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ROBERTO ROTONDO, Psychologe und Krankenpfleger

Keine Veranlassung zu antworten

  • Wie die Kommissionen zur »Lebendorganspende« arbeiten und entscheiden, ist weiterhin undurchsichtig

aus: BIOSKOP Nr. 13, März 2001, Seiten 12+13

Bevor sich ein Gesunder eine Niere oder Teile von Leber, Lunge oder Dünndarm entnehmen lässt, um sie auf einen schwer Kranken übertragen zu lassen, müssen laut Transplantationsgesetz zwei Voraussetzungen zweifelsfrei erfüllt sein: Die Entnahme des Organs muss freiwillig erfolgen, und der Geber darf dafür kein Geld kassieren. Dass bei dieser so genannten »Lebendspende« alles mit rechten Dingen zugeht, sollen Kommissionen gewährleisten. Wie sie ihre Aufgabe erfüllen, wollen sie im einzelnen aber nicht verraten.

Das Transplantationsgesetz (TPG) hatte alle Bundesländer verpflichtet, bis spätestens Dezember 1999 Gutachter-Kommissionen zur »Lebendspende« einzurichten. Im Januar 2000 fragte BioSkop e.V. bei den zuständigen Ministerien und Landesärztekammern nach, wie die Kommissionen die Freiwilligkeit der »Lebendspende« in der Praxis überprüfen und Geschäftemacherei mit Körperteilen definitiv ausschließen können. Einige Ärztekammern schrieben uns seinerzeit zurück – ohne dabei konkret zu antworten _(Siehe BIOSKOP Nr. 9.

Einen zweiten Versuch starteten wir im November 2000. Unter anderem wollten wir von den Ärztekammern erfahren, wie oft die Kommissionen Gespräche mit potenziellen »SpenderInnen« und potenziellen »EmpfängerInnen« geführt haben und wie häufig »Lebendspenden« genehmigt oder abgelehnt wurden. Außerdem interessierten uns die diagnostischen Methoden, mittels derer die Kommissionsmitglieder die Freiwilligkeit der »Organspende« prüfen. Und Aufklärung erbaten wir auch zur Frage, wie die Kommissionen die »besondere persönliche Verbundenheit« des »Spenders« zum Empfänger ermitteln und interpretieren. Denn laut TPG ist die Entnahme von Organen bei einer lebenden Person nur dann erlaubt, wenn eine verwandtschaftliche oder »besondere persönliche Verbundenheit« zum Empfänger »offenkundig« ist.

Von über zwanzig angeschriebenen Landes- und Bezirksärztekammern haben bis März 2001 nur fünf geantwortet!

Die Resonanz ist leider erneut dürftig: Von über zwanzig angeschriebenen Landes- und Bezirksärztekammern haben bis März 2001 nur fünf geantwortet! Ärztekammer Nordrhein und Bayerische Ärztekammer vertrösteten uns auf künftige Veröffentlichungen in ihren Verbandszeitschriften. Bremens Ärztekammer gab zu, »dass wir uns nicht im Stande sehen, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten«. Die Gutachterkommission Lebendspende der Ärztekammer Schleswig-Holstein versicherte im besten Juristendeutsch, sie sei »aufgrund der überschaubaren Gegebenheiten in Schleswig-Holstein und aufgrund der von den Transplantationszentren vorzulegenden Unterlagen in der Lage, Stellung dazu zu nehmen, ob tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung in die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens nach § 17 Transplantationsgesetz ist«. Wie dieser Anspruch praktisch eingelöst wird, stand allerdings nicht im Brief. Das Erfordernis der »persönlichen Verbundenheit« zwischen »Spender« und »Empfänger«, so die Ärztekammer aus dem hohen Norden, habe man noch nicht diskutiert.

Sind die »Lebendspende«-Kommissionen womöglich nicht mehr als reine Alibigremien zur Beruhigung der Öffentlichkeit?

Wir hatten den Eindruck, dass diese vage Mitteilung eher nicht dafür spreche, dass Gespräche vor den »Lebendorganspenden« stattgefunden haben. Wir wollten es genau wissen und fragten noch mal nach. Man beschied uns dann mit der Auskunft, die schleswig-holsteinische Kommission Lebendspende sei »übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Veranlassung gesehen werden kann, Ihre detaillierten Fragen zu beantworten«. Ähnlich zugeknöpft reagierte die Ärztekammer Berlin: Sie sah »keine Veranlassung für eine ausführliche Stellungnahme«. Und gar keine Antwort kam von der Bundesärztekammer (BÄK). Die verbreitete Geheimniskrämerei gibt Anlass zu Spekulationen: Sind die »Lebendspende«-Kommissionen womöglich nicht mehr als reine Alibigremien zur Beruhigung der Öffentlichkeit?

Ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit der Kommissionsarbeit ist sicherlich, ob die GutachterInnen sich persönlich mit »SpenderInnen« und »EmpfängerInnen« auseinandersetzen. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen schreiben in ihren Ausführungsgesetzen zum TPG ausdrücklich vor, dass die »Organspender« durch die Kommission angehört werden müssen. Dagegen eröffnen Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Hamburg nur die Möglichkeit, dass die GutachterInnen mit »SpenderInnen«, »EmpfängerInnen« sowie Zeugen oder Sachverständigen reden können; verpflichtet sind sie dazu nicht.

Wie sollen die GutachterInnen seriös entscheiden, wenn sie nicht einmal mit den Beteiligten sprechen?

Da drängen sich Fragen geradezu auf: Wie sollen die GutachterInnen denn in der Lage sein, seriös zu entscheiden, wenn sie die zur Organentnahme bereite Person nicht mal persönlich zu Gesicht bekommen? Mit welchen Methoden will man eindeutig ausschließen, dass vor der geplanten Transplantation finanzielle Absprachen zwischen »Spender« und »Empfänger« getroffen wurden, wenn man nicht einmal mit den Beteiligten spricht? Und wie will man »Freiwilligkeit« feststellen können, wenn man die spendewillige Person gar nicht erst anhört?

Problematisch ist auch eine weitere Lücke in TPG und Landesgesetzen. Sie sehen nämlich nicht vor, dass die Kommissionen medizinische Aspekte oder die Indikationen zur »Lebendspende« überprüfen müssen. Wie notwendig eine unabhängige und routinemäßige Kontrolle der medizinischen Indikation wäre, zeigt aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. August 1999. Deutschlands höchste RichterInnen nahmen damals die Klage eines Patienten, der auf eine »Spenderniere« wartet, nicht zur Entscheidung an, weil sie die Einschätzung des behandelnden Arztes, der Patient »befinde sich in konkreter Lebensgefahr«, nicht plausibel fanden. Diese ärztliche Fehleinschätzung ist sicher kein Einzelfall.

© Roberto Rotondo, 2001
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Lebendorganspende

Keine Veranlassung zu antworten

Von ROBERTO ROTONDO
(März 2001) Kommissionen sollen gewährleisten, dass bei dieser so genannten »Lebendspende« alles mit rechten Dingen zugeht. Wie sie ihre Aufgabe erfüllen, wollen sie im einzelnen aber nicht verraten.

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