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ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

Hauptsache offen halten

  • Empörung über Forschung mit Embryo-Stammzellen, Zustimmung zur Züchtung von Ersatzorganen

aus: BIOSKOP Nr. 11, September 2000, Seite 15

Eine britische Expertengruppe, eingesetzt von der Blair-Regierung, billigt Experimente mit Embryonen unterschiedlicher Herkunft, um Grundlagenforschung mit Stammzellen in Laboratorien abzusichern. Deutsche ExpertInnen kommentieren, tragen Bedenken vor, fordern öffentliche Debatten. Derweil hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft angekündigt, embryonale Stammzellen aus den USA zu importieren.

Zwischen August 1991 und März 1998 sind in Großbritannien 48.000 Embryonen eingefroren worden, die keine weitere Verwendung in der künstlichen Befruchtung (IVF) fanden. Im gleichen Zeitraum wurden 118 Embryonen eigens für die Forschung erzeugt. So steht es im »Donaldson-Bericht« jener britischen Expertengruppe, die »potentielle Entwicklungen in der Stammzellforschung und beim Zellkern-Transfer« in politische Empfehlungen verwandelt hat – vorgeblich zum »Nutzen der menschlichen Gesundheit«. Neu ist ihre Empfehlung, im Einzelfall auch Klonieren durch Zellkerntransfer zu erlauben. Zellkerne aus Gewebe geborener Individuen sollen, in Eizellen eingebaut, frühe Embryonen als Stammzellreservoire fabrizieren.

Stammzellen erhalte man von »überzählig« genannten IVF-Embryonen, von abgetriebenen Föten, aus dem Blut der Nabelschnur, aus dem Gewebe Erwachsener.

Die Methode ist in Großbritannien zu Hause: Ian Wilmut schuf so – nach über 200 gescheiterten Versuchen – das berühmt gewordene Klon-Schaf Dolly. In der Beschaffung der Humanzellkerne sieht der Bericht kein Problem: Stammzellen erhalte man von »überzählig« genannten IVF-Embryonen, von abgetriebenen Föten, aus dem Blut der Nabelschnur, aus dem Gewebe Erwachsener. Alle Türen werden offen gehalten. Ob das Ziel erreichbar ist, transplantierbares Gewebe für Kranke zu produzieren, hält die Expertengruppe zwar für fraglich. Doch die Logik der Chance motiviert ExpertInnen und Politik – im internationalen Stammzell-Wettbewerb will man der Erste sein! Und die britische Startposition ist günstig. Das »Material« (die Embryonen), die Methode (Wilmuts Zellkerntransfer), spezialisierte Institutionen (das Roslin-Institut, Firmen und Labors) sind in Europa nur auf der Insel vorhanden.

Auf die britischen Ankündigungen haben deutsche PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen bisher verhalten reagiert. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) warnt vor »Hauruckentscheidungen« in puncto Verbot wie auch Erlaubnis. Die Vorsitzende der Medizinethik-Enquete des Bundestages, die SPD-Politikerin Margot von Renesse, wendet sich gegen »voreilige Verteufelung«, während der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe Klonierungsexperimente kategorisch ablehnt. Aber allgemein akzeptiert scheint das Ziel, Endlos-Ersatz von Gewebe oder gar Organen zu züchten.

Die Strategie der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Das passt gut zur Strategie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Ihr Präsident Ernst-Ludwig Winnacker warnte bereits 1999 vor einer »allzu raschen Fixierung« auf Klon-Experimente für die Stammzellproduktion. Der Forschungsprozess solle »offen gehalten werden für die Suche und Identifikation von jeweils alternativen Möglichkeiten und Wegen«. Mit dem DFG-Schwerpunktprogramm 1109 »Embryonale und gewebespezifische Stammzellen« wurde dies zur Leitlinie. Geforscht werden soll »überwiegend (in 24 Projekten) mit alternativen Zellsystemen«; das 25. Projekt soll Stammzellen aus einer Zelllinie nutzen, die James Thomson von der Universität Wisconsin 1998 aus frühen IVF-Embryonen beschafft hat. Den Import macht ein juristischer Kniff möglich: Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet nur die forschende Herstellung, nicht aber den Import solcher Zelllinien.

Man könnte nun – wie Christdemokrat Hüppe – vermuten, die DFG wolle mit ihrem Programm Fakten schaffen, um auch hierzulande bald mit Embryonen und Zellkern-Transfer zu hantieren. Das bestreitet die DFG, und vielleicht verfolgt sie wirklich eine andere Strategie. Im internationalen Wettlauf setzen viele ForscherInnen auf eine gesellschaftlich weniger umstrittene Methode: die so genannte »Reprogrammierung adulter Zellen« aus Gewebe Erwachsener. Die adulte Variante finden die britischen Experten zwar »weitgehend hypothetisch«, trotzdem gilt sie DFG und deutschen PolitikerInnen als Hoffnungsträger. So können sie, mit Verweis auf »alternative« Produktionsmöglichkeiten (und Gewinnchancen), das bis vor kurzem gänzlich verfemte Forschungsfeld weitgehend offen halten.

© Erika Feyerabend, 2000
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