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Hinter verschlossenen Türen

»Eine vom Bundesministerium für Gesundheit berufene ‘Gendiagnostik-Kommission’ soll Details des Gesetzes regeln. Sie wird entscheidende Weichen stellen: Welche Gentests werden letztlich unter die Schutzbestimmungen des Gesetzes fallen? Wie wird Beratung in der Praxis aussehen? Werden Rechte von PatientInnen gewahrt, etwa im Rahmen genetischer Reihenuntersuchungen?

Die Interessen derjenigen, die das Gesetz schützen soll, werden in dieser Kommission allerdings nur mangelhaft vertreten: Nur drei von achtzehn Mitgliedern vertreten VerbraucherInnen, PatientInnen und Behinderte. Es dominieren ‘Sachverständige’ aus Medizin und Biologie, deren Diskussion noch dazu hinter verschlossenen Türen stattfindet. Der Durchsetzung säkularer Standes- und Berufsinteressen steht also kaum etwas im Wege.

Uta Wagenmann, Mitarbeiterin des Gen-ethischen Netzwerks, ist eine der für die Verbraucherverbände berufenen Vertreterinnen. Sie wird in der Gendiagnostik-Kommission dafür einstehen, dass die Interessen der Betroffenen gewahrt bleiben.«

aus der Pressemitteilung »Gendiagnostik-Gesetz tritt in Kraft – Es bleiben empfindliche Lücken«, verbreitet vom Gen-ethischen Netzwerk am 29. Januar 2010



KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Viele Fragen, kaum Antworten

  • Was macht eigentlich die Gendiagnostik-Kommission?

aus: BIOSKOP Nr. 49, März 2010, Seite 10

Ohne großes Aufsehen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im November die Mitglieder der neu geschaffenen Gendiagnostik-Kommission (GEKO) berufen. Woran arbeitet dieses ehrenamtliche Gremium gerade? Welche Interessen verfolgen ihre Mitglieder? Wie wird die Öffentlichkeit informiert?

Ein Blick ins Gendiagnostikgesetz (GenDG) macht deutlich: § 23 stattet die GEKO mit reichlich Definitionsmacht aus. So sind die ernannten Fachleute befugt, per Richtlinien festzulegen, welche genetischen Eigenschaften für Krankheiten, ihre Behandlung und Vorbeugung relevant sein sollen und wie genetische Beratungen zu erfolgen haben. Die GEKO darf auch bestimmen, welche Reihenuntersuchungen sinnvoll und welche Gentests geeignet sein sollen. Und die ExpertInnen sind sogar ermächtigt, Richtlinien zur »Erforderlichkeit« von genetischen Untersuchungen »bei nicht einwilligungsfähigen Personen« aufzustellen.

Schaffen sollen sie all dies mit Sachverstand, ehrenamtlich und unabhängig. Den Sachverstand hat der Gesetzgeber ziemlich einseitig gewichtet, von 18 GEKO-Mitgliedern müssen 13 aus den Fachrichtungen Medizin und Biologie kommen. Die Geschäftsstelle der GEKO ist beim Robert-Koch-Institut (RKI) untergebracht, auf der RKI-Homepage stehen auch die Namen und Dienststellen der vom BMG berufenen 18, ihre persönlichen StellvertreterInnen sind ebenfalls aufgeführt.

Man würde gern mehr erfahren über die GEKO und ihre Mitglieder.

Dass der GEKO-Vorsitzende Prof. Dr. Jörg Schmidtke heißt und am Humangenetischen Institut der Medizinischen Hochschule Hannover arbeitet, liest man auch. Weitere Details? Fehlanzeige! Man würde gern mehr erfahren über die GEKO-ExpertInnen, ihre hauptberufliche Arbeit und ihre sonstigen Engagements.

Wie diesbezüglich etwas Transparenz geschaffen werden kann, zeigt die ebenfalls beim RKI angesiedelte Ständige Impfkommission (STIKO). Deren Mitglieder tun auf der RKI-Homepage inzwischen, was jahrelang öffentlich gefordert wurde: Sie geben Aktivitäten an, die zum Einschätzen der versprochenen Unabhängigkeit relevant sind, beispielsweise: Beteiligung an klinischen Studien im Auftrag von Pharmafirmen, Mitwirkung in wissenschaftlichen und industriellen Gremien, Beratungs- und Gutachtertätigkeiten und – soweit vorhanden – Inhaberschaft von Patenten, Lizenzen und Unternehmensbeteiligungen.

Empfiehlt die STIKO eine neue Impfung, hat das in der Regel zur Folge, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für den Einsatz entsprechender Impfstoffe übernehmen müssen. Ähnliche Konsequenzen dürften perspektivisch auch die GEKO-Richtlinien haben. Teuer würden etwa Reihenuntersuchungen auf bestimmte genetische Veränderungen, die ein mögliches Erkrankungsrisiko signalisieren sollen.

Ob die GEKO tatsächlich an solchen Richtlinien arbeitet oder diese plant, wird die Öffentlichkeit wohl erst erfahren, wenn die Papiere fertig sind.

GEKO-Vorsitzender Schmidtke ist einschlägig erfahren: Im Februar 2001 startete er, gemeinsam mit der Krankenkasse KKH, den Modellversuch »Hämochromatose-Screening« _(BIOSKOP Nr. 13. Rund 6.000 Freiwillige ließen sich gratis auf eine Erbanlage für Hämochromatose testen, gut zweieinhalb Jahre später stand für die KKH fest: Der Massengentest sei als »Früherkennung« einer behandelbaren Krankheit sinnvoll und sollte deshalb Kassenleistung werden. So weit kam es damals nicht – heute haben Schmidtke und die GEKO die Macht, ein derartiges Screening per Richtlinie zu befürworten.

Ob die GEKO tatsächlich an solchen Richtlinien arbeitet oder diese plant, wird die Öffentlichkeit wohl erst erfahren, wenn die Papiere fertig sind. Dann muss das RKI sie, gemäß Vorgabe des GenDG, veröffentlichen. Wo genau, ist nicht geregelt.

Allerdings hat die GEKO Ermessenspielräume auch für mehr Transparenz. Sie darf sich nämlich selbst eine Geschäftsordnung (GO) geben, der das BMG zustimmen muss. In der GO könnte zum Beispiel stehen, dass Entwürfe von Richtlinien stets öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Und auch, dass Tagesordnungen, komplette Sitzungsprotokolle, Arbeitskreise und Interessenkonflikte im Internet bekannt gemacht werden. Bisher ist nicht mal die Geschäftsordnung online. Oder gibt es die noch gar nicht?

© Klaus-Peter Görlitzer, 2010
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