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Vertrauensverlust?

Die Bundesärztekammer (BÄK) leistet sich eine Zentrale Ethikkommission (ZEKO), besetzt mit ehrenamtlichen Fachleuten. Als Vorsitzender der ZEKO fungiert der Bioethiker Urban Wiesing von der Universität Tübingen. Im Fachblatt Ethik in der Medizin veröffentlichte Professor Wiesing Anfang 2013 mal wieder einen Aufsatz. Die Kernbotschaft steht schon mit Ausrufezeichen in der Überschrift: »Durfte der Kieler Ärztetag den ärztlich assistierten Suizid verbieten? Nein!«

Zur Begründung führt BÄK-Berater Wiesing u.a. aus: »Mit dem Verbot des ärztlich assistierten Suizids hat der Ärztetag sein Mandat überschritten und könnte zu einem Vertrauensverlust beitragen, weil die Patienten dieses Verbot als mangelnde Akzeptanz ihrer überlegten Wünsche zur Gestaltung ihres Lebensendes interpretieren.« Angesichts der Tatsache, dass mehrere Landesärztekammern den Beschluss des Kieler Ärztetages vom Juni 2011 nicht in ihre Berufsordnungen übernommen haben, orakelt Wiesing: »Es droht ein innerdeutscher Suizid-Tourismus«.

Sollte Wiesing mit dieser Prognose Recht behalten, wäre die ZEKO gut beraten, beizeiten das Selbstverständnis der Ärzteschaft zu reflektieren, deren RepräsentantInnen sich ja regelmäßig auf den »Eid des Hippokrates« berufen. Der griechische Arzt, gestorben ca. 370 Jahre vor Beginn der heutigen Zeitrechnung, hatte geschworen: »Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten«.




KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Verbotspläne beerdigt

  • Beihilfe zum Suizid bleibt in Deutschland weiter straffrei

aus: BIOSKOP Nr. 62, Juni 2013, Seite 9

Der Gesetzentwurf zur Suizidbeihilfe ist gescheitert. Praktisch heißt das: Wer einem Sterbewilligen in Deutschland ein tödlich wirkendes Präparat besorgt, kann dafür weiterhin nicht bestraft werden. Dagegen verstoßen ÄrztInnen, die Selbsttötungen unterstützen, in den meisten Bundesländern gegen geltendes Berufsrecht – und in manchen nicht.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine politische Niederlage für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Der umstrittene Gesetzentwurf der liberalen Bundesjustizministerin, der »gewerbsmäßige« Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellen sollte (Siehe BIOSKOP Nr. 59 + 60), wurde Anfang Mai abrupt gestoppt – nicht im Parlament, sondern durch eine Art »Machtwort« der Bundeskanzlerin, verkündet in der katholischen Bistumspresse, per Interview kurz vor dem evangelischen Kirchentag.

Angela Merkel (CDU) selbst stand wohl einigermaßen unter Druck. Denn ungezählte Unionsabgeordnete sowie diverse Verbände hatten den 2012 vorgelegten Gesetzentwurf vehement kritisiert und gefordert, nicht nur solche Beihilfe-Dienstleistungen für Sterbewillige strafrechtlich zu verbieten, die erkennbar auf finanziellen Gewinn zielen. Vielmehr müsse auch jede organisierte, kontinuierliche Unterstützung von Selbsttötungen untersagt werden, die Vereine wie Dignitas oder Sterbehilfe Deutschland – laut eigener Darstellung ganz uneigennützig – anbieten und propagieren.

  • »Keine Herzensangelegenheit«

Für ein kategorisches Verbot sieht die christdemokratische Kanzlerin aber »zur Zeit noch keine Mehrheit« im Bundestag. Merkels Schlussfolgerung, den umstrittenen Gesetzentwurf einzustampfen und Suizidhilfe nun überhaupt nicht neu zu regeln (und somit weiterhin straffrei gewähren zu lassen), hat der liberalen Koalitionspartnerin aus dem Justizministerin offensichtlich gefallen. Für sie sei die Verschärfung des Strafrechts ja sowieso »keine Herzensangelegenheit«, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger, die auch im Beirat jener Humanistischen Union mitwirkt, welche seit Jahren dafür eintritt, »Tötung auf Grund des ausdrücklichen und ernstlichen Verlangen des Getöteten« zu legalisieren.

Mit dem Scheitern des Gesetzgebungsverfahrens können Sterbehilfeorganisationen – ob gewinnorientiert oder nicht – ziemlich gut leben, insbesondere, wenn sie in ausgewählten Bundesländern agieren und MedizinerInnen für ihre tödlichen Dienstleistungen einspannen wollen. Mehrere Landesärztekammern, etwa in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe, haben es nämlich bewusst unterlassen, das eindeutige Suizidhilfe-Verbot für MedizinerInnen zu übernehmen, das der Deutsche Ärztetag im Juni 2011 nach intensiver Diskussion in die Musterberufsordnung geschrieben hatte (Siehe BIOSKOP Nr. 54).

  • Merkwürdig

Dass sich deutsche Ärztekammern in einer so grundlegenden, berufsethischen Frage derart unterschiedlich positionieren, ist nicht nur merkwürdig. Perspektivisch dürfte die offensichtliche Uneinigkeit auch Wasser auf die Mühlen solcher JuristInnen und BioethikerInnen spülen, die grundsätzlich anzweifeln, dass die ÄrztInnenschaft überhaupt befugt ist, sich – etwa aus ethischen Gründen – selbst Ge- und Verbote aufzuerlegen, die strenger sind als Vorschriften des Strafrechts.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2013
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