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»Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern«

f&w – dieses Kürzel steht für das Wirtschaftsmagazin führen und wirtschaften im Krankenhaus, das sich laut Eigenwerbung als »die meistgelesene Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus« darstellt. Zielgruppe sind Klinikträger, GeschäftsführerInnen sowie ärztliche Direktoren und Pflegeleitungen.

»Marketing« ist eines der Themen, über die f&w kontinuerlich schreibt. In Ausgabe 3/2007 erschien ein Artikel mit der Überschrift »Das Krankenhaus muss sich als Marke positionieren«. Zum Einstieg erklärt der Verfasser namens Dr. S. Kim, warum Marken im Kliniksektor so wichtig sein sollen: »Eine gut geführte Krankenhausmarke übernimmt wichtige Funktionen. Sie ist Orientierungshilfe im Gesundheitsmarkt und ein Qualitätssignal. Sie dient der Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern. Eine klare Marke reduziert Entscheidungsunsicherheiten und schafft Vertrauen auf Seiten der Patienten, Einweiser und Mitarbeiter. Selbst die Zufriedenheit mit den Leistungen der Klinik vermag sie zu steigern.«




ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

Markenprodukt Krankenhaus

  • Um PatientInnen für sich einzunehmen, setzen KlinikmanagerInnen zunehmend auf Werbemethoden

aus: BIOSKOP Nr. 53, März 2011, Seite 7

Krankenhäuser werden laufend privatisiert, und Übernahmen durch große Klinikkonzerne erregen gelegentlich Aufsehen. Doch die Logiken aus der Welt der Warenproduktionen breiten sich mittlerweile auch in öffentlichen und freigemeinnützigen Häusern aus. Im Wettbewerb um PatientInnen werden Krankenhäuser zur »Marke«.

In sachlichen Grautönen präsentiert sich das freigemeinnützige Alfried-Krupp-Krankenhaus im Internet. Die dezent gehaltene Botschaft: »Traditionsbewusst und gleichzeitig fortschrittsorientiert«. In den gleichen Farbtönen haben die Agentur Building Brands und das Architekturbüro woernerundpartner zwei Musterzimmer entworfen.

  • Mehrkosten für »Markenkonformität«

In einem Container, platziert hinter den Toren der Essener Klinik, fand im Dezember ein Probeliegen statt. Berthold Beitz, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums und Mitglieder der Klinikgeschäftsführung testeten persönlich das Musterzimmer für gesetzlich Versicherte sowie die Prämium-Variante, die PrivatpatientInnen vorbehalten sein wird. Farben, Bodenbeläge und Mobiliar, Vasen, Geschirr und Besteck, alles aus einem Guss.

»Die ganzheitliche Raumsprache« lege eine »Marke« fest, erläutert die hauseigene Zeitschrift der Klinik, die Eigentum der gemeinnützigen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ist. Der Umbau des Bettenhauses wird schätzungsweise 31 Millionen Euro teuer, die Mehrkosten für die »Markenkonformität« sollen 3 Millionen Euro betragen. Als »Entschädigung« für mögliche Unannehmlichkeiten während des Umbaus sollen PatientInnen ein Lesezeichen aus Kruppmetall erhalten.

  • Vorbild Coca Cola?

Das Krupp-Krankenhaus ist kein Einzelfall. An welchen Vorbildern sich so mancher Manager orientiert, war vor einiger Zeit in der Ärztezeitung lesen: »Niedergelassene und Kliniker können gleichermaßen neidisch auf sie blicken: Google, Microsoft und Coca Cola. Die drei haben es geschafft: Sie stehen an der Spitze des Markenwert-Rankings und sind somit die teuersten Marken der Welt.« Ganz so einfach wie Coca Cola wird es Klinikchefs sicher nicht fallen, ihr Unternehmen positiv zu besetzen. Schließlich geht es dort auch und eher um die unangenehmen Seiten des Lebens, um Krankheit, Schmerzen und Tod.

Roland Trill, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule Flensburg und Autor der Studie »Markenbildung in der Gesundheitswirtschaft«, hält die Berliner Charité und das Hamburger Universitätsklinikum für markenfähig. Dort sei das »Image zum Synonym für positive Eindrücke wie Vertrauen, hohe Qualität oder eine bestimmte Leistung« geworden. Die Martini-Klinik auf dem Hamburger Unigelände gilt Trill als gutes Beispiel: Wer den Namen höre, müsste sofort an das Krankheitsbild Prostata-Karzinom denken. 70 Prozent der dort behandelten PatientInnen kämen aus ganz Deutschland.

  • »Patientenkunden und Healthstyle-Konsumenten«

Der Professor hat den wachsenden Gesundheitsmarkt im Blick. Die Klinik wandele sich von einer Anstalt zur »Symptombekämpfungsmedizin« in ein Unternehmen mit Gesundheitsvorsorge, vielfältigen Wahlleistungen und alternativen Behandlungsformen für »Patientenkunden und gesundheitsbewusste Healthstyle-Konsumenten«. Besonders in diesem Segment gelten Architektur, Logos, Hotelleistungen und Kundenfreundlichkeit als viel versprechend im Wettbewerb um PatientInnen. Aber auch bei den notwendigen Krankenbehandlungen herrscht Konkurrenz. Mit der eigenen »Marke« sollen besonders die einweisenden ÄrztInnen von der Qualität des Hauses überzeugt werden.

  • Premium-Zimmer und Klinikflur

Das Credo der MarkenmacherInnen: Die Unternehmensidentität muss vor allen an die MitarbeiterInnen transportiert werden. Die zeigen sich zum Teil noch sperrig und mögen den Begriff »Marke« nicht. »Daher nennen wir es lieber Profil«, erklärte der Ärztliche Direktor des Hamburger Uniklinikums der Ärztezeitung. Die Beschäftigten spüren die marken- und marktförmigen Veränderungen schmerzlich. Ob privat, öffentlich oder gemeinnützig: Reinigungsdienste, Küche, Serviceleistungen aller Art – Vieles wird heute von LeiharbeiterInnen zu Niedrigstlöhnen erledigt, und die Pflege zergliedert in Billigjobs und hochqualifizierte Arbeiten. Und die PatientInnen?

Vor kurzem berichtete die Tageszeitung WAZ, Flurbetten seien im Kruppschen Krankenhaus keineswegs nur ein Winterphänomen. Soll sagen: PatientInnen liegen auf den Klinikfluren. Das sind sicher nicht diejenigen, die später im markenkonformen Premium-Zimmer untergebracht werden sollen.

© Erika Feyerabend, 2011
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