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Genau nachfragen

Eine Auswahl von Fragen, die Eltern an ÄrztInnen und Labore stellen können, nachdem diese eine Blutprobe ihres Babys im Rahmen des Neugeborenen-Screenings erhalten haben.

- Auf welche Krankheiten und Anlagen wurde die Blutprobe meines Kindes analysiert?

- Wie sehen die Befunde im einzelnen aus?

- Wo und wie lange werden Daten, Befunde und Blutprobe meines Kindes zu welchen Zwecken gespeichert? Wer kann darauf zugreifen?

- Wurde die gesamte Blutprobe analysiert? Oder ist ein Blutrest im Krankenhaus/Labor verblieben?

- Wo und wozu wird der Proberest aufbewahrt? Wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage?
- Wurden oder werden Blutprobe, Probereste und/oder persönliche Daten meines Kindes für Forschungsprojekte genutzt?

- Falls geforscht wird oder bereits Proben an Dritte weitergegeben wurden: Für welche Studien? Wer sind die beteiligten Wissenschaftler und Firmen? Zu welchen Zwecken und finanziellen Konditionen dürfen sie Proben und Daten nutzen?


BLUT UND GEWEBE

sind für GenforscherInnen und Pharmafirmen eine wertvolle Ressource. Gesammelt und verwertet werden Proben oft auch für kommerzielle Zwecke – häufig ohne Wissen der PatientInnen. Mit der Aktion Biobanken? Nicht mit uns! will BioSkop für Transparenz sorgen.

Sie können mitmachen!



KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Vorrang für den Datenschutz?

  • Neue Kinder-Richtlinien verlangen: Blutproben von Babys müssen nach drei Monaten vernichtet werden

aus: BIOSKOP Nr. 31, September 2005, Seite 11

Fast alle Eltern lassen das Blut ihres Babys auf seltene Erkrankungen testen. Viele Labors archivieren die getrockneten Blutproben ohne Wissen der Betroffenen. Vor zwei Jahren schlugen DatenschützerInnen Alarm und warnten vor »potenziellen Gendatenbanken« _(Siehe BIOSKOP Nr. 24. Nun gibt es endlich Regeln, die Missbrauch verhindern können – sofern MedizinerInnen sich dran halten. Erfahrungen junger Eltern wecken Zweifel.

Ohne großes Aufsehen hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine neue Leistung eingeführt: das »erweiterte Neugeborenenscreening«. Seit April müssen die gesetzlichen Krankenkassen auch den Einsatz der Tandemmassenspektrometrie (TMS) vergüten. Die neue Analytik soll erheblich mehr Stoffwechsel- und Hormonstörungen erkennen können als traditionelle Testmethoden. Der G-BA nennt insgesamt zwölf seltene »behandelbare Zielkrankheiten«, zum Beispiel Phenylketonurie und Galaktosämie.

Rechtsgrundlage sind die so genannten »Kinder-Richtlinien«. Sie regeln nun auch erstmals, was mit der Filterpapierkarte geschehen soll, auf der Blutstropfen getrocknet sind, die ÄrztInnen, PflegerInnen oder Hebammen aus der Ferse eines Neugeborenen entnommen haben: “Spätestens« nach drei Monaten sind die Restblutproben zu »vernichten«. So werde »Datenschutzaspekten Vorrang eingeräumt«, schreibt G-BA-Vorsitzender Rainer Hess zur Begründung.

  • Blutproben für Biobanken?

Handlungsbedarf wurde spätestens Mitte 2003 offensichtlich. Friedrich von Zezschwitz, damals hessischer Datenschutzbeauftragter, machte öffentlich, dass das Universitätsklinikum Gießen eine zentrale Datei mit Blut und Namen aller Menschen führt, die nach 1972 in Hessen geboren wurden. Eine ähnliche Sammlung gibt es auch in Hamburg. Die Gefahr liegt auf der Hand: Restblut und persönliche Daten könnten stillschweigend für so genannte »Biobanken« genutzt werden, die viele GenforscherInnen fordern. Ob solche Zweckentfremdungen bereits passiert sind, ist unbekannt. Fest steht: Zumindest am Hamburger Uni-Klinikum wurden einige anonymisierte Neugeborenen-Blutproben an forschende KinderärztInnen weitergegeben.

Das Benutzen von Blutproben für Forschungszwecke ohne Einwilligung der Eltern soll die seit April geltende Regelung ausschließen. Doch an die neue Pflicht zum Vernichten der Blutproben nach drei Monaten müssen sich Screening-ÄrztInnen wohl erst noch gewöhnen.

  • Nicht wie vorgesehen

Zum Beispiel MedizinerInnen des Berliner Uni-Klinikums Charité. Anfang Juli schrieben sie einer jungen Mutter auf Nachfrage: »Hier in Berlin sehen wir das größere Problem nicht im eventuellen Missbrauch gelagerter Restblutproben, sondern in einem eventuell notwendigen Nachweis einer fehlerhaften Abnahme, Zuordnung oder Bestimmung im Labor. (…) Wir halten es daher für richtig und wichtig, in Ihrem und unseren Interesse die Probe nicht wie vorgesehen frühzeitig zu vernichten. In Berlin haben wir uns auf eine Vernichtung zur Volljährigkeit Ihres Kindes, d.h. nach 18 Jahren entschieden.” Eine wissenschaftliche Nutzung der Blutproben, versichern die Charité-ÄrztInnen, sei »zur Zeit nicht beabsichtigt«. Nach Offenbarung der Bereitschaft zum Rechtsbruch folgt ein dreister Hinweis: »Falls Sie eine Aushändigung oder Vernichtung der Probe zum jetzigen Zeitpunkt wünschen, müssten Sie uns dies noch einmal ausdrücklich zur Kenntnis geben.«

  • Selbst aktiv werden

Wie man MedizinerInnen bewegen will, geltendes Recht auch praktisch zu befolgen, ist eine Frage. Die andere, weit zurück reichende, betrifft jene Baby-Blutproben, die seit Jahren in Unikliniken und Labors lagern, meist ohne Wissen der Getesteten und ihrer Eltern. Zum Verbleib dieser Proben sagen die neuen Vorschriften nichts.

Screening-ÄrztInnen, die vertrauenswürdig sein wollen, müssen selbst aktiv werden: Sie müssen Betroffene unaufgefordert anschreiben, über archivierte Proben informieren und auch fragen, ob sie einer weiteren Lagerung des Testblutes zustimmen oder nicht. Unterlassen sie dies, müssen diejenigen nachhelfen, die von Amts wegen zuständig sind: die Datenschutzbeauftragten.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2005
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