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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Altenheim und Arztpraxis verlassen Modellprojekt

  • Zweifel an PatientInnenberatung und Rechtmäßigkeit

aus: BIOSKOP Nr. 50, Juni 2010, Seite 8

Im März berichtete BIOSKOP exklusiv über ein brisantes Modellprojekt, das den markenrechtlich geschützten Namen »beizeiten begleiten« trägt. Es soll PflegeheimbewohnerInnen und deren rechtliche VertreterInnen motivieren, schriftliche Vorausverfügungen zu verfassen.

Die Studie, Anfang 2009 im niederrheinischen Grevenbroich gestartet, verläuft inzwischen nicht mehr reibungslos: Eines der vier beteiligten Altenheime sowie eine Hausarztpraxis seien Ende April ausgestiegen, sagte Projektleiter Jürgen in der Schmitten (Universität Düsseldorf) auf Anfrage von BIOSKOP.

HausärztInnen haben im Modellprojekt eine Schlüsselrolle: Sie bestätigen mit Unterschrift und Praxisstempel, dass verfügungswillige HeimbewohnerInnen oder BetreuerInnen Inhalt und Tragweite ihrer Voraberklärung wirklich verstanden haben. Die dissidente Praxis hat laut in der Schmitten ihren Rückzug per E-Mail an alle Projektbeteiligten erklärt; anschließend habe ein Altenheim, dessen BewohnerInnen zum Großteil von besagter Praxis medizinisch betreut würden, die Kooperation mit beizeiten begleiten beendet.

Vertreterverfügungen stehen tatsächlich in keinem deutschen Gesetz

Die abgesprungenen ÄrztInnen hätten Zweifel an der Gesprächsführung der im Projekt geschulten BeraterInnen, zumal fast alle Vorausverfügungen, die ihnen zum Abstempeln vorgelegt worden seien, lebensverlängernde Therapien und Wiederbelebung im Notfall ausgeschlossen hätten. Außerdem hätten die AussteigerInnen ernste Bedenken, ob die im Projekt verbreitete, von Allgemeinmediziner in der Schmitten selbst entworfene »Vertreterverfügung« überhaupt rechtmäßig sei.

Vertreterverfügungen stehen tatsächlich in keinem deutschen Gesetz. Dennoch wird den Bevollmächtigten und BetreuerInnen von Menschen mit Demenz in den Grevenbroicher Heimen nahegelegt, den mutmaßlichen Willen ihrer schon nicht mehr einwilligungsfähigen Schutzbefohlenen vorab verbindlich aufzuschreiben – beispielsweise, ob und wie der Betreute behandelt werden wolle, sollten ihn später ein lebensbedrohlicher Infekt, Schlaganfall oder Herzversagen treffen.

Projektleiter in der Schmitten plant, im Frühjahr 2011 den Abschlussbericht zu veröffentlichen.

Die beizeiten-begleiten-EntwicklerInnen wollen ihr Konzept perspektivisch überall im Land anbieten. In Grevenbroich beteiligen sich zurzeit noch drei Altenheime, zwölf Arztpraxen, Rettungsdienst und das Kreiskrankenhaus. Projektleiter in der Schmitten plant, im Frühjahr 2011 den Abschlussbericht zu veröffentlichen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2010
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