene Regeln. Man probiert herum, mit vorhandenen Werkzeugen und Materialien. Man ist darauf angewiesen ständig Innovationen hervorzubringen. Wissenschaft ist ein »Generator von Überraschungen« (Rheinberger 2001: 9). Institute, ForscherInnenkollektive und Universitäten sind im ständigen Wettlauf um Neuigkeiten und Drittmitteloptionen, um Risikokapital und symbolischen Bedeutungszuwachs. Sind die Eizellen (i.d.R. 12 an der Zahl) und die Embryonen einmal Bestandteil der Laborwelten, dann sind sie zugänglich auch für andere Forschungsfragen – der Suche nach genetisch positiven Auswahlkriterien, der Verwendung in der gerade boomenden Stammzellforschung und den Klonexperimenten. Hier entstehen Begehrlichkeiten, die immer wieder mit den gleichen Versprechen ausgestattet werden: zukünftiges Wissen für die Heilung bislang unheilbarer Krankengruppen, umfassende Nachwuchsgestaltung.

Die zentrale Kontroverse um die Präimplantationsdiagnostik betrifft wieder einmal den Status des »Embryos«. Das Gros der Argumente gegen die PID ist mit molekularem Wissen und mit »Werten« aufgefüllt. Es ist die völlig artifiziell erzeugte Substanz im Laboratorium, die für ethisch-moralische Aufregung sorgt. Im Stadium der Diagnostik seien die Zellen »totipotent« und könnten »menschliches Leben« werden. Dabei ist der »Gegensatz zwischen Repräsentation und Referenz, zwischen Modell und Natur« _(Rheinberger 2001: 119) _im Laborkontext völlig obsolet. Dort gibt es keine Naturdinge. Die Zerstörung der Zellen über die Diagnostik wird im öffentlichen Disput um Erlaubnis- oder Verbotsregeln für die PID von vielen FortschrittsgegnerInnen als »Tötung« bezeichnet. Der staatliche Rechtsschutz für Achtzeller wird gefordert. Die wertkonservative Idee, dass eine befruchtete Eizelle Rechtsschutz verdiene, ist die gängigste Abgrenzungsleitlinie gegen Bioethik-ExpertInnen. Sie verweisen gerne auf die Abtreibung, um für die Abschaffung des uneingeschränkten Lebensrechtes einzutreten – auch bei KomapatientInnen oder Menschen mit geistiger Behinderung. Der australische Bioethiker Peter Singer und der Rechtsphilosoph Norbert Hörster interpretieren Pränatale Diagnostik und Abtreibung als gesellschaftlich akzeptierte Praxis eines abgestuften Lebensrechtes. So sollen auch die Tötungsambitionen bei geborenen Menschen diskutabel werden. Die Parallele gelingt nur, weil eine vorgängige Gleichsetzung von »Mensch« und »Embryo« konstruiert wurde. Die Subjektivierung des »Embryos« wird hier zum Einfallstor, um Schwerstkranken oder Menschen mit Behinderung den Grundrechtsschutz streitig zu machen. In der »Absicht« argumentative Fortschrittshemmnisse zu bieten, wird nicht nur die Abtreibung einmal mehr und flächendeckend als »Tötung« zur Sprache gebracht. Die paradoxe Folge: Bodengewinn für Bioethiker, die ein abgestuftes Lebensrecht fordern. Wie setzen sich die eugenischen Selektionsutopien durch? Welche ökonomischen Interessen treibt die Embryonenforschung an? Wie kann die historische Genese des Begriffs »Leben« und »Embryo« beschrieben werden? Wie werden soziale Beziehungen angesichts von PID und anderen Selektionsverfahren umgestaltet? Diese Fragen wären geeignet, die an »anthropologischen Konstanten« und »Wesenheiten« orientierte bipolare Diskursstruktur zu verlassen. Die Debatten über den Menschen müssen politische sein. Vielleicht käme dann wieder zu Bewusstsein, was Joseph Vogl anlässlich der Debatte um die »Arbeitsversion« des menschlichen Genoms schrieb:
»Hinter dem Bildüberschuss von Kollektivsingular und Gattungswesen tritt nur eine Möglichkeit hervor, in der über ein menschliches Leben der Vielen und über die Vielheit der menschlichen Leben noch nichts entschieden ist.« (Vogl 2000)

2.2. Materialerzeugende Sicht auf Schwangerschaft

Im Fahrwasser dieser substanzorientierten Redeweise und der boomenden Stammzellforschung konnten sich private wie staatliche Nabelschnurbanken etablieren. Die Firma vita34 bietet die Einlagerung von Nabelschnurblut als eine »biologische Lebensversicherung« an (Dürr u.a. 2000: 5). Mit ihren Gewebedepots setzt das Unternehmen auf Zukunft und auf Marktmechanismen. Für mehrere tausend Euro kann das leicht unter der Geburt zu beschaffende Blut eingelagert werden. Perspektivisch sollen die Stammzellen im Nabelschnurblut für Gewebeproduktionen verwandt werden. Profitieren sollen in unbekannter Zukunft PatientInnen mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson und Multiple Sklerose oder mit Stoffwechselstörung wie Diabetes. Derzeit kann der »wertvolle Abfall«, so der Leiter der Düsseldorfer Bank, nur sehr eingeschränkt »therapeutisch« eingesetzt werden. Nicht die eigenen Kinder, sondern nicht verwandte PatientInnen, werden im Falle einer Leukämie, bei der alle anderen chemotherapeutischen und radiologischen Therapieversuche versagten, mit Stammzellen aus Nabelschnurblut behandelt. Doch das Geschäft mit der Zukunft gelingt den engagierten Biofirmen schon im Heute. Die »nicht-kommerziellen« Banken an Universitätskliniken lagern das Nabelschnurblut unentgeltlich ein. Die seltene klinische Anwendung in der Leukämiebehandlung ist für sie dennoch einträglich. Den öffentlichen Zentren kostet die Einlagerung rund 600 Euro. Wird das Präparat eingesetzt, können rund 15.000 Euro in Rechnung gestellt werden. Doch 30-60 Prozent der Proben werden gar nicht für die Transplantationen verwandt. Was geschieht damit? Werden die Proben vernichtet? Verkauft? Zu Forschungszwecken genutzt?
Die öffentliche Nabelschnurblutbank in Freiburg ist mit der Firma Metreon Bioproducts liiert ein Tochterunternehmen des Pharmamultis Schering und der Biofirma CellGenix. Investitionsgebiet: Stammzellforschung. Die größte europäische Nabelschnursammlung lagert in Düsseldorf und wird von Peter Wernet geleitet. Der Professor ist Gründer des Start-up Unternehmens Kourion Therapeutics AG. Kourion hat Kooperationsverträge mit verschiedenen Firmen abgeschlossen und hält eigene Patente zur Stammzellforschung mit Nabelschnurblut. Die forschungspolitische Strategie der rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, Universitätseinrichtungen zu Firmengründungen und Patentanmeldungen zu bewegen und das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Forschung völlig umzugestalten, hat sich für Kourion ausgezahlt. Sie partizipieren an einem Weltmarkt für Zell-Therapien, der von ihnen auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzt wird und bekommen auch noch öffentliche Fördermittel in Höhe von 4,8 Millionen Euro. Von Patenten und Profiten ist nicht die Rede, wenn Frauen über Medien, Internet und Geburtsvorbereitungskurse zur Nabelschnurspende gebeten werden. Die Freiburger Blutbank appelliert an die Nächstenliebe: »Sie können Leben schenken – noch einem Kind« (von Bock 2003: 6-7). Die Fehlschläge der Stammzellforschung gehen im Nebel der Heilungsversprechen unter. Die unausweichliche Orientierung hin zu einer »materialerzeugende Sicht« auf Schwangerschaft bleibt unberücksichtigt.

2.3. Neue Produktionsverhältnisse

Die Forschungen an embryonalen Stammzellen findet ihre Materialbasis entweder in so genannten »überzählige Embryonen« oder Eizellen aus einer IVF oder abgetriebene Föten aus der Gynäkologie. Eine weitere Variante ist das »therapeutische Klonen«, die Fusion von Eizellen mit beispielsweise Hautzellkernen, um exklusiv und immunologisch verträgliches Gewebe für potentielle EmpfängerInnen herzustellen. Alle Verfahren sind ohne den etablierten Befruchtungssektor nicht denkbar. Besonders umstritten ist das »therapeutische Klonen«, wegen der Nähe zum »reproduktiven Klonen« und weil das Verfahren einen sehr hohen Verbrauch von weiblicher Eizellen erfordert. Die Zielperspektive ist die Produktion von Zellen für Transplantationstherapien und Medikamentenentwicklung. Man hofft u.a. blutbildende Zellen, Herzmuskelzellen, neuronale Zellen, insulin-produzierende Zellen herstellen zu können. Nach den ersten Veröffentlichungen US-amerikanischer Wissenschaftler, die sich der »surplus-Embryonen« und früh abgetriebenen Föten bedienten, boomte die Börse, die Aktien der beteiligten Firma schnellten in die Höhe. Im Lichte der Medienaufmerksamkeit melden sich immer mehr Stammzellen-Forscher zu Wort. Medien und Wissenschaft haben eine neue Realität geschaffen: Embryonen sind Material für Transplantationsexperimente und Frauen sind Ort der Produktion solcher Substanzen, die dann auch noch eigentumsrechtlich geschützt werden können.
Ein regelrechter Markt der Heilungsversprechen, der wissenschaftlichen Wissenszugewinne und der Körperstoff-Produktion ist im Entstehen begriffen. Universitäten wie Edinburgh und das Roslin Institute, das 1996 mit dem geklonten Schaf Dolly und seinem Schöpfer Ian Wilmuth Karriere machte, werden vom Staat und der Europäischen Union finanziert. Das Institut fusionierte mit der Geron Corperation, die mit den ersten isolierten Stammzelllinien berühmt geworden sind.
Alle beteiligten Wissenschaftler halten Patente, die explizit geklonte, humane Embryonen bis zu einem frühen Entwicklungsstadium, oder menschliche Stammzell-Zellinien und Tiere betreffen, sofern sie mit den firmen- oder institutseigenen Verfahren hergestellt wurden. Diese Strategie verfolgen auch deutsche Forscher wie Oliver Brüstel, der mit geschickten politischen Schachzügen eine parlamentarische Entscheidung für ein Stammzellgesetz provozierte, die den Import solcher Zellsubstanzen erlaubt. Sein Patent betrifft die Herstellung und »therapeutische Nutzung« neuraler Vorläuferzellen und verschafft ihm ein Monopol auf den gesamten Stammzell-Sektor, sollten die »Therapieangebote« zukünftig einmal als medizinisch glaubwürdig gelten. (Ärztezeitung 27.2.2003)

2.4. Juristische Normalisierungsversuche

Die bevölkerungspolitischen Perspektiven sind über Abtreibungsparagraphen und Embryonenschutzregeln in juristische Normen gegossen, die immer wieder modifiziert werden. Das zeigt die Debatte um die Präimplantationsdiagnostik und ein projektiertes Fortpflanzungsmedizingesetz. Mit den bioindustriellen Perspektiven der Stammzellforschung als »bandwaggon« einer neuen Medizinepoche werden Eier, Samen, embryonale Substanzen ins Feld der Warenproduktion überführt und juristisch neu verhandelt. Die internationalen Patentregeln regulieren bereits das Neuland des Wissens und machen, wenn auch gesellschaftlich umstritten, bearbeitete und analysierte Substanzen eigentumsfähig. Der Entwurf einer Richtlinie der europäischen Kommission zur Qualitäts- und Sicherheitsstandards für den Umgang mit Gewebe und Zellen ist ein juristischer Normalisierungsversuch, der die bioindustrielle Massenproduktion der Zukunft einkalkuliert (Europäische Kommission 2002). Der Bedarf an Sperma, Eiern, Stammzellen, Nabelschnurblut, fötalem Gewebe aber auch Knochen und Knochenmark, Nerven- und Hirnzellen, Hornhaut, Haut, Muskeln, Muskelgewebe, Venen und Arterien wächst weltweit exponentiell, sagt die EU-Kommission in ihrem Entwurf. Im- und Export von Gewebestücken und Zellen für Transplantationen gehören zum Alltagsgeschäft der medizinischen Forschung. Das so genannte Tissue engineering, das die Produktion von Geweben aus Stammzellen unterschiedlichster Herkunft möglich machen soll, wird diesen grenzüberschreitenden Verkehr ebenso ankurbeln wie der wachsende Sektor der Fortpflanzungsmedizin. Staatliche und private Gewebebanken, Universitätskliniken und Biotech-Unternehmen beschaffen, bearbeiten, lagern und verteilen die »wertvollen« Substanzen bislang nach nationalstaatlichen Regeln oder einfach nach eigenem Gutdünken. Mit dem Instrument des europäischen Rechts sollen nun Arbeitsprozesse, Ausbildungsniveaus und institutionelle Zuständigkeiten sowie die Frage ökonomischer Verwertungen harmonisiert und verbindlich werden. Das Papier lässt keinen Zweifel daran, dass die Zirkulation von Körperstoffen gefördert und die bereits etablierten ökonomischen Strukturen und biomedizinischen Praktiken rechtlich abgesichert werden sollen. Das gilt zum Beispiel für die Benutzung von Keimzellen, fötalen Geweben und embryonalen Stammzellen. Wo ihr Gebrauch und Vertrieb durch nationale Regelungen erlaubt ist, sollen lediglich die technischen und logistischen Regeln der neuen Richtlinie greifen. Eine europäische Einigung, embryonale Zellen im Grundsatz nicht zur Ware zu machen, ist im vorliegenden Entwurf nicht zu finden. Die »anonyme, unbezahlte Spende« als »Akt der freiwilligen Solidarität« wird bevorzugt. Auf die Tatsache, dass »Keimzellen« in Europa auch direkt vermarktet werden, reagiert die EU-Kommission mit einem Appell: Das »ethische Prinzip« der unentgeltlichen Spende »sollte bekräftigt« werden. Die nationalen Spielräume bleiben auch für die Direktvermarktung offen. Die großen Privat-Laboratorien, die beispielsweise Nabelschnurblut vermarkten, sollen mit den Weihen des Rechts aktiv werden, wenn die Deckung eines reklamierten öffentlichen Bedarfs dies erfordern sollte. Die beteiligten Akteure können sich auf verlässliche Qualitätsstandards und Verteilungsregeln beziehen. Das fördert die Marktentwicklung. »Nur gleiche Basisanforderungen in jedem Land können den EU-Markt für alle Anbieter öffnen und der Industrie erlauben zu wachsen. Folglich ist die vorgeschlagene Richtlinie ein Schritt nach vorn, um ähnlich gute Bedingungen innerhalb der Europäischen Union zu etablieren wie sie auf dem US-Markt schon existieren« schwärmt F.Lampeter, Geschäftsführer der Leipziger vita34 AG während einer öffentlichen Anhörung des EU-Parlaments zur besagten Richtlinie. (Feyerabend 2003: 12) Kommt es in den Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und den Gesundheitsministerien der EU-Staaten zur Einigung, dann sind die Mitgliedsstaaten anschließend verpflichtet, die EU-Vorgabe in nationales Recht umzusetzen.

Biopolitische Mythen

Die forschungspolitischen Entscheidungen, »Embryonen«, »Eizellen« und andere Körperbestandteile als zirkulations-, eigentumsfähige Sache zu behandeln, werden seit Jahren gefällt. Forschungsministerien und Deutsche Forschungsgemeinschaft halten Drittmittel bereit, formen Kompetenznetzwerke für die Stammzellforschung. Das Ausbreitungspotential der »Stammzelle«, ob embryonal, »therapeutisch« geklont, aus Nabelschnurblut oder geborenen Menschen gewonnen – ist über Disziplinen- und Nationengrenzen hinweg zum Forschungsattraktor erster Güte geworden: in der Hirn- und Krebsforschung; bei der Suche nach angeborenen Abweichungen; in der Gen»therapie« genannten genetische Manipulation am Menschen oder in der Medikamentenentwicklung. Die Forschungslandschaft verengt sich auf Moleküle und Stammzelle. Die mythischen Versprechen und Hoffnungen auf ein Mehr an Gesundheit und »Leben« sichern und dynamisieren den Markt. Der französische Literaturwissenschaftler Roland Barthes schrieb in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts über die Mythen des Alltags: »Der Zweck der Mythen ist, die Welt unbeweglich zu machen. Die Mythen müssen eine universale Ökonomie suggerieren und mimen, eine Ökonomie, die ein für allemal die Hierarchie des Besitzes festgelegt hat.« _(Barthes 1964: 147) _Die Heilungs- Wissens- und Lebensmythen der Gegenwart und die universale Ökonomie des 21. Jahrhunderts legen die Hierarchie des Besitzes in einem neuen Gebiet fest. Sie betrifft den Menschenkörper und verwandelt ihn in ein Ensemble ökonomisch verwertbarer Stoffe. Die Bevölkerung des 19. und 20.Jahrhunderts, jener »multiple Körper mit vielen Köpfen« (Foucault 1993: 63) wird zum ökonomisch verwertbaren Substanzkörper. Im Dienste des »Lebens« ist der Frauenkörper nicht mehr nur verdächtiger und kontrollbedürftiger Austragungsort der Gattungsgestaltung, sondern auch Produktionsstätte oder Rohstoff für bioindustrielle Märkte, verrechtlichte Zone und Projektionsfläche für neue, biomächtige Leibbilder.

© Erika Feyerabend, 2004
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LITERATUR

  • Barthes, Roland (1964): Mythen des Alltags. Frankfurt/M.: edition suhrkamp
  • Berg, Giselind (1999): Die Entwicklung der In-vitro-Fertilisation und ihrer Modifikationen. In: Gen-ethisches Netzwerk/Gabriele Pichlhofer
  • Görlitzer, Klaus-Peter (2003): Neue Strategie der Gen-Gläubigen. In: BIOSKOP – Zeitschrift zur Beobachtung der Biowissenschaften, 6. Jg. Nr. 21, S. 8-10
  • Gräfe, Stefanie (2001): Leben nutzen, Leben schützen? Probleme und Chancen kritischer Argumentationen zur Biomedizin. In: Forum Wissenschaft, 18.Jg, Nr.4 Oktober 2001
  • Hackelöer, B.-Joachim (2003): Status quo der pränatalen Diagnostik in Deutschland. In: Vorstandstbroschüre der Fetal Medicine Foundation (www.fmf.org)
  • Honegger, Claudia (1991): Die Ordnung der Geschlechter. Frankfurt/New York: Campus Verlag
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