BioSkop unterstützen! Kontakt Über uns

Unterschiedliche Prioritäten

Was macht Klinikarbeitgeber attraktiv? Diese Frage beschäftigt selbstverständlich auch MedizinerInnen. Der Deutsche Ärzte-Verlag und eine Consulting-Firma wollten es genauer wissen; sie befragten 86 leitende ÄrztInnen, 256 ärztliche MitarbeiterInnen und 231 Medizinstudierende. Ergebnisse wurden im August 2013 im Deutschen Ärzteblatt (Heft 33-34) veröffentlicht.

»Je nach Hierarchieebene setzen Ärztinnen und Ärzte andere Prioritäten«, steht über dem Bericht von Jens Flintrop. So »bewerten Chefärzte die extern wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität (etwa durch Bewerber) besser als die leitenden Oberärzte.« Befristete Arbeitsverträge zu verlängern, finden 76 % der Medizinstudierenden wichtig, aber nur 55 % der leitenden ÄrztInnen. Ganz oben auf der Attraktivitätsliste steht das »Teamklima«, das 95 % der Studierenden, aber nur 78 % der Führungskräfte nennen. Die Reputation einzelner Chefärzte ist für 67 % der leitenden MedizinerInnen attraktiv, aber nur für 25 % der ärztlichen MitarbeiterInnen.

Aufgefallen ist dem _Ärzteblatt_-Autor Flintrop auch dies: »Die leitenden Ärzte sind davon überzeugt, dass das medizinische Leistungsspektrum eine große Sogwirkung für die Gewinnung ärztlicher Arbeitskräfte hat. Aber ‘nur’ 66 % der ärztlichen Mitarbeiter und 58 % der Medizinstudierenden bewerten diesen Faktor als wichtig.«


220 Quadratmeter in der Stunde

Die Gewerkschaft ver.di publiziert regelmäßig einen Infodienst Krankenhäuser. In Ausgabe Nr. 61 vom Juni 2013 beleuchteten zwei Gleichstellungsbeauftragte aus Hannover die Arbeit von Frauen in Kliniken. Unter der Überschrift »Viel Dienst, wenig Verdienst« schrieben Susanne Klyk und Irla-Mareen Gonzales-Campanini u.a.:

»Im hauswirtschaftlichen Dienst wurde noch nie viel verdient. In den meisten Kliniken wurden die Hauswirtschaftsbereiche aus Wirtschaftlichkeitserwägungen ausgegliedert. Im günstigen Fall erhalten sie einen angelehnten – aber abgesenkten – Tarif. Mit Ausnahme der Führungskräfte arbeiten in den körperlich hoch belastenden Bereichen fast ausschließlich Frauen. Für neue Beschäftigte heißt das: weniger Lohn, mehr Leistung. In der Reinigung werden die Reviere stark vergrößert. Eine Kraft reinigt 220 Quadratmeter in der Stunde. (…) Die Hauptarbeit findet mit dem Wischmopp statt.

Mit anderen Worten: Diese Leistung kann frau kaum 5 Tage die Woche über Jahre durchhalten, daher geht der verordnete Trend zum Teilzeitjob. Die Vollzeitstellen werden abgebaut und durch flexibel planbare Teilzeitstellen ersetzt. Der Lebensunterhalt ist damit kaum zu bestreiten.«



KÄTHE VON BOSE, Sozialwissenschaftlerin

Wichtig, anstrengend, unsicher

  • Einblicke in alltägliche Bedingungen und Widersprüche der Arbeit von Reinigungskräften in Krankenhäusern

aus: BIOSKOP Nr. 63, September 2013, Seiten 14+15

Reinigungsarbeiten im Krankenhaus gelten als bloße Selbstverständlichkeit. Öffentliche Beachtung finden sie nur, wenn etwas gründlich schief gelaufen ist: Schlagzeilen machten zum Beispiel lebensbedrohliche Infektionen und Todesfälle, die auf Hygienemängel zurückgeführt wurden. Im Fokus der Medienberichterstattung stehen dann die potenziell Verantwortlichen sowie organisatorische und finanzielle Bedingungen. In diesem Beitrag kommen Frauen zu Wort, die in der Krankenhausreinigung tätig sind. Dabei geht es nicht um öffentliche Skandale. Beleuchtet werden vielmehr alltägliche Bedingungen und Widersprüche der Arbeit von Reinigungskräften. Grundlage sind Gespräche und Interviews, die die Autorin mit neun Frauen geführt hat, deren Job es ist, in unterschiedlichen Unikliniken für Sauberkeit zu sorgen.

»Ich wische gerne Waschbecken, weil nachher, wenn man die gut gewischt hat, dann glänzen sie so wie ein Spiegel, das macht mir Spaß«, so erzählt mir eine Reinigungskraft eines Krankenhauses. »Ist das nicht schön?«, fragt mich eine andere Frau, als sie auf ein frisch gewischtes Stück Flur zurückblickt. Ihr mache es Freude zu sehen, dass sie es bei all der Hektik schaffe, ihren Zuständigkeitsbereich zuverlässig sauber zu halten.

Neben Faktoren wie Zeitdruck und körperlichen Anstrengungen betonen Reinigungskräfte in Gesprächen immer auch Tätigkeiten, die sie zufrieden stellen und ihnen Freude bereiten. Zudem sei ihr wichtig, so eine Mitarbeiterin, »dass wenn geputzt wird, schön geputzt wird« – Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit machen sie zufrieden. Dabei geht es, so mein Eindruck, nicht nur darum, das Arbeitssoll nach Vorschrift zu erfüllen, um beispielsweise Arbeitskontrollen gewappnet zu sein. Vielmehr verschreiben sich Reinigungskräfte durchaus dem Gesamtziel des Krankenhauses: der Versorgung von PatientInnen. So sehen sie ihre Aufgabe darin, die allgemeine Atmosphäre zu verbessern: »Wenn es nicht sauber ist, ist es ungemütlich, nicht schön. Dass es sauber ist, dass sich die Leute wohl fühlen können, oder für die Besucher oder für die Patienten, das ist mir schon wichtig.«

Trotz ihres großen Erfahrungswissens werden sie in die Organisation der Reinigung nicht einbezogen.

Reinigungsarbeiten unterliegen in deutschen Krankenhäusern einer widersprüchlichen Logik. Einerseits wird ihnen eine große Bedeutung für die Hygiene und allgemeine Ansehnlichkeit von Krankenhäusern zugesprochen. Andererseits müssen sie aber immer mehr unter Bedingungen verrichtet werden, die diese Bedeutung nicht widerspiegeln.

Dieser Widerspruch klingt auch in meinen Gesprächen mit Reinigungskräften an. Zum einen wissen sie um die Wichtigkeit ihrer Arbeit für das Funktionieren des Krankenhauses vor dem Hintergrund von Geboten der Hygiene und Dienstleistung. Zum anderen erscheinen ihnen die Bedingungen für ihre Arbeit entsprechend dieser Ansprüche als unangemessen. Trotz ihres großen Erfahrungswissens werden sie in die Organisation der Reinigung nicht einbezogen und ihre Versuche, die bestehenden Arbeitsverhältnisse anzusprechen, finden meist kein Gehör. Das verdeutlicht nicht zuletzt auch die Beteiligung von Reinigungskräften an den Streiks für bessere Arbeitsbedingungen in verschiedenen Krankenhäusern der letzten Jahre.

Unter solchen Bedingungen lassen sich meist weder die Ansprüche des Krankenhauses und der Reinigungsfirma, noch die der Reinigungskräfte selbst erfüllen.

Die Politik des auch in Kliniken zunehmenden Outsourcings, also der Auslagerung notwendiger Arbeiten an externe Dienstleistungsunternehmen, spielt dabei sicherlich eine große Rolle. Geringe Löhne, Arbeitszeitreduktionen und kurze Vertragslaufzeiten machen die Reinigung zu einer unsicheren und nicht nur körperlich anstrengenden Arbeit. Die Reinigung ist zudem meist in einer Weise organisiert, die eine gründliche, hygienisch gebotene und für alle zufrieden stellende Sauberkeit fast unmöglich macht.

So werden etwa die zu säubernden Bereiche ausgeweitet, wobei sowohl die Zahl der zur Verfügung stehenden Personen, als auch der vorgegebenen Arbeitsstunden meist gleich bleibt oder gar gesenkt wird. Viele Bereiche werden außerdem nicht mehr von einer festen Kraft, sondern von stets wechselnden Personen gereinigt, was immer neue Einarbeitung und Absprachen erforderlich macht. Unter solchen Bedingungen lassen sich meist weder die Ansprüche des Krankenhauses und der Reinigungsfirma, noch die der Reinigungskräfte selbst erfüllen. Unter der täglichen Hektik kann nicht nur die körperliche Kraft und Gesundheit der Reinigungskräfte leiden, sondern eben auch die mögliche Sorgfalt bei der Arbeit, die nicht nur verlangt wird, sondern letztlich auch zufrieden macht.

»Ich würde sagen, es ist auch gar keiner dabei, der meinen Namen kennt, obwohl ich da monatelang jeden Tag auftauche.«

Neben solchen strukturellen Einflüssen tragen aber auch soziale Faktoren zu den schwierigen Arbeitsbedingungen bei. Das Gefühl, nicht als Teil des Ganzen anerkannt zu werden, im Alltag von statushöheren MitarbeiterInnen des Krankenhauses größtenteils ignoriert oder sogar schikaniert zu werden, ist immer wieder Thema. »Ich würde sagen, es ist auch gar keiner dabei, der meinen Namen kennt, obwohl ich da monatelang jeden Tag auftauche«, erzählt eine Reinigungskraft und stellt fest, dass das »die Arbeit auch sauer macht. Dieses Anonyme und wer da von der Reinigung ist, der ist irgendwie vom anderen Stern«.

Damit verwoben ist sicherlich die nach wie vor gängige soziale Abwertung der Reinigung als einer statusniederen Arbeit. Die Abwertung ist nicht nur an die Tätigkeit selbst gebunden – etwa daran, dass es sich dabei um das Entfernen von Schmutz und eine körperlich anstrengende Tätigkeit handelt ­–, sondern steht auch in engem Zusammenhang mit sozialen Zuschreibungen an die Personen, die diese Arbeit ‚normalerweise’ ausführen. Reinigungsarbeit gilt in Deutschland immer noch meist als ‚weibliche’ Aufgabe und mittlerweile auch als eine, die eher von ‚MigrantInnen’ übernommen wird. Strukturelle Gründe für solche ‚Normalitäten’ wie Ungleichheiten in Bezug auf Geschlecht und Migration auf dem Arbeitsmarkt bleiben dabei meist unsichtbar – zum Beispiel, dass vielen Frauen, die nach Deutschland gezogen sind, kaum Beschäftigungsmöglichkeiten offen stehen oder dass Bildungsabschlüsse häufig nicht anerkannt werden. Vielmehr vermischen sich häufig soziale Abwertungen, die mit Geschlecht, einem zugeschriebenen ‚Migrationshintergrund’ oder einer bestimmten (Bildungs-)Schicht verbunden sind, mit der Abwertung der Tätigkeit an sich.

Arbeiten für Sauberkeit und Hygiene sollten entsprechend ihrer Relevanz anerkannt werden – auch durch entsprechende Vergütung.

Der Erfahrung der sozialen Abwertung stellen Reinigungskräfte jedoch auch immer wieder einzelne Personen und Begegnungen gegenüber, die sich positiv davon abheben: Pflegekräfte, die einen kleinen Raum zum Pausenraum für die Reinigungskraft der Station und ihre Kolleginnen umräumen, eine Sekretärin, die von ihrem Urlaub erzählt, oder ein Professor, der durch Aufmerksamkeit und Freundlichkeit auffällt. Solche Begegnungen werden strukturell jedoch eher erschwert als ermöglicht. Zu große Bereiche, die in zu kurzer Zeit bearbeitet werden müssen, und zuweilen ständig wechselnde Einsatzorte stehen einem kollegialen Miteinander etwa zwischen Reinigungs- und Pflegekräften im Alltag im Weg. Absprachen lassen sich so schlechter treffen, Zuständigkeiten werden undurchsichtiger, die Motivation, im Alltag aufeinander zu achten und Bezug zu nehmen, wird beeinträchtigt.

Dabei wäre gerade das Krankenhaus ein Ort, an dem eine Zusammenarbeit zwischen Reinigungskräften und anderen, hierarchiehöheren Berufsgruppen durchaus vorstellbar ist. Im Gegensatz zu anderen Institutionen lassen sich aufgrund der großen Bedeutung von Hygiene und Sauberkeit hier zumindest Schnittstellen von Interessen und Aufgabengebieten der Reinigung und anderer Berufsgruppen finden. Das gemeinsame Ziel, Hygiene sicher zu stellen, könnte nicht zuletzt auch den abwertenden Zuschreibungen, mit denen Reinigungskräfte immer wieder konfrontiert sind, entgegenwirken. Arbeiten für Sauberkeit und Hygiene sollten in Krankenhäusern entsprechend ihrer Relevanz anerkannt werden – und das nicht nur in sozialer, zwischenmenschlicher Hinsicht, sondern auch durch entsprechende Vergütung und entsprechende Arbeitsstrukturen.

© Käthe von Bose, 2013
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Autorin