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Mammografiescreening

Kennzahlen und Ungewissheiten

Auffällige Befunde

Als größte wissenschaftlich-onkologische Fachorganisation hierzulande präsentiert sich die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) im Internet. Die DKG-Homepage informiert auch über auffällige Befunde, die bei einer Tastuntersuchung oder Röntgenaufnahme der Brust auftreten können. »In den meisten Fällen«, so die DKG, »kann nach einigen Zusatzuntersuchungen Entwarnung gegeben werden, weil die Veränderungen gutartig sind.« Als Tumor bezeichnen ÄrztInnen laut DKG jeden Knoten – »unabhängig davon, ob seine Zellen gut- oder bösartig sind«. Verbreitet seien Lipome (gutartige Fettgeschwülste) flüssigkeitsgefüllte Zysten und Fibroadenome – »gutartige Knoten aus Drüsen- und Bindegewebe«, wie die DKG erläutert.

Bei Mammografien entdecken RöntgenärztInnen häufig so genannten Mikrokalk. »Eine solche Diagnose klingt zunächst bedrohlich, doch nur in 20 Prozent der Fälle weisen die Kalkeinlagerungen tatsächlich auf ein Karzinom hin.« Erfahrene Radiologen sind nach Darstellung der DKG in der Lage, anhand der Anordnung und Größe der Kalkpartikel zu beurteilen, ob die Veränderungen gut- oder bösartig sind.

»Mitunter«, so die DKG, »muss aber doch eine Biopsie durchgeführt werden, um ganz sicherzugehen.« Die DKG betont, dass ihr Internetportal »Orientierungshilfe« biete, aber »die individuelle Beurteilung und Empfehlung des Arztes nicht ersetzen kann und auch nicht soll«.




Untersuchungen ohne Ende

  • Erfahrungsbericht zur Brustkrebs-»Früherkennung«

aus: BIOSKOP Nr. 45, März 2009, Seiten 6+7

Es beginnt harmlos, nur eine Vorsorgeuntersuchung. Frau nimmt das Angebot wahr, ohne zu überblicken, worauf sie sich einlässt. Ergibt sich dabei einmal Auffälliges, nimmt die Achterbahn Fahrt auf, ein Ausstieg ist dann nicht mehr vorgesehen. Unsere Autorin schildert, was sie im Rahmen der Brustkrebs-»Früherkennung« mit MedizinerInnen in Hamburg erlebte. Ihren Namen will die Anfang-40-Jährige lieber nicht in der Zeitung lesen – die _BIOSKOP_-Redaktion hat dafür viel Verständnis.

Am Anfang stand das »hohe familiäre Risiko«. Das liege vor, meinte meine Frauenärztin, weil meine Mutter an Brustkrebs erkrankt sei. Meine Mutter war damals bereits 75 Jahre alt gewesen, weitere Frauen aus meiner Familie sind bislang nicht betroffen. Trotzdem gibt es offenbar Krankenkassen, die in einem solchen Fall auch bei Frauen unter 50 Jahren die Kosten für die Röntgenuntersuchung der Brust (Mammografie) übernehmen.

Ich ließ mich darauf ein. Das Ergebnis war – anders als erhofft – nicht unauffällig. Mikrokalk lautete die Diagnose; die Entnahme einer Gewebeprobe – eine so genannte Stanzbiopsie – oder weitere Mammografien wurden empfohlen. Ich holte eine Zweitmeinung ein und entschied mich für die Kontrolle durch weitere Mammografien. Bei der ersten nach sechs Monaten sah der Mikrokalk auf dem Röntgenbild unverändert aus. Trotzdem gab es keine Entwarnung.

»Wie alt sind Sie? Wäre doch schade um Sie.« Der Satz klang mir noch im Ohr, als ich nach dem Praxisbesuch wieder zurück ins Büro fuhr.

Vor der nächsten Mammografie in anderthalb Jahren sollte ich vorsichtshalber bei einem Spezialisten für Brust-Ultraschall eine weitere bildgebende Untersuchung machen lassen. Der Spezialist diagnostizierte einen »suspekten« Tumor (BI-RADS Kategorie 4); zwecks Abklärung empfahl er eine Stanzbiopsie. »Wie alt sind Sie? Wäre doch schade um Sie.« Der Satz klang mir noch im Ohr, als ich nach dem Praxisbesuch wieder zurück auf die Arbeit ins Büro fuhr. Seitdem war ich beunruhigt.

Ich ließ mich zu einer Ultraschall-Spezialistin in eine Hamburger Klinik schicken, die noch einmal untersuchen und gegebenenfalls stanzen sollte. Dieses Mal kam eine Freundin zu meiner Unterstützung mit. Noch während ich, halb entblößt, auf der Untersuchungsliege lag, eröffnete mir die Ärztin ohne weitere Vorwarnung, ich hätte »zu 99 Prozent Brustkrebs«. Als ich nachfragte, wie sie darauf komme, entgegnete sie, sie habe schon zig solcher Bilder gesehen, mache den ganzen Tag nichts anderes und habe neulich auch eine Patientin in meinem Alter gehabt, die ihre Krebsdiagnose nicht habe wahr haben wollen, aber hinterher eines Besseres belehrt worden sei.

Es bestünden keine Zweifel an der Bösartigkeit des Tumors, bekräftigte die Ärztin. Ich fragte nach, ob die Biopsie nicht ein anderes Ergebnis erbringen könne. »Wenn die Biopsie nichts ergibt, würde ich sagen, ich habe daneben geschossen«, antwortete sie und schickte noch hinterher, mit Bestrahlung und Chemotherapie hätte ich nach einer Operation aber gute Chancen, da der Tumor klein sei. Weil ein bösartiger Tumor innerhalb von zwei bis drei Wochen nach der Biopsie entfernt werden müsse, müsse ich sofort entscheiden, mich hier im Krankenhaus auch operieren zu lassen. Ohne fest vereinbarten OP-Termin werde sie die Stanze nicht vornehmen. Da ich schnell Klarheit wollte und keine Alternative wusste, stimmte ich zu. Per Handy rief die Ärztin den Operateur hinzu, während ich immer noch auf der Liege lag. Der Chirurg erläuterte mir, der gesunde Saum um das bösartige Gewebe müsse mit entfernt werden. Der Nippel müsse sicherheitshalber mit weg, der Nippel der anderen Brust könne halbiert und verpflanzt werden: »Der ist ja groß genug.« Operiert werden solle bereits in der kommenden Woche.

Ich wollte wegen dieser widersprüchlichen Angaben, ob ich nun Krebs hätte oder nicht, die Ärztin sprechen. Die habe nun andere Patientinnen und keine Zeit mehr, hieß es.

Danach folgte die Gewebeentnahme per Stanze. Anschließend sollte ich sofort nach Hause gehen und dort darauf warten, dass mir die Ärztin telefonisch das Ergebnis mitteilt. Am Krankenhaus-Tresen drückte mir noch jemand Einwilligungserklärungen in die Hand, mit der Aufforderung, sie gleich unterschrieben abzuliefern, außerdem einen Hinweis, wo ich mir später Spezial-BHs anfertigen lassen könne und einen Zettel mit Terminen für die »OP« (Operation), ein OP-Gespräch, weitere Voruntersuchungen und einen Krankentransport-Termin in eine andere Klinik. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass dort eine radionukleare Voruntersuchung gemacht werden solle. Zusammen mit meiner Freundin entschied ich, nicht gleich nach Hause zu gehen, sondern im Krankenhaus auf das Ergebnis des Schnellschnitts der Gewebeprobe zu warten.

Nach etwa zwei Stunden rief eine Mitarbeiterin aus dem Sekretariat, die ich zuvor noch nicht gesehen hatte und die sich mir auch nicht vorstellte, meinen Namen in der offenen Wartehalle des Krankenhauses aus und las von einem Schmierzettel das vorläufige Ergebnis des Schnellschnitts ab: gutartig. Ich wollte wegen dieser widersprüchlichen Angaben, ob ich nun Krebs hätte oder nicht, die Ärztin sprechen. Die habe nun andere Patientinnen und keine Zeit mehr, hieß es.

Alle ÄrztInnen sträubten sich, mit mir gemeinsam die Verantwortung dafür zu übernehmen, den gutartigen Knoten nicht entfernen zu lassen.

Einige Tage und etliche Telefongespräche mit wechselnden Krankenhaus-Mitarbeiterinnen später erfuhr ich, dass die mikroskopische Analyse der Gewebeproben einen gutartigen Befund ergeben hatte: Pathologen hatten ein Fibroadenom in meiner Brust festgestellt.

Die Ultraschall-Ärztin hätte, bevor sie mir ihre Einschätzung mitteilte (»zu 99 Prozent Brustkrebs«) ohne Not das Ergebnis aus der Pathologie abwarten und auch einen vorläufigen OP-Termin planen können. Für ihre voreilige Fehldiagnose entschuldigte sie sich auch im Nachhinein nicht. Am Telefon meinte sie nun, das Ergebnis der Pathologen sei überraschend, und riet mir, das Fibroadenom entfernen zu lassen. Es sei eine »Zeitbombe«, die in den nächsten fünf Jahren hochgehen könne.

Mit diesen Aussagen, Diagnosen und Befunden konfrontierte ich mehrere andere Frauenärztinnen, Mammografie- und Ultraschallspezialisten. Von niemandem hörte ich etwas Beruhigendes. Alle sträubten sich, mit mir gemeinsam die Verantwortung dafür zu übernehmen, den gutartigen Knoten nicht entfernen zu lassen. Alle äußerten hingegen vorauseilend Verständnis dafür, dass ich mir den Nervenstress sicher nicht weiter antun wolle und die bei einem gutartigen Knoten doch verhältnismäßig kleine Operation sicher für die geringere Belastung halten würde. Derart weichgeklopft, vereinbarte ich einen Termin in einem anderen Krankenhaus – in der Erwartung, dass nun dort operiert würde.

Das »hohe familiäre Risiko«, das angeblich auf mir lastet, weil meine Mutter im Alter von 75 Jahren an Brustkrebs erkrankt ist, hat übrigens niemanden weiter interessiert. Es blieb eine ärztliche Behauptung ohne Beleg.

Es kam anders, die dortige Oberärztin sprach ausführlich mit mir und machte zum ersten Mal beides: Sie erstellte eine Ultraschall-Diagnostik und schaute sich die mitgebrachten Mammografie-Bilder an. So fiel ihr auf, dass der zuerst gefundene Mikrokalk mehrere Zentimeter vom Ort des Fibroadenoms entfernt liegt, mithin also zwei Stellen kontrolliert oder entfernt werden müssten. Das war zuvor niemandem aufgefallen. Sie empfahl jedoch keine Operation, eine regelmäßige Beobachtung der Brust reiche aus.

Wie es nun weiter geht, ist offen. Die Vorsorgeuntersuchung im Juni 2007 hat eine Kette von Folgeuntersuchungen nach sich gezogen. Vielen Frauen geht es wie mir. Durch das Mammografie-Screening, an das sämtliche Frauen ab 50 alle zwei Jahre schriftlich erinnert werden, dürfte die Zahl unnötiger Operationen weiter steigen. Vorsorge kann nicht falsch sein, denken viele. Klar ist aber auch, dass sie erhebliche seelische Erschütterungen und unnötige Eingriffe zur Folge haben kann. Das sieht in der Statistik und auf dem Papier harmloser aus, als es sich anfühlt.

Das »hohe familiäre Risiko«, das angeblich auf mir lastet, weil meine Mutter im Alter von 75 Jahren an Brustkrebs erkrankt ist, hat übrigens niemanden weiter interessiert. Es blieb eine ärztliche Behauptung ohne Beleg.