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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Provozierter Prozess zur Präimplantationsdiagnostik

  • Berliner Reproduktionsmediziner will eine höchstrichterliche Entscheidung erreichen

aus: BIOSKOP Nr. 46, Juni 2009, Seite 7

Dr. Matthias Bloechle betreibt ein »Kinderwunschzentrum« in Berlin. Der Reproduktionsmediziner will nun Rechtsgeschichte schreiben.

»Wir informieren Sie über die Möglichkeiten einer Abklärung der männlichen sowie weiblichen Fruchtbarkeit«, verheißt die Homepage der Praxis, die selbstverständlich auch IVF-Behandlungen (künstliche Befruchtungen) anbietet. Außerdem veranstaltet das »Kinderwunschzentum« regelmäßig Symposien über »Genetik und Schwangerschaft«. Im März referierte Bloechle dabei über den »Stellenwert der Präimplantationsdiagnostik (PID) als Genetisches Screening«.

Solche Reihenuntersuchungen sind hierzulande noch Fiktion. Denn die PID – gemeint sind Gentests an Eizellen, die außerhalb des Körpers befruchtet wurden – gilt in Deutschland als nicht erlaubt. Dies will Bloechle geändert sehen, und dafür hat er einen Präzedenzfall provoziert.

  • Per Selbstanzeige

Zwischen Dezember 2005 und Mai 2006 machte er, gestützt auf Behandlungsverträge mit drei Patientinnen, PID-Untersuchungen an acht Embryonen im Reagenzglas. Bei vier Eizellen stellte Bloechle genetische Abweichungen fest, zum Beispiel Anlagen für Down-Syndrom und Trisomie 22. Die so informierten Frauen lehnten es ab, die IVF-Embryonen in ihre Gebärmutter übertragen zu lassen; sie wurden »letztlich verworfen«, wie es eine Strafkammer des Landgerichts Berlin ausdrückt, die den Fall nun zu beurteilen hatte. Angeklagt hatte die Staatsanwaltschaft den Arzt wegen des Verdachts, gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstoßen zu haben. Bloechle persönlich hatte den Prozess ins Rollen gebracht – per Selbstanzeige zwecks Klärung der Rechtslage.

Das seit 1991 geltende ESchG erwähnt die damals noch unbekannte PID nicht ausdrücklich; es bedroht aber jeden mit Strafe, der eine Eizelle »zu einem anderen Zweck« befruchtet als zum Herbeiführen einer Schwangerschaft. Die Staatsanwaltschaft warf Bloechle vor, er habe die PID benutzt, um sich »Selektionsmöglichkeiten« zu verschaffen; sie forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung.

  • Selektion nicht ausgeschlossen?

Dem wollte das Berliner Landgericht überhaupt nicht folgen, es sprach den Angeklagten frei. Mit seinen Taten, so die Begründung laut Gerichtspressemitteilung vom 14. Mai, sei es Bloechle »eindeutig und ausschließlich« darum gegangen, Schwangerschaften herbeizuführen. Zudem meinen die Richter, der Gesetzgeber habe mit dem EschG zwar die Zucht von Embryonen zu reinen Forschungszwecken verhindern wollen, »nicht aber eine Selektion wegen erheblicher schwerster Schäden«.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berliner Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt. Der Fall wird wahrscheinlich bald den Bundesgerichtshof beschäftigen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2009
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