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> Dossier von Martina Keller, veröffentlicht in der ZEIT

»Operation Niere«


Begrenzte Möglichkeiten

»Eine spendewillige Person kann nur dann eine rechtsgültige Entscheidung für seine freiwillige Organspende treffen, wenn sie über die Risiken aufgeklärt ist und sie auch verstanden hat. Es gehört daher zu den Standardfragen der Kommission, wie die akuten und späten Risiken einer Organspende von den Betreffenden eingeschätzt werden. Es bleibt jedoch die persönliche Entscheidung einer Spenderin oder eines Spenders, wenn sie erklären, die Risiken nicht genau hören zu wollen. (…)

Bezüglich tatsächlicher Anhaltspunkte verbotenen Handeltreibens stieß die Kommission an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Diese vom Gesetzgeber gewollte Überprüfung im Laufe eines Gespräches mit den Betroffenen kann sich nur auf gezielte Fragen beschränken, deren wahre Beantwortung nicht überprüft werden kann.«

aus dem Artikel »Lebend-Organspende in NRW«, der Einblick in die Beratungen der Kommission Transplantationsmedizin bei der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) geben soll. Der Bericht erschien in Nr. 5/2001 (Seiten 10-14) des Rheinischen Ärzteblattes, Autoren sind die ÄkNo-Mitarbeiter Günter Hopf und Robert D. Schäfer


KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Gekaufte Nieren transplantiert?

  • Dringende Fragen an die Gutachterkommission zur »Lebendorganspende« bei der Ärztekammer Nordrhein

aus: BIOSKOP Nr. 21, März 2003, Seite 15

Gutachterkommissionen haben hierzulande den gesetzlichen Auftrag, die Freiwilligkeit von »Lebendorganspenden« zu prüfen und Geschäfte mit Nieren und Leberteilen zu verhindern. Wo liegen die Grenzen ihrer Prüfmöglichkeiten?

Enthüllungen, die schockieren: »Für ein paar Dollar«, titelte DIE ZEIT am 5. Dezember 2002, »verkaufen moldawische Arbeiter ihre Niere an reiche Patienten aus dem Westen.« Reporterin Martina Keller schildert minutiös Strukturen, Opfer und Profiteure des internationalen Organhandels, der in Deutschland ebenso verboten ist wie das Verpflanzen gekaufter Körperteile. Das Dossier zitiert auch eine Aussage, die alle, die das Transplantationsgesetz (TPG) ernst nehmen, alarmieren müsste: »Nach der Statistik des israelischen Krankenkassen-Managers Rosenfeld«, schreibt Keller, »wurden in den vergangenen zwei Jahren sieben gekaufte Nieren in Deutschland transplantiert, alle in Essen.«

  • Konzertiertes Schweigen

In Schweigen hüllen sich diejenigen, die regelmäßig betonen, wie streng und vorbildlich doch das TPG sei. Ob PolitikerInnen, Ärztekammern oder Organspendelobby – alle haben sie es bisher auffällig vermieden, öffentlich ein Wort zu den in der ZEIT ausgebreiteten Recherchen im allgemeinen und zu Rosenfelds Aussagen im besonderen zu sprechen, geschweige denn eigene Nachforschungen anzukündigen.

Einzig das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium zeigt erkennbar ein gewisses Interesse an dem Fall. Es hat, freilich ohne großes Aufsehen, die Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) Mitte Dezember gebeten, »über die Angelegenheit zu berichten«. Das liegt nahe, denn die ÄkNo hat den gesetzlichen Auftrag, die Geschäfte der »Kommission Transplantationsmedizin« zu führen. Dieses ehrenamtliche Gremium, dem der Düsseldorfer Richter Jörg Belker vorsitzt, muss vor jeder »Lebendorganspende« ein Gespräch mit dem Gebewilligen führen und dabei prüfen, ob er sich Niere oder Leberstück auch wirklich ohne Druck und ohne Entgelt herausoperieren lassen will.

Im Prinzip sind drei Varianten denkbar:

- Variante 1: Der von der ZEIT zitierte Krankenkassen- Manager Rosenfeld hat die »gekauften Nieren« schlichtweg erfunden.

- Variante 2: Die fraglichen Organe wurden tatsächlich verpflanzt; aber die beteiligten SpenderInnen und EmpfängerInnen wurden der Kommission gar nicht vorgestellt.

- Variante 3: Die Kommission hat die Fälle zwar geprüft, dabei finanzielle Motive aber übersehen, was angesichts ihrer begrenzten Möglichkeiten nicht ausgeschlossen ist.

Zu klären, welche Variante zutrifft, müsste im Interesse auch der Transplantationslobby sein. Einen ersten, wesentlichen Schritt könnten ÄkNo und Kommission tun, indem sie öffentlich Fragen beantworten, die sich hier aufdrängen: Wie viele israelische OrganempfängerInnen sind der Kommission vorgestellt geworden? Woher kamen eigentlich die jeweiligen »SpenderInnen«? Zu welchen Einschätzungen in Sachen Freiwilligkeit und Anreize ist die Kommission nach den Beratungsgesprächen gekommen?

  • Ernst gemeint?

Der Kommissionsvorsitzende Belker verweist an die ÄkNo, und die reagiert auf journalistische Nachfragen bisher ziemlich wortkarg. »Pauschal kann von einem Anteil fremdsprachiger Personen bei ca. einem Fünftel bis einem Drittel aller Beratungsgespräche ausgegangen werden«, schreibt der Geschäftsführer der Kommission, Günter Hopf. Und fügt allen Ernstes hinzu: »Listen über die Wohnsitze einzelner spendewilliger Personen liegen der Kommission nicht vor.« Bei einer solchen Geschäftsführung stoßen Recherchen an Grenzen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2003
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