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»Wichtige Rolle«

»Die Reproduktive Gesundheit, von der Familienplanung einen wichtigen Teilaspekt darstellt, wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Entwicklungs-Zusammenarbeit der Bundesregierung spielen.«

aus der Antwort der Bundesregierung vom 10. März 1999 auf eine parlamentarische Anfrage der PDS-Fraktion (BT-Drucksache 14/497)

Im Elternalter

»Die prozentuale Wachstumsrate der Weltbevölkerung ist zwar in den vergangenen Jahren leicht gesunken; aber da in der nächsten Zeit die geburtenstärksten Jahrgänge der Menschheitsgeschichte ins Elternalter kommen, besteht kein Grund zur Entwarnung.«

aus einem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 2. März 1999, der »verstärkten bevölkerungspolitischen Einsatz der deutschen Entwicklungs-Zusammenarbeit« anmahnt (BT-Drucksache 14/446)



ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

UN-Sonderversammlung zur »Geburtenkontrolle«

  • Bevölkerungspolitiker haben den »Kostenfaktor Mensch« im Blick

aus: BIOSKOP Nr. 6, Juni 1999, Seiten 14+15

Kosten-Nutzen-Kalkulationen sind eine Selbstverständlichkeit in Szenarien von Gesundheitsökonomen und Sozialplanern. Ein »Zuviel« an alten, behinderten und chronisch kranken Menschen gilt ihnen als »Kostenfaktor«, der langfristig nicht mehr bezahlbar sein soll. Genetiker und Pränataldiagnostiker haben die Perspektive, »im Interesse zukünftiger Generationen« zu handeln. Und mit der allgegenwärtigen Zukunfts-Formel begründen auch Politikerinnen, warum sie Programme zu »Geburtenkontrolle« und Sterilisationen aus Steuergeldern finanzieren.

»Investionen heute vermeiden Kosten von morgen« – mit diesem Slogan meldete sich die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung im März zu Wort. Angesichts der UN-Generalversammlung, die sich Ende Juni in New York zu einer Sondersitzung trifft, warnte die größte deutsche Nichtregierungsorganisation in Sachen internationale Geburtenkontrolle ungeschminkt vor dem »Kostenfaktor Mensch«. »Immer mehr Menschen«, rechnet die Stiftung vor, »verursachen auch immer höhere Kosten, etwa für Bildung und Gesundheitsversorgung in den betroffenen Ländern.« Der Politik empfiehlt sie deshalb: »intelligenter sparen durch Investitionen in bevölkerungspolitische Entwicklungszusammenarbeit«.

Solche Ratschläge kamen im Ministerium für Entwicklungshilfe bislang gut an. Die neue Ressortchefin, die Sozialdemokratin Heidemarie Wieczorek-Zeul, hat bereits ernsthaft erklärt, sie wolle »lokale und regionale Konflikte und Kriege« durch eine gezielte Politik der Geburtenkontrolle verhindern. Und die CDU/CSU-Opposition brachte Anfang März einen Antrag in den Bundestag ein, der das »Menschenrecht«, die Zahl der Nachkommen individuell zu entscheiden, gleichzeitig verkündet und relativiert: Nach Meinung der Unionschristinnen muß Familienplanung in den Entwicklungsländern »in der Verantwortung der einzelnen Partner gegenüber künftigen Generationen und gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt« geschehen; die Abstände zwischen den Geburten sollten verlängert werden.

Die Anwendung soll sich möglichst nach übergeordneten politischen Interessen richten – und nicht nach den Vorstellungen der betroffenen Frauen.

Die Realisierung solcher Zukunftsmodelle verursacht zunächst einmal Kosten, die Richtung gibt ein Aktionsplan vor, den die Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo beschlossen hat. Bis zum Jahr 2015 sollen 22 Milliarden US-Dollar für »bevölkerungspolitische Unterstützung« ausgegeben werden – wofür im einzelnen, bleibt jedoch nebulös. Denn die führende internationale Organisation auf diesem Gebiet, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), versteht darunter eine Vielzahl von Maßnahmen: Sterilisationen (meist von Frauen), Langzeitverhütungsmittel (nur für Frauen), Familienplanungsdienste, öffentliche Sexualerziehung, Datenerhebungen, Verhütung von AIDS und die Versorgung von Müttern. »Reproduktive Gesundheit« heißt das offizielle Schlagwort dieser Politik. Gemeint ist damit nach wie vor die Verringerung von Geburten durch Methoden, die dauerhaft oder endgültig unfruchtbar machen. Die Anwendung soll sich möglichst nach übergeordneten politischen Interessen richten – und nicht nach den Vorstellungen der betroffenen Frauen.

Die Milliardenbeträge zwecks Gestaltung ganzer Bevölkerungen sollen die Entwicklungsländer größtenteils selbst aufbringen. Vertreterinnen von 180 Staaten, der UNO und namhaften Nichtregierungsorganisationen einigten sich 1994 in Kairo darauf, daß die Länder des Südens zwei Drittel der Kosten übernehmen, ein Drittel sollen die Industriestaaten beisteuern.

Nach Angaben der Bundesregierung arbeitet Deutschland derzeit mit mehr als fünfzig Staaten im Bereich der »reproduktiven Gesundheit« und Familienplanung zusammen.

Die Bundesrepublik gab 1996 nach UNFPA-Ausgaben rund 96 Millionen US-Dollar für »bevölkerungspolitische Hilfe« aus. Um die beschlossenen Ziele von Kairo zu erreichen, müßte dieser Etat auf 601 Millionen Dollar versechsfacht werden, was angesichts leerer Kassen auch im Bundesministerium für entwicklungspolitische Zusammenarbeit (BMZ) wenig wahrscheinlich ist. Das BMZ koordiniert und verwaltet das Geld für entwicklungs- und bevölkerungspolitische Programme. Ausgestaltet und umgesetzt werden sie von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Nach Angaben der Bundesregierung arbeitet Deutschland derzeit mit mehr als fünfzig Staaten im Bereich der »reproduktiven Gesundheit« und Familienplanung zusammen. Demnach versucht sich die KfW in Indien, Indonesien, Pakistan, Philippinen und Ruanda vowiegend im »sozialen Marketing für Verhütungsmittel«, auch in Kenia, Malawi und Simbabwe werden Verhütungsmittel verteilt. Das meiste Geld floß in den vergangenen Jahren ausweislich der offiziellen Zahlen nach Bangladesh (rund 305 Millionen DM). Allerdings sind die Berichte des BMZ zur bevölkerungspolitischen Zusammenarbeit mit Vorsicht zu genießen und schwer zu interpretieren. So behauptet die UNFPA. daß die tatsächlichen Hilfen der Bundesregierung zu Geburtenkontrollmaßnahmen weit höher seien als offiziell gemeldet. Tatsächlich verschleiert Bonn sie zum Teil mit dem Begriff »Basisgesundheitsversorgung«.

Es wird also weiter finanziert. Und geworben.

Was sich hinter den Zahlen verbergen kann, zeigt das Beispiel Peru. Mehr als 300.000 Frauen sind dort sterilisiert worden, im Rahmen des »Programmes zur reproduktiven Gesundheit und Familienplanung 1996-2000«, das die peruanische Regierung nach der Kairoer Konferenz in Angriff genommen hatte. Für ihre Zielquoten in Sachen »Fruchtbarkeitsraten«, für die Zahlung von Sterilisationsprämien und die Androhung von Kündigungen wurde die Fujimori-Regierung auch vom UNFPA mit 6,5 Millionen US-Dollar unterstützt – und damit indirekt auch durch die ehemalige CDU/CSU/ FDP-Regierung. Auch Rot-Grün, seit neun Monaten in Bonn an der Macht, scheint sich durch die Ereignisse in Peru nicht beeindrucken zu lassen. Im März teilte die neue Regierung auf Anfrage der PDS mit: »Sterilisation von Frauen und Männern gehört zum normalen Angebot von Methoden von Familienplanungsprojekten. (…) Da es keine speziellen Sterilisierungsprojekte gibt, besteht auch nicht die Notwendigkeit für ein gesondertes Evaluierungs- oder Informationssystem.«

Es wird also weiter finanziert. Und geworben: Am 11. Juli steht der »Internationale Weltbevölkerungstag« an, »Bevölkerungswachstum und das Verschwinden der Wälder« heißt das Motto. Am 12. Oktober feiern die Vereinten Nationen den »Tag der sechs Milliarden«. In diesem Rahmen wird die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung eine Kino-Aktion starten und Filme zur »Weltbevölkerungsproblematik« zeigen. Daß dabei die Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Peru und anderen Staaten des Südens zur Sprache kommen werden, ist nicht zu erwarten. Vielmehr wartet die bunte Informationsmappe der Stiftung zu diesem Tag mit Bedrohungsszenarien auf. Zum Beispiel mit der sogenannten »Weltbevölkerungsuhr 1998«, die eigentlich eine Zahlenkolonne ist. Sie bilanziert Geburten, Todesfälle und Zuwachs pro Jahr, Monat, Woche, Tag, Stunde, Minute, Sekunde, wobei Industrie- und Entwicklungsländer verglichen werden. Die Zahlen sollen die Botschaft der Stiftung untermauern: Es gibt zu viele Geburten in den Entwicklungsländern – und zu wenige in den Industriestaaten.

© Erika Feyerabend, 1999
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