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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Der Streit um die PID spitzt sich zu

  • Politiker erwägen, Embryonenselektion im Reagenzglas zu erlauben

aus: BIOSKOP Nr. 14, Juni 2001, Seiten 14+15

Sollen Embryonen, die durch künstliche Befruchtung im Reagenzglas erzeugt wurden, genetisch getestet und – bei Feststellung unerwünschter Erbanlagen – vernichtet werden dürfen? Über dieses »Präimplantationsdiagnostik« (PID) genannte, in Deutschland aber verbotene Verfahren streiten seit Wochen PolitikerInnen, MedizinerInnen und JuristInnen.

Offen ist, wer sich beim politischen Streit um die Zulassung der PID letztlich durchsetzen wird. Soviel ist klar: Kanzler Gerhard Schröder und seine Ministerinnen Edelgard Bulmahn (Forschung) und Ulla Schmidt (Gesundheit) sind für die Selektionstechnik, Justizministerin Herta Däubler-Gmelin dagegen. Die Fraktionen sind in dieser Frage untereinander zerstritten, was am 31. Mai 2001 auch die fünfstündige Bundestagsdebatte über Gentechnik und Ethik gezeigt hat; allein die FDP, die sich häufig genug als parlamentarischer Arm der Pharma-, Forschungs- und Ärztesverbände erwiesen hat, plädierte geschlossen pro PID. Außerdem haben die Liberalen dafür gesorgt, dass der Gesundheitsausschuss demnächst eine Anhörung internationaler ExpertInnen zur PID veranstalten wird, die in zehn EU-Staaten, z.B. Belgien, Frankreich und Großbritannien, erlaubt ist. Dass der FDP-Antrag Erfolg hatte, lässt Bereitschaft zum »Kompromiss« in anderen Fraktionen vermuten – und damit zum Aufweichen des bisher geltenden PID-Verbots.

  • Vordenker aus der Bundesärztekammer

Die argumentative Vorlage hat eine Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer (BÄK) längst geliefert, als sie Ende Februar 2000 einen »Diskussionsentwurf« präsentierte und damit die PID-Debatte so richtig entfachte. Das BÄK-Papier wirbt dafür, die PID »nur« solchen Paaren anzubieten, »für deren Nachkommen ein hohes Risiko für eine bekannte und schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankung besteht« _(Siehe BIOSKOP Nr.9. Ende Mai 2001 appellierte dann auch der Deutsche Ärztetag an den Gesetzgeber, rechtliche Klarheit darüber zu schaffen, ob und wie die PID hierzulande zulässig sei.

Gut möglich, dass die Position der BÄK-Arbeitsgruppe, die sich politisch mit Etiketten wie »restriktiv« oder »Ausnahmeregelung« verkaufen lässt, nach der parlamentarischen Sommerpause von der Mehrheit im Bundestag übernommen wird. Vielleicht informieren sich die Abgeordneten aber auch genauer und merken dann, dass sich die PID zumindest mittelfristig nicht auf Ausnahmefälle wird eingrenzen lassen. »In Zukunft«, orakelte der US-amerikanische Reproduktionsmediziner William E. Gibbons gegenüber der Financial Times Deutschland (FTD), »werden wir von immer mehr Krankheiten die genetische Basis annalysieren können. Das heißt, es wird immer mehr Kandidaten für die PID geben.« Der Einsatz der PID ermöglicht aber nicht nur, Menschen mit unerwünschten Eigenschaften zu verhindern, es geht auch um viel Geld: »Es ist kosteneffizient«, zitierte die FTD Gibbons Ende Mai, »2.000 bis 3.000 Dollar zusätzlich zu den Kosten für eine künstliche Befruchtung für die PID zu zahlen, wenn ich dadurch die Einpflanzung eines Embryos mit Mukoviszidose vermeiden kann, der später sehr hohe Pflegekosten verursachen würde.«

  • Forschungsinteressen im Hintergrund

Aber nicht nur manche der so genannten »Risikopaare« und Gesundheitsökonomen sind an Legalisierung und Ausweitung der PID interessiert. Im Hintergrund steht auch eine Nachfrage, die Christdemokrat Hubert Hüppe während der Medizinethik-Debatte im Bundestag ansprach: »Ich habe den Verdacht, es geht den PID-Befürwortern gar nicht um die Paare, die sich sehnlichst ein gesundes Kind wünschen. Es geht vielmehr darum, endlich in Deutschland legal an so genannte überzählige Embryonen zu gelangen. Man will endlich statt mit Ratten- und Mäuseembryonen mit menschlichen Embryonen experimentieren.«

Hüppe verwies auf eine PID-Erhebung der EU, derzufolge zwischen 1993 und 2000 europaweit 886 Paare eine PID in Anspruch genommen hätten. Dabei seien 6.465 Embryonen im Reagenzglas erzeugt worden – geboren wurden aber nur 162 Kinder. Die geringe Erfolgsquote stört ForscherInnen nicht, im Gegenteil: Künstliche Befruchtung und PID liefern ihnen den – inzwischen auch in Deutschland laut nachgefragten – Rohstoff für Experimente mit embryonalen Stammzellen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2001
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